Offb. 3.1: Das Sendschreiben an den Boten der Gemeinde in Sardes

 

Heinrich: Wir könnten unseren Dialog zum Sendschreiben an den Boten der Gemeinde zu Sardes entlang eines Schemas von John Stott strukturieren. Demnach heißt die erste Frage: Was sind die hervorgehobenen Eigenschaften des Absenders Jesus?

 

Leonhard: Ich beginne, Offenbarung 3 zu lesen: „1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne:“

 

Meinhard: Aha. Es wird erstens hervorgehoben, dass Jesus die sieben Geister Gottes hat.

 

Friedrich: Hm. Die sieben Geister Gottes sind uns schon in Offenbarung 1, Vers 4, begegnet. Johannes drückt da aus, dass er das ganze Buch der Offenbarung an die sieben Gemeinden in Kleinasien schreibt, und er grüßt diese Gemeinden von Gott, von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus, den Messias. Jetzt wird hervorgehoben, dass Jesus die sieben Geister Gottes hat. Das ist auffällig.

 

Wilhelm: Ich glaube, dass wir an dieser Stelle etwas tiefer blicken dürfen. Dass Gott auf dem Thron sitzt, ist ja doch ein Bildwort, das ausdrückt, dass Gott herrscht – vielleicht nicht ganz so, wie wir uns das vorstellen und wünschen, sondern auf Seine Weise, in Liebe und nicht zuletzt gerecht gegenüber dem Satan, dem Adam die Macht über diese Erde gegeben hat. Und um Gott herum ist die Aura seines vollkommenen Geistes. Wenn Johannes daher nicht nur von Gott, sondern von den sieben Geistern vor Seinem Thron grüßt, dann unterstreicht er damit, dass er aus dem Geist Gottes heraus schreibt.

 

Heinrich: Und von Jesus wird gesagt, dass er den Geist Gottes in perfekter Weise hat. Sieben ist ja die Zahl der Vollendung  - siehe den 7. Tag der Schöpfung. Schon am sechsten Tag zeigte sich, dass alles sehr gut war. Aber die Vollendung war die Ruhe danach[1] – und gleichzeitig die Zahl des Bundes, des Zusammenschlusses. Jesus hat die sieben Geister Gottes, und in der Verfügung darüber rückt er die Boten der Gemeinden und die Gemeinden selber zurecht und weist sie darauf hin, was es bedeutet, Bundesgenossen zu sein. Die sieben Geister Gottes – der Geist der Bundesvollendung.

 

Meinhard: Lebten die Boten der Gemeinden und leben wir in dem Geist der Bundesvollendung?

 

Leonhard: Das lasse ich mal offen und lese weiter.

 

Meinhard: Einen Moment bitte. In dem Schreiben an den Boten der Gemeinde zu Sardes wird noch eine zweite Eigenschaft Jesu hervorgehoben, nämlich, dass er die sieben Sterne hat.

 

Heinrich: Oh ja. In Offenbarung 1, Vers 16, heißt es, dass er sieben Sterne in seiner rechtrn Hand hat. In Vers 20 heißt es: „auf meiner rechten Hand“. Hier wird auch gesagt, wen die sieben Sterne symbolisieren, nämlich die Boten oder Engel der sieben Gemeinden. Jesus hat sie in und auf seiner rechten Hand. Sie sind sein, sie gehören ihm und er trägt sie. Und es geht ihm darum, dass sie den Bund vollendet halten.

 

Leonhard: Jetzt lese ich weiter in Offenbarung 3 und fahre fort in Vers 1 mit einer sich vernichtend anhörenden Beurteilung des Boten der Gemeinde zu Sardes: „Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.“

 

Heinrich: Das gehört dann in die 3. Spalte der Tabelle noch John Stott. Wie im nächsten Vers deutlich wird, heißt „tot sein“ hier, eine geistliche Schlafmütze zu sein. In anderen Sendschreiben bedeutet es, da der Konfrontation auszuweichen, wo Konfrontation geboten ist, wie es Jesus in seinen Auseinandersetzungen mit Pharisäern und Sadduzäern immer wieder demonstriert hat. Hier mag es etwas anderes sein.

 

Leonhard: Ich lese weiter: „2 Werde wach und stärke das andre, das schon sterben wollte, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.“

 

Meinhard: Was ist das andere, das schon sterben wollte?

 

Heinrich: Ich lese aus dem Kontext, dass es der Name ist, der das heißt: „Ich lebe in Christus und lebe in den Werken, zu denen er mich berufen hat.“

 

Meinhard: Da fehlt was an der Vollkommenheit? Kann man die jemals erlangen?

 

Heinrich: Der folgende Vers redet nur davon, an das zu denken und das festzuhalten, was man empfangen und gehört hat. Das, was einem zuteil geworden ist. Noch nicht einmal, permanent darin zu leben, aber dann, wenn man erkennt oder einem gesagt wird, dass man sich davon entfernt hat, wieder dahin zurückzukehren – nichts anderes bedeutet es ja, Buße zu tun.

 



[1] Vgl. 1. Mose 1, 31- 2,3.

 

 

Friedrich: Ich möchte noch eine andere, vielleicht nebensächlich erscheinende Bemerkung aufgreifen. Jesus sagt: „deine Werke nicht als vollkommen befunden werden vor meinem Gott. Jesus macht klar, dass er auch als Auferstandener unterscheidet zwischen sich und seinem Gott. Und er urteilt vor seinem Gott, in Seiner Gegenwart, da, wo die sieben Geister Gottes sind.

 

Leonhard: Ich lese den folgenden Vers, von dem Heinrich gesprochen hat: „3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.“

 

Meinhard: Wir wissen auch nicht, wann Jesus als König leibhaftig auf diese Erde zurückkommt. Ist das identisch mit der Stunde, in der Jesus über den Boten oder Engel der Gemeinde zu Sardes kommt?

 

Heinrich: Ich glaube nicht, dass die beiden Ereignisse identisch sind. Hier geht es um ein Kommen spezifisch für den Boten der Gemeinde zu Sardes. Und Jesus kommt nur dann zu ihm, wenn er nicht von seiner Schlafmützigkeit zur Wachheit umkehrt, wenn er nicht „die Reißleine zieht“.[1] Beiden Ereignissen gemeinsam ist nur, dass niemand weiß, wann Jesus kommt. Und während bei dem Kommen zum Boten der Gemeinde wohl nur der Bote weiß, was passiert, und Jesus allenfalls in einer Vision kommt und nicht leibhaftig, sieht es bei der leibhaftigen Rückkehr Jesu auf diese Erde die ganze Welt.[2]

 

Leonhard: Ich fahre fort in Offenbarung 3: „4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind’s wert.“

 

Meinhard: Aha. Wenn Jesus hier schon nichts Gutes über den Boten sagt, so doch über die Gemeinde. Ein differenziertes Bild in der zweiten Spalte nach John Stott. Die dritte und vierte Spalte haben wir ja schon implizit behandelt. Und der gute Teil der Gemeinde erhält auch eine Zusage: Sie werden mit Jesus einhergehen in weißen Kleidern, eingetragen in der sechsten Spalte.

 

Friedrich: Wobei die weißen oder reinen Kleider bzw. die besudelten Kleider natürlich auch Bilder sind. In Jesaja 61, Vers 10, heißt es: „ Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.“ Unsere weißen Kleider, unser Heil und unsere Gerechtigkeit, kommt von Gott. Wir haben darüber zu wachen, dass diese Kleider rein bleiben bzw. wieder gereinigt werden (Buße), wenn sie schmutzig wurden.

 

Leonhard: Der nächste Vers bringt eine Bestätigung für diejenigen, die sich vom Schmutz durch Buße befreien: „5 Wer überwindet, soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.“

 

Meinhard: Was heißt das? Werden diejenigen, die nicht überwinden, aus dem Buch des Lebens gestrichen?

 

Heinrich: Vorsicht. Wie wir in Vers 1 gesehen haben, meint hier der Name den Ruf, hier spezifisch den Ruf, dass der Bote der Gemeinde zu Ephesus (in Christus) lebt, obwohl er eine Schlafmütze ist. Wenn er nicht aufwacht, wenn er nicht umkehrt zum Leben in Christus, wird Jesus seinen Ruf, den er hat und zu dem er berufen ist, aus dem Buch des Lebens streichen. Wer dagegen seine Kleider rein hält und lebt in dem Heil und der Gerechtigkeit, mit dem bzw. der Gott ihn bekleidet hat, dessen Ruf (und Berufung) wird Jesus vor Gott und seinen Engeln bestätigen. Es hat vielleicht weniger mit Schuld zu tun, als mit dem Glauben, dass Jesus uns immer wieder reinigt von aller Schuld und Ungerechtigkeit, wenn wir diese eingestehen.[3]

 

Friedrich: Es wird also niemand, der einmal gerettet worden ist, aus dem Buch des Lebens gestrichen.[4] Aber sein guter Ruf, seine Bewährung in seiner Berufung könnte gestrichen werden, und damit auch die Belohnung, die damit verbunden ist.

 

Leonhard: Und dann bestätigt Jesus wieder, dass das alles nicht nur für den Boten der Gemeinde zu Sardes gilt, sondern für alle Gemeindeglieder auf der Welt: „6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

 

Meinhard: Und jetzt bin ich gespannt, ob sich im nächsten Brief, den an den Boten der Gemeinde in Philadelphia, eine ähnliche Struktur findet.

 



[1] Davon sprach Andreas Schindler in seiner Predigt am 9. Juli 2023 vor der Christus-Gemeinde Woltersdorf.

[2] Vgl. etwa die Einschübe in Matthäus 24, Vers 27 und Verse 30-31, aber auch Offenbarung 1,7; Johannes 19, 37; Sacharja 12,10.

[3] Vgl. 1. Johannes 1, 9.

[4] Vgl. J.E. Leonard, come out of her, my people, S. 40. „The covenant remains because it is made with Christ our represantaive Man on behalf of all mankind, and Christ remains faithful.“ Er fährt jedoch fort, was nicht zwingend erscheint, sondern einen ganz üblichen anderen Gedanken einstreut: „But the one who steps outside that covenant protection will be denied by the Lord (2. Tim. 2, 12-13).“ Aber das angeführte Wort in 2. Timotheus macht klar, worum es geht: Wer seine Kleider sauber hält oder genauer immer wieder reinigen lässt, wird in diesem Leben (s. Römer 5,17) und vor allem im nächsten Äon mit Jesus herrschen. Doch Jesu treue Rettung wird durch unsere Untreue nicht in Frage gestellt.