Blog zur 2. Woche nach dem Jahrestag der Auferstehung Jesu: Jesus lieben?

 

Viele Jahre lang habe ich mich gefragt, ob Jesus als der Auferstandene nach dem schönen Frühstück mit seinen Jüngern am See Genezareth in Johannes 21,15 nicht eine ganz unmögliche Frage an Petrus stellt: „Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben?“ Woher soll Petrus wissen, ob er derjenige ist, der Jesus von allen Jüngern am meisten liebt? 

 

 

 

Solche Fragen führen oft dazu, andere Übersetzungen und vor allem die die Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch heranzuziehen. Sie übersetzt wörtlich: Liebst Du mich mehr als diese? Das „mich ... haben“ in Vers 15 der Lutherfassung findet sich nicht im griechischen Text.

 

 

 

Demzufolge könnte es nicht darum gehen, ob Petrus Jesus mehr liebt als die anderen Jünger, also darum, wer Jesus am meisten liebt, sondern darum, wen Petrus mehr liebt als Jesus.

 

 

 

Darüberhinaus steht das Wort „diese“ in „Mehr als diese“ im Griechischen im Genitiv. Da gibt es den Genitivus subjectivus – dann wäre es ein Vergleich zwischen der Liebe von Petrus und der Liebe der anderen Jünger. Dann bliebe es eine seltsame Frage von Jesus. Es könnte sich aber auch um den Genitivus objectivus handeln – also wen oder was liebt Petrus mehr als Jesus?

 

 

 

Und da gibt es mindestens zwei Möglichkeiten. Die eine ist, dass Petrus die anderen Jünger mehr liebt als er Jesus liebt. Jesus hatte sie alle zu Menschenfischern berufen, aber Petrus geht mit den anderen wieder Fische fangen im See Genezareth. Ist das nicht im Interesse aller, wenn Jesus ihnen nur hin und wieder als Auferstandener erscheint?

 

 

 

Diese Überlegung liegt nahe an einer zweiten Möglichkeit, die noch wahrscheinlicher ist. Ist es nicht eher Fischerei, die Petrus mehr liebt als Jesus und seinen Auftrag, Menschen zu fischen? Hat Petrus seine Kameraden nicht gerade dazu aufgefordert, statt Menschen die Fische im See Genezareth zu fischen? Karl-Heinz Vanheiden macht dazu in seiner NeÜ bibel.heute folgende Anmerkung: „Wörtlich: diese. Das könnte sich sprachlich auch auf das Vorherige, also den Fischereibetrieb, beziehen. Dann müsste man übersetzen: <diese anderen Dinge hier>.

 

 

 

Und wenn wir weiter dem griechischen Text folgen, dann fragt Jesus nach der Liebe, die die Griechen αγαπαω (agapaoo) nennen. Diese Form der Liebe wird von Bibelkundlern als bedingungslose Liebe vor allem Gott zugeschrieben, die Menschen weitergeben können, wenn sie sie erfahren haben. Aber Petrus spricht in seiner Antwort von der Liebe und Zuneigung von Mensch zu Mensch – im Griechischen φιλεω (phileoo): „Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“

 

 

 

Und nach diesem Bekenntnis ruft Jesus ihn zurück von der Fischerei zu seinem Auftrag, indem er bildlich davon spricht, seine Lämmer und seine männlichen und weiblichen Schafe zu weiden.[1]

 

 

 

Ja, Jesus zu lieben, kann bedeuten, einen geliebten Beruf aufzugeben und einen höheren Auftrag von ihm zu ergreifen. Es kann auch bedeuten, den Beruf im Blick auf Jesus mit Sorgfalt und Engagement auszuüben. Kolosser 3, Vers 23: „Alleswas ihr tutdas tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen.“

 



[1] Entsprechend übersetzt George Lamsa aus dem Aramäischen ins Englische: 1. Feed my lambs. 2. Feed my sheeps. 3. Feed my ewes. George Lamsa, Holy Bible from the Ancient Eastern Text, From the Aramaic of the Peshitta, Harper & Row, Publishers, New York. Originally published by A.J.Holman Company, copyright 1933, renewed 1968, S. 1081.