Auferstehung 1.2: Drei Nächte und drei Tage im Grab – Die Frauen

Teilnehmer 1: Dann lese ich mal aus Kapitel 23 bei Lukas, anschließend an die Bestattung durch Josef von Arimathäa: „55 Es folgten aber die Frauen nach, die mit ihm gekommen waren aus Galiläa, und sahen das Grab und wie sein Leib hineingelegt wurde. 56 Sie kehrten aber um und bereiteten wohlriechende Öle und Salben. Und den Sabbat über ruhten sie nach dem Gesetz.“

 

Teilnehmer 2: Demzufolge taten die Frauen zweierlei, während Jesus im Grab war: Sie bereiteten wohlriechende Öle und Salben. Und während des Sabbats ruhten sie. Merkwürdigerweise steht hier der Sabbat im Singular. Daraus schließt Knoch, dass sie nur an dem hohen Sabbat, dem Tag nach Kreuzigung und Begräbnis Jesu, ruhten, aber an dem wöchentlichen Sabbat schon Jesus einbalsamieren wollten. Gekauft und zubereitet haben sie seiner Meinung nach die Salben und Öle schon zwischen Grablegung und dem Anbruch des hohen Sabbats gegen 18.00 Uhr.

 

Teilnehmer 3: Wenn es nur das Lukas-Evangelium gäbe, wäre dieses Verständnis durchaus plausibel. Aber bei Markus, Kapitel 16, Vers 1, heißt es: 1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.“

 

Teilnehmer 4: Aha. Nimmt man Markus und Lukas zusammen, dann blieben die Frauen den hohen Sabbat über untätig (Markus), nachdem sie die Grablegung durch Josef von Arimathäa kurz vor Sonnenuntergang beobachtet hatten. Der hohe Sabbat verging, ohne dass ein Geschehen berichtet wird. Dann kauften sie wohlriechende Öle und Salben, und dann ruhten sie während des wöchentlichen Sabbats. Dass sie auch während des hohen Sabbats ruhten, ist so selbstverständlich, dass es gar nicht erwähnt wird – nicht nur, weil es ein hoher Sabbat war, sondern weil es direkt nach der Kreuzigung und dem fürchterlichen Sterben des Herrn war.[1]

 

Teilnehmer 5: Die Frauen, jedenfalls mindestens zwei von ihnen, taten während der Zeit, als Jesus im Grab war, aber noch etwas. Sie besuchten das Grab. Das war auch am Sabbat erlaubt – vielleicht nicht schon am hohen Sabbat, aber am wöchentlichen Sabbat bestimmt, während die Frauen dazwischen mit der Zubereitung der Spezereien beschäftigt waren. Matthäus 28, 1: „Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.“[2]

 

Teilnehmer 6: Oh je. Das klingt aber so, als ob wir hier schon einen Tag weiter sind, nämlich am ersten Tag der Woche. Wenn Jesus tatsächlich am Mittwoch gekreuzigt worden ist, sind jetzt schon drei Tage und drei Nächte um.

 

Teilnehmer 7: Außerdem haben wir den ersten Teil des Satzes, nämlich „als der Sabbat vorüber war“, Knoch folgend ganz anders übersetzt. Da ging es ja darum, dass im Griechischen „Opse de sabbatoov“ steht. Das Wort „opse“ bedeutet „spät am“, wenn es mit dem Genitiv steht,[3] was hier der Fall ist. Der Sabbat ist also nicht vorüber, sondern es ist spät an den Sabbaten, dem hohen und dem wöchentlichen, die hier als eine Einheit – mit „Brückentag“ oder ohne – gesehen werden.

 



[1] Knoch wendet dagegen ein, dass das griechische Wort für „vergangen“, διαγενουμενου (diagenoumenou), eine Form von διαγιγνομαι (diagigvomai) „nur“ „inzwischen werden“ bedeute – a.a.O., S. 138. Demgegenüber gibt Menge-Güthling die Bedeutungen des Verbs διαγιγνομαι mit 1. „Glücklich durchkommen, fortbestehen, sich erhalten etc.“ und 2. mit „dazwischen vergehen, verlaufen, verflossen sein“ an, so dass die Übersetzung „vergangen“ angemessen erscheint.

[2] Unterstreichung hinzugefügt.

[3] Menge-Güthling, S. 510, Bedeutung 1.b) und 2.

 

Titelbild: Die Einbalsamierung von Jesus Christus. Brügge, ca. 1410-20, Urheber des Bildes unbekannt - ArtDaily.com, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20990852.

 

Teilnehmer 8: Die nächste zeitliche Bestimmung erklärt quasi die erste: „und der erste Tag der Woche anbrach“, griechisch „tä epiphooskousä eis mian sabbatoov“. Dabei ist zu berücksichigen, dass nach hebräischem Verständnis der neue Tag mit der Abenddämmerung oder genauer dem Erscheinen der ersten drei Sterne am Abendhimmel beginnt. Und obwohl Knoch zu Recht darauf hinweist, dass in diesem Ausdruck nicht vom ersten Tag der Woche die Rede ist, sondern von einem Tag der Sabbate, bedeutet der Ausdruck doch, dass der erste Tag der Woche anbrach.

 

Teilnehmer 9: Na, diesen Salto mortale musst Du uns wohl etwas näher erklären, zumal ich das Wort „Tag“ auch nicht im griechischen Text sehe.

 

Teilnehmer 8: Was das Wort „Tag“ angeht, so sind sich die Gelehrten, wo weit ich weiß, einig, dass es ergänzt werden muss und darf, weil „mian“, eine, ein Zahlwort in der femininen Form ist und der Tag im Griechischen feminin ist, der Sabbat aber ein Neutrum ist. Die Interlinear übersetzt dementsprechend: „am hellwerdenden (Tag) zum (Tag) eins (der) Woche“.

 

Teilnehmer 9: Das erklärt das Wort „Tag“. Aber wie wird aus Sabbat oder genauer Sabbaten Woche? Das lehnt doch Knoch gerade sehr begründet ab[1] und ebenso hat es Bullinger vor ihm getan[2].

 

Teilnehmer 8: Beide beziehen sich darauf, dass hier auf die sieben wöchentlichen Sabbate vom Fest der Ungesäuerten Brote an bis Pfingsten Bezug genommen wird. Das ist in 3. Mose 23 näher beschrieben. In den Versen 15-16 heißt es: „15 Danach sollt ihr zählen vom Tage nach dem Sabbat, da ihr die Garbe als Schwingopfer darbrachtet, sieben ganze Wochen. 16 Bis zu dem Tag nach dem siebenten Sabbat, nämlich fünfzig Tage, sollt ihr zählen und dann ein neues Speisopfer dem HERRN opfern.“

 

Teilnehmer 10: Ich verstehe nur „Bahnhof“.

 

Teilnehmer 8: Wir sind bei dem Ausdruck „am hellwerdenden oder anbrechenden Tag zu einem Tag der Sabbate“. In 3. Mose 23, 15-16, kommt es auf den Tag nach den Sabbaten in der fraglichen Zeit an. Ein solcher Tag brach in Matthäus 28, Vers 1, an, als Maria Magdalena und die andere Maria kamen, um das Grab zu sehen.

 

Teilnehmer 11: Aber wir befinden uns doch spät am Abend eines Sabbats – οψε. Das passt nicht zu „hellwerden“.

 

Teilnehmer 8: „Hellwerden“ ist sozusagen die wörtliche Übersetzung von epiphooskousä. Aber es wird eben auch im übertragenen Sinne generell für „anbrechen“ benutzt. Wie bereits erwähnt, bricht nach jüdischer Tageseinteilung nicht am Morgen, sondern am Abend des Vortags (des Vortages in unserer Tageseinteilung) bei Sonnenuntergang der neue Tag an. Wenn drei Sterne zu sehen sind, ist der neue Tag da. Das wird insbesondere dadurch bestätigt, dass das Wort epiphooskoo in Lukas 23,54 mit „anbrechen“ übersetzt wird – eben die Tageszeit, zu der drei Tage vorher Josef von Arimathäa Jesus in das Felsengrab legte.[3]

 

Teilnehmer 12: Aha. Das ist der Punkt. Jesus wurde kurz vor dem Passafest, einem hohen Sabbat, der mit Sonnenuntergang und dem Passamahl beginnt,[4] bestattet. Nach seiner eigenen Aussage sollte er entsprechend dem Zeichen des Jona drei Tage und drei Nächte, also 72 Stunden im Grab bleiben.[5] Wir befinden uns in der äußerst kritischen Phase, für die Jesus seine Auferstehung vorausgesagt hat – drei Nächte und drei Tage nach seiner Bestattung. Die Wachen sind noch aufgestellt. Die Frauen treibt es, das Grab anzusehen. Und da geschieht tatsächlich etwas.

 



[1] A.a.O., S. 150.

[2] Vgl. Companion Bible, Anmerkung zu John 20,1 – S. 1570.

[3] Matthäus 27, 57-61.

[4] Georg Schmid weist auf die verschiedenen Schreib- und Sprechweisen für Passa hin. Wir folgen hier der Schreibweise in der Luther-Bibel 1984. Josef Ratzinger bevorzugt Pascha, folgend dem griechischen πασχα. In jüdischen Kreisen, auch unter den messianischen Juden, wird wohl Pessach bevorzugt. Der Pessach-Sabbat (Sabbat gleich Ruhe- oder Feiertag) beginnt dann (nach Georg Schmid jedenfalls für die meisten Judäer) mit dem Passamahl oder einfach dem Passa am Abend (im Jahr der Kreuzigung Jesu in unserer heutigen Wochentagsterminologie ein Mittwoch) und dauert den folgenden Tag bis Sonnenuntergang (im Jahr der Kreuzigung also bis zum Sonnenuntergang am Donnerstag).

[5] Vgl. dazu E.W. Bullinger, The Companion Bible, hrsg. 1909, 4. Reprint Zondervan 1974, Appendix 144, The „Three Days“ and „Three Nights“ of Matt. 12, 40. Entsprechende Hinweise gab Georg Schmid.