Leiden 6.9: Der Countdown läuft

Teilnehmer 4: Erst sechs Tage vor dem Passa, der Schlachtung des Passalammes, taucht Jesus nach Vers 1 in Kapitel 12 wieder in Bethanien auf, und zwar ist er zusammen mit den Geschwistern Lazarus, Marta und Maria. Die Evangelien beginnen, genau die Tage zu zählen. Der Countdown läuft: „1Sechs Tage vor dem Passafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus auferweckt hatte von den Toten. 2Dort machten sie ihm ein Mahl und Marta diente ihm; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tisch saßen.“

 

Teilnehmer 5: Diese Zeitangabe würde ich mir gerne in unsere heutigen Begrifflichkeiten übersetzen. Ich gehe mal davon aus, dass Jesus an dem Tag gekreuzigt wurde, an dem im Tempel die Passalämmer geschlachtet wurden und dieser Tag, an dem dann abends das Passalamm gegessen wird, als Passa bezeichnet wird. Wenn wir dann 6 Tage nach vorne zählen, sind wir beim Samstag in der Woche davor, also am Samstag vor Palmsonntag.

 

Teilnehmer 6: Wenn wir uns den Preis klar machen wollen, den Jesus für uns zahlte, dann sollten wir auch die biblischen Zeitangaben für uns nachvollziehbar erläutern. Und da muss ich nun beim Karfreitag anfangen, und das hängt mit der Zeitspanne zwischen Karfreitag und Ostersonntag zusammen, an dem die Auferstehung Jesu gefeiert wird. Jesus sagt in Matthäus 12, 40, dass er drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde, also im Grab sein wird. Das ist das „Zeichen des Jona“. Der war nach Jona 2,1 eben auch drei Tage und drei Nächte im Leib eines großen Fisches.

 

Teilnehmer 7: Aha. Du spielst darauf an, dass es von Freitag bis Sonntag keine drei Tage und drei Nächte sind.

 

Teilnehmer 6: Genau. Bei genauerer Betrachtung ist weder der Freitag der Kreuzigungstag noch der Sonntag der Auferstehungstag.

 

Teilnehmer 8: Na, denn tu mal Butter bei die Walfisch vom Jona.

 

Teilnehmer 6: Okay. Ich möchte mal mit sechs Feststellungen aufgrund der biblischen Texte beginnen:

 

1.

Jesus stirbt am Kreuz um die 9. Stunde, also in unseren Begriffen gegen 15.00 Uhr. Das ist Matthäus 27, 46-50, zu entnehmen.

 

2.

Er wird noch vor Sonnenuntergang vom Kreuz abgenommen und begraben, da mit Sonnenuntergang ein hoher Sabbat, der erste Tag der Ungesäuerten Brote, beginnt. Das ist Johannes 19, Verse 31 und 38, zu entnehmen. Die Kreuzigung findet am letzten Rüsttag von dem Fest der Ungesäuerten Brote statt, dass am Abend mit dem Essen des Passa- oder Sedermahls beginnt.

 

3.

Er bleibt 3 Tage und 3 Nächte im Grab – das Zeichen des Jona. Das ist Matthäus 12,40 zu entnehmen. Also wird er auch am 3. Tag nach der Kreuzigung und Grablegung vor Sonnenuntergang auferstehen.[1]

 



[1] Vgl. dazu Ethelbert W. Bullinger, Companion Bible, Appendix 144 <The „Three Days“ and „Three Nights“ of Matt. 12. 4o> (S. 170). - Von Fruchtenbaum und anderen wird demgegenüber eingewandt, dass der Ausdruck "drei Tage und drei Nächte" eine Redefigur sei, die nur unterstreichen solle, dass der Betreffende wirklich tot sei (was wiederum die Frage aufwirft, warum denn ein solcher Ausdruck ein Ausdruck für "tot" ist - vielleicht, weil man es nach drei Tagen und drei Nächten sicher weiß?) und daher nicht wörtlich zu verstehen sei. Derzeit kann vom Hauskreis aus nicht mit Sicherheit gesagt werden, was zutrifft. Kurt Fuß schlägt vor, zu prüfen, ob tatsächlich alle relevanten Textstellen mit beiden Ansichten oder auch einer dritten von Adolf Knoch, dass die Kreuzigung an einem Donnerstag stattfand, kompatibel sind.

Eine andere Vorgehensweise wäre, zu ermitteln, ob in den Jahren, in denen die Kreuzigung Jesu wahrscheinlich stattgefunden hat, also z.B. in dem Zeitraum von 20 bis 40 nach Christi Geburt, der 14. Nisan auf einen Mittwoch, einen Donnerstag oder einen Freitag gefallen ist.

Unter Verwendung der Gaußschen Osterformel und des ewigen Kalenders zur Wochentagsbestimmung (vgl. Seite „Ewiger Kalender“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. März 2020, 20:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ewiger_Kalender&oldid=197740899 (Abgerufen: 6. Mai 2020, 11:37 UTC) sowie www.thkoeler.de/ewiger Kalender) kommt Tim Höfer Ende April/Anfang Mai 2020 zu dem Ergebnis, dass der 15. Nisan in den Jahren 26 und 35 nach Christus ein Donnerstag war und in den Jahren 31 und 33 nach Christus ein Samstag. Einen Tag vorher, am 14. Nisan, fand die Kreuzigung Jesu statt.  Das Jahr 31 nach Christus, in dem Jesus 33 Jahre alt wurde, kommt als Jahr der Kreuzigung besonders in Betracht. Jesus starb demnach an einem Freitag, wie die weit überwiegende Tradition lehrt.

Der Dialog zu der Frage, ob Jesus an einem Mittwoch, einem Donnerstag oder einem Freitag starb, sollte daher in den kommenden Jahren weiter vertieft werden.

 

 

Titelbild: Countdown SpaceX Raketenstart https://pixabay.com/de/. Im Westen ist der Countdown untrennbar mit Raketenstarts verbunden. Vgl. Seite „Countdown“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Februar 2020, 05:33 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Countdown&oldid=196479925 (Abgerufen: 14. März 2020, 21:21 UTC).

 

4.

Am ersten Tag der Woche nach der Kreuzigung, also unserem Auferstehungssonntag, erschien Jesus nach Markus 16, Vers 9, als Auferstandener in aller Frühe zum ersten Mal einem Menschen, nämlich Maria von Magdala.[1] Jesus muss also vorher auferstanden sein.

 

5.

Zu dem Zeitpunkt, als der Engel des HERRN den Stein vom Grab weg wälzt, um jedermann, der es wissen will, zu zeigen, dass das Grab leer ist, sind die Wachen nach Matthäus 28, Vers 4, noch da. Sie sind nach Matthäus 27, 62-66, am Tag nach der Kreuzigung zum Grab beordert worden, um drei Tage lang dort zu bleiben. Damit ist ausgeschlossen, dass die Auferstehung später geschehen ist als „am ersten Tag der Woche“ unmittelbar nach der Kreuzigung.

 

6.

Sie kann aber auch nicht viel früher geschehen sein, denn damit das „Zeichen des Jona“ ein Zeichen bleibt, muss klar werden, dass Jesus auch nicht länger als drei Tage und drei Nächte im Grab bleibt. Das würde verwischt, wenn der Tag der Kreuzigung schon der Dienstag oder der Montag gewesen wäre.

 

Teilnehmer 9: Damit sagst Du, dass eigentlich nur der Mittwoch als Tag der Kreuzigung übrigbleibt?

 

Teilnehmer 6: Ja. Wenn am Sonntag in aller Frühe die Auferstehung schon geschehen ist, nämlich vor Sonnenuntergang am Samstag, dem wöchentlichen Sabbat, dann müssen drei Tage und drei Nächte vorher, nämlich am Mittwoch, Kreuzigung und Grablegung stattgefunden haben. In dem fraglichen Jahr muss der 14. Nisan, der Tag, an dem das Passalamm zu schlachten und nach Sonnenuntergang zu essen ist, in unseren Wochentagsbegriffen ein Mittwoch gewesen sein.

 

Teilnehmer 10: Und der 6. Tag vor dem Passa war dann der Donnerstag vor unserem „Palmsonntag“.

 

Wochentag

Ereignis

Donnerstag vor der Karwoche

Maria, die Schwester des von Jesus auferweckten Lazarus, salbt die Füße Jesu im Haus von Lazarus, Maria und Martha in Betanien

 

 Teilnehmer 7: Und jetzt zu dem, was an diesem Tag passierte.

 



[1] αναστας δε πρωι πρωτη σαββατου εφανη πρωτον μαρια τη μαγδαληνη αφ ης εκβεβληκει επτα δαιμονια. „Auferstanden aber, früh am ersten des Sabbats (am ersten nach dem Sabbat, wenn man nicht Sabbat auch mit Woche übersetzen will, wie es z.B. Menge-Güthling, S. 617, zulässt, was aber durch die übliche traditionelle Betrachtung der hier einschlägigen Bibelstellen intendiert sein kann – vgl. dazu Adolf E. Knoch, Das Geheimnis der Auferstehung, Konkordanter Verlag Pforzheim, S. 131) erschien er zuerst Maria aus Magdala ...“ Viele Übersetzungen interpretieren den Satz anders, indem sie das Komma nicht nach aber, sondern nach „sabbats“ setzen. Da in den alten Handschriften keine Satzzeichen enthalten sind, ist jede Zeichensetzung eine Interpretation, die zutreffend oder irreführend sein kann. Hier muss das Komma nach „aber“ stehen, da der Satz sonst der Aussage „drei Tage und drei Nächte“ widerspricht. – Knoch kommt teils zu ähnlichen Ergebnissen wie hier vertreten, teils zu abweichenden Ergebnisses im Detail, die jedoch letztlich nicht überzeugen, da er u.a. das „Zeichen des Jona“ nicht wörtlich auffasst – entgegen Bullinger. Unterschiedlich aufgefasst wird auch Matthäus 28,1: οψε δε σαββατων τη επιφωσκουση εις μιαν σαββατων ηλθεν μαρια η μαγδαληνη και η αλλη μαρια θεωρησαι τον ταφον. Knoch übersetzt die ersten drei Worte mit „Am Abend der Sabbate“. Er geht davon aus, dass im Jahr der Kreuzigung von Jesus der wöchentliche Sabbat unmittelbar auf den hohen Sabbat folgte und hier der Abend vor Sonnenuntergang und damit dem Ende des hohen Sabbats und nach Sonnenuntergang zu Beginn des wöchentlichen Sabbats gemeint ist. Und er ordnet diesen Ausdruck dem vorhergehenden Satz zu, der sich mit der Sicherung des Grabes beschäftigt. Unbestritten ist, dass Sabbat im Genitiv Plural steht. Vielleicht kann der Ausdruck aber auch, da οψε nicht nur „abends“ bedeutet, sondern auch „spät, zuletzt, endlich“ etc. (vgl. Menge-Güthling, S. 510), so verstanden werden, dass die ganze Aktion mit den Wachen von der jüdischen Führung wegen der Feiertagsgebote der Sabbate erst spät am hohen Sabbat eingeleitet wurde.

 

Nach den ersten drei Worten würde dann – Knoch folgend - ein neuer Satz beginnen: „Beim Hellwerden zu einem der Sabbate kamen Maria aus Magdala und die andere Maria, das Grab zu betrachten.“ Es würde Sinn machen, dass die beiden Frauen an jedem der Sabbate – vgl. zum Ausdruck μιαν σαββατων Menge-Güthling, S. 211, εις, μια, εν Bedeutung 1.b), obwohl hier das Wort καθ nicht benutzt wird - zum Grab kamen, um es zu betrachten und ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Etwas Anderes konnten sie dort schon wegen der Wachen und wegen der Sabbatgebote nicht tun, und am Tag zwischen den Sabbaten bereiteten sie nach Lukas 23, 56, womöglich „wohlriechende Öle und Salben“. Knoch ist der Meinung, dass sie dies bereits am Abend nach der Grablegung taten, obwohl da schon bald der hohe Sabbat anbrach. Bemerkenswert scheint weiter, dass in Matthäus 28,2 mit den Worten „Und siehe“ eine neue Sequenz des Geschehens beginnt. Kein Mensch hat die Auferstehung Jesu selbst gesehen. Gesehen wurde zunächst (nur) das leere Grab, zu denen erst ein und dann zwei Engel eine Erklärung gaben. – Lamsa, Holy Bible from the Ancient Eastern Text, übersetzt im Übrigen Matthäus 28,1 so: „In the evening of the sabbath, when the first day of the week began to dawn ...“.