AuferstEhung 2.3: Wen oder was lieben wir mehr als Jesus?

Teilnehmer 1: Viele Jahre lang habe ich mich gefragt, ob Jesus als der Auferstandene nach dem schönen Frühstück am See Genezareth nicht in Johannes 21,15 eine ganz unmögliche Frage an Petrus stellt: „Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber[1], als mich diese haben?“ Woher soll Petrus wissen, ob er derjenige ist, der Jesus von allen Jüngern am meisten liebt?[2]

 

Teilnehmer 2: Vielleicht führt hier die Lutherfassung ein wenig in die Irre. Die Interlinear übersetzt wörtlich: Liebst Du mich mehr als diese? Das zweite „mich“ in Vers 15 der Lutherfassung findet sich nicht im griechischen Text.

 

Teilnehmer 12: Aha. Dann könnte es nicht darum gehen, ob Petrus Jesus mehr liebt als die anderen Jünger, also darum, wer Jesus am meisten liebt, sondern darum, wen Petrus mehr liebt als Jesus.

 

Teilnehmer 3: „Mehr als diese“ – das Wort „diese“[3] steht im Griechischen im Genitiv. Da gibt es den Genitivus subjectivus – dann wäre es ein Vergleich zwischen der Liebe von Petrus und der Liebe der anderen Jünger. Das scheint in der Tat abwegig zu sein. Eher handelt es sich um den Genitivus objectivus – also wen liebt Petrus mehr als Jesus?

 

Teilnehmer 11: Wer sind dann diese?

 

Teilnehmer 10: Na, da gibt es zwei Möglichkeiten. Eine ist, dass Petrus die anderen Jünger mehr liebt als er Jesus liebt. Schließlich hatte Jesus sie alle zu Menschenfischern berufen, aber Petrus geht mit den anderen wieder Fische fangen im See Genezareth.[4]

 

Teilnehmer 9: Wenn wir den Kontext betrachten, ist es dann nicht eher die Fischerei, die Petrus mehr liebt als Jesus und zu der Petrus seine Kameraden gerade aufgefordert hatte? Karl-Heinz Vanheiden macht dazu in seiner NeÜ bibel.heute folgende Anmerkung: „Wörtlich: diese. Das könnte sich sprachlich auch auf das Vorherige, also den Fischereibetrieb, beziehen. Dann müsste man übersetzen: <diese anderen Dinge hier>.[5]

 

Teilnehmer 3: Wenn wir dem griechischen Text folgen, dann fragt Jesus nach der Liebe, die die Griechen αγαπαω (agapaoo) nennen. Diese Form der Liebe wird von Bibelkundlern als bedingungslose Liebe vor allem Gott zugeschrieben, die Menschen weitergeben können, wenn sie sie erfahren haben. Aber Petrus spricht in seiner Antwort von der Liebe und Zuneigung von Mensch zu Mensch – im Griechischen φιλεω (phileoo): „Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“[6]

 

Teilnehmer 4: Nach diesem Bekenntnis ruft Jesus ihn zurück von der Fischerei zu seinem Auftrag bzw. bestätigt einen Teilauftrag[7]: „Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer[8]!“

 



[1] Αγαπας (agapas) von αγαπαω (agapaoo) – lieben, zumeist verstanden als geistliche (Geschwister-)Liebe.

[2] Das fragte sich in der Tat lange Zeit Heinrich Höfer.

[3] Τουτων (tutoon) – Genitiv plural von ουτος (utos) in allen drei Geschlechtern.

[4] Diese Möglichkeit gab Georg Schmid zu bedenken.

[5] Der Hinweis von einem Bibellehrer, ursprünglich von einer Kassette gehört, änderte das Leben von Heinrich und Annke Höfer radikal: Habt Ihr mich lieber als Eure Berufe? Diese brennende Frage führte die beiden in ein Evangelisationsjahr mit einem atemberaubenden Ergebnis. Ihr erster Sohn wurde nach zehnjähriger kinderloser Ehe gegen Ende dieses Jahres geboren. Ähnlich gingen Georg und Gertrud Schmid zu „Jugend mit einer Mission“ in Hurlach. Dort wurde 1972 ihr erstes Kind, ihre Tochter Daniela, geboren. Yola und Heinz Hüls gingen zusammen mit ihrem damals siebenjährigen Sohn Walther aus ihren Berufen (Zahnärztin und Ingenieur) von Mexiko City auf ein Missionsfeld in der nördlichsten Provinz Mexikos, die lieber zu den USA gehören wollte und in der in den Taxis Sätze zu lesen waren, die etwa bedeuteten: Tue was Gutes für Dein Vaterland und töte jemanden aus der Hauptstadt. Tao Li Ma erinnerte das an einen Ausspruch von Ana Mendez: Mexiko als Bauchnabel des Teufels. Aber Gott sieht und segnet seine Kinder überall auf der Welt.

[6] Das warf Aha ein. Im Griechischen werden die Wörter αγαπαω (agapaoo) und φιλεω (phileoo) zwar teilweise synonym verwandt – vgl. dazu Menge-Güthling, S. 3 und 728. Aber αγαπαω (agapaoo) scheint doch eher die „ungefärbte“ bedingungslose Liebe allein um des Geliebten willen zu beschreiben, die weder Gegenliebe voraussetzt noch Komponenten des Begehrens oder besitzen Wollens enthält. Sie ist allerdings deswegen keineswegs weniger emotional oder weniger leidenschaftlich. Es ist bemerkenswert, wie Jesus hier durch seine Liebe die Furcht in Petrus hinausdrängt, die vielleicht wegen seiner Verleugnungen noch in ihm ist. Dabei ist nicht zu übersehen, dass Petrus derjenige ist, der als erster formulierte, dass Jesus der Sohn Gottes ist und dass er Worte des ewigen Lebens hat. Er ist auch der einzige, der versucht, auf dem Wasser zu gehen. Und doch: Jesus festigt die Liebesbeziehung zwischen beiden, und so ist es Petrus, der zu Pfingsten der Wortführer der Apostel sein kann. Jesu unerschöpfliche Liebe bildet den Charakter. Darauf wies Georg Schmid hin.

[7] Georg Schmid weist darauf hin, dass Jesus ja dazu aufgefordert hatte, von Galiläa nach Jerusalem zurück zu kehren und auf den heiligen Geist zu warten, bevor sie beginnen, die Völker zu lehren.

[8] Βοσκε τα αρνια μου (Boske ta arnia mu).

 

Teilnehmer 5: Das war in der Tat nur ein Teilauftrag: „Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe[1]!“

 

Teilnehmer 6: Aber das war auch noch nicht alles: „Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb[2]? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb[3]?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb[4] habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe[5]!“

 

Teilnehmer 7: Aber hier bleibt doch der Auftrag derselbe wie beim zweiten Mal. Warum ein zweites Mal die Schafe?[6]

 

Teilnehmer 8: Aus dem Aramäischen ergibt sich ein Unterschied: Beim ersten Mal sind es die Lämmer. Beim zweiten Mal sind es die männlichcn (erwachsenen) Schafe, beim dritten Mal sind es die (erwachsenen) weiblichen Schafe. Sie wurden getrennt gehalten. Nur in der Brunftzeit kamen die männlichen und weiblichen Schafe zusammen.[7] Entsprechend übersetzt George Lamsa aus dem Aramäischen ins Englische: 1. Feed my lambs. 2. Feed my sheeps. 3. Feed my ewes.[8]

 

Teilnehmer 9: Ich finde es bemerkenswert, dass Petrus Jesus mindestens drei Mal am Feuer verleugnete und Jesus Petrus hier am Kohlenfeuer (Johannes 21,9) drei Mal die Frage stellt, wem seine größere Liebe gehört.[9] Die Verleugnung, die nach Lukas 22, 62 zu den bitterlichen Tränen von Petrus führte,[10] wird hier geheilt –  Jesus sagt dem Petrus mit seinen Aufträgen, dass er weiß, dass Petrus ihn liebt, obwohl er ihn verleugnet hat.

 

Teilnehmer 10: Ebenso bemerkenswert finde ich, dass Jesus beim dritten Mal nicht mehr nach der göttlichen Liebe von Petrus, sondern nach seiner menschlichen Liebe und Zuneigung, phileoo, fragt.  Es gibt es auf, nach agapaoo zu fragen, wie er es zwei Mal getan hat, sondern geht ganz auf die Ebene des Petrus, der zwei Mal mit phileoo geantwortet hatte. Jesus gibt seine Aufträge in die Schwachheit von Petrus hinein. Es geht um Liebe und nicht um den höchsten Standard.[11]

 

Teilnehmer 11: Den höchsten Standard, den hatte Petrus ins Auge gefasst, als er sagte,  dass er bereit wäre, mit Jesus zu sterben.[12] Doch nicht nur er, sondern alle seine Jünger. Petrus war der Wortführer, und die anderen plapperten ihm nach.[13] Sie verleugneten zwar Jesus nicht in der Art, wie Petrus es tat, aber sie hatten auch gar nicht den Mut, wie Petrus dem Herrn zu folgen zu den Verhören bei Hannas und Kaiphas.

 

Teilnehmer 12: Es ist ein erstaunlich liebevoller Prozess und Weg, den Jesus hier mit Petrus geht, um ihm – und damit auch allen anderen Aposteln - seine Vergebung ganz und gar begreiflich zu machen.[14]

 

Teilnehmer 1: Und das ist die einzige Hoffnung, die auch wir haben.[15] Dabei ist eines wichtig: Vergleichen müssen wir uns auf unserem Wege nicht.

 



[1] Ποιμαινε (Hüte) το προβατα μου (poimaine to probata mu).

[2] Φιλεις (phileis) von φιλεω (phileoo).

[3] Ebenso.

[4] Φιλω (philoo).

[5] Βοσκε το προβατα μου (Boske to probata mu).

[6] Diese Frage stellte Heinz Hüls.

[7] Das erklärte Georg Schmid.

[8] George Lamsa, Holy Bible from the Ancient Eastern Text, From the Aramaic of the Peshitta, Harper & Row, Publishers, New York. Originally published by A.J.Holman Company, copyright 1933, renewed 1968, S. 1081.

[9] Das sagte Tao Li Ma. Vgl. auch den Hauskreisdialog „Leiden1.2“ und „Leiden 1.3“.

[10] Lukas 22, 60-62: Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich und sah Petrus an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.“

[11] Das erklärte Aha.

[12] Das findet Aha. Vgl. Matthäus 26,35.

[13] Das findet Georg Schmid.

[14] Das betonte Aha. - In die Vergebung war auch Judas Iskarioth einbezogen – traf Jesus doch am Abend des ersten Tages nach der Auferstehung 11 Apostel und Thomas war nicht da. Vgl. den Hauskreisdialog „Auferstehung 5“ zu Apostelgeschichte 1.

[15] Das rief Tao Li Ma aus.

 

Titelbild: Jesus beauftragt Petrus. Gemälde von Raffael, 1515. Victoria and Albert Museum, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1718074.