Auferstehung 1.4:  Der Jünger, den Jesus lieb hat, sieht und glaubt

Teilnehmer 6: Dann geht es chronologisch weiter in dem Evangelium nach Johannes, 20. Kapitel, Vers 1: „Am ersten Tag der Woche kommt Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte[1], früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weg war.

 

Teilnehmer 1: Aha. Jetzt verstehe ich. In der Abenddämmerung davor war sie ja schon mit der „anderen Maria“ da. Da war das Grab noch mit einem großen Stein verschlossen, versiegelt und bewacht. Dann, nach dem Besuch von Maria Magdalena und der anderen Maria am Grab, geschah das Erdbeben. Jetzt kommt sie allein zum Grab zurück und sieht, dass der Stein weg und das Grab offen ist – und natürlich sind die Wachen auch nicht mehr da.

 

Teilnehmer 2: Vers 2:  Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb[2] hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Damit ist offensichtlich, dass die beiden Marias weder bei Jesu Verlassen des Grabes noch bei dem Erdbeben am Grab waren.

 

Teilnehmer 7: Verse 3-8: „Da ging Petrus und der andere Jünger hinaus und sie kamen zum Grab. Es liefen aber die zwei miteinander und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grab, schaut hinein und sieht die Leinentücher liegen[3]; er ging aber nicht hinein. Da kam Simon Petrus ihm nach und ging in das Grab hinein und sieht die Leinentücher liegen, aber das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht bei den Leinentüchern liegen, sondern daneben, zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Da ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah und glaubte.“

 

Teilnehmer 8: Was sah der denn? Was veranlasste ihn, von diesem Moment an an die Auferstehung Jesu zu glauben und sich sicher zu sein, dass das Grab nicht aus anderen Gründen leer ist?[4]

 

Teilnehmer 3: Er sah die Leinentücher. Die werden in diesen Versen in den Vordergrund gerückt.[5]

 

Teilnehmer 8: Konnte er aus den Leinentüchern schließen, dass der Leichnam von Jesus nicht geklaut war?[6]

 

Teilnehmer 9: Ja. Geliebte sehen mehr. Der Jünger, den Jesus lieb hatte, begriff als erster, dass Jesus auferstanden war. Er sah es daran, dass Jesus mit seinem ganzen Körper durch die gesamte Einbalsamierung, die Leinentücher mit der Salbe, hindurch gegangen war. Sie lagen noch so da, wie wenn der Körper Jesu noch darinnen wäre. Diebe hätten entweder Jesus ausgewickelt oder ihn mitsamt den Leinentüchern mitgenommen.

 

Teilnehmer 4: Und was er von draußen vielleicht nur undeutlich erkennen konnte, weil es im Grab dunkel war, sah er jetzt klar. Und glaubte.

 

Teilnehmer 10: Aber dann folgt Vers 9, den ich überhaupt nicht verstehe[7]:Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.“

 

Teilnehmer 11: Bis dahin hatten sie weder das Reden von Jesus über seine Auferstehung noch das Zeugnis des Alten Testaments zu diesem Thema, zum Beispiel das prophetische Zeugnis von David, verstanden. Jetzt wird dem Jünger, den Jesus freundschaftlich liebte, klar, dass es so ist. Es wird ihm nicht aus der Schrift klar, sondern durch das, was er sah. Das, was er sieht, lässt ihn dann auch die Schrift verstehen – und das, was Jesus über seine Auferstehung vorausgesagt hat.

 

Teilnehmer 5: Das ist ja genau so wie bei den Emmaus-Jüngern später am Tag. Sie verstanden die Schrift auch nicht, bis Jesus mit ihnen das Brot brach.[8]

 

Teilnehmer 12: Und wer ist dieser Jünger, den Jesus freundschaftlich lieb hatte?

 

Teilnehmer 1: Das ist doch klar. Das ist Johannes. Der verstand, was Jesus gesagt hatte, während die anderen Apostel – übertrieben ausgedrückt – schon etwas dement waren.[9]

 

Teilnehmer 2: Bevor ich an schon bei der Auferstehung demente Apostel glaube, gucke ich lieber noch mal in der Schrift nach.

 

Teilnehmer 3: In der Bibel wird nur von einem Jünger zwei Mal mit dem griechischen Wort φιλεω (phileoo) für die Freundesliebe gesagt, dass Jesus ihn liebte: Lazarus.[10] Lazarus war von Jesus auferweckt worden und kam mit seinen Leinentüchern aus dem Grab. Es wird ausdrücklich in Johannes 11,44 festgestellt, dass er Binden um Hände und Füße hatte und ihm das Schweißtuch umgebunden war. Bei Jesu Auferstehung ist es ganz anders. Das Schweißtuch liegt gesondert da[11] und die Binden sehen so aus, als ob der Körper noch drin wäre.[12] Aber der Körper ist verwandelt – er kann nicht nur durch geschlossene Türen gehen, sondern auch durch mit etwa 100 Pfund wohlriechenden Ölen durchtränkte Leinentücher[13]. Und im Gegensatz zu Lazarus ist der Auferstandene nicht zu sehen. Er muss auch nicht zu sehen sein, weil es andere schlagende Indizien gibt.

 

Teilnehmer 1: Einspruch Euer Ehren. In Johannes 21, Vers 20, wird der Jünger, den Jesus lieb hatte, mit dem Jünger identifiziert, der beim letzten gemeinsamen Abendessen an seiner Brust gelegen hatte. Und das ist Johannes.

 

Teilnehmer 2: Hm. Der Bericht darüber findet sich in Johannes 13, Verse 21-30. Aber auch dort steht nichts von Johannes.

 



[1] Markus 16, 9: Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Mit passender Kommasetzung: Als aber Jesus auferstanden war, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte, früh am ersten Tag der Woche.

[2] Εφιλει (ephile-i) – er hatte (ihn) freundschaftlich lieb.

[3] Κειμενα τα οθονια (ke-imena ta othonia) – die Leinentücher liegen so, wie sie gelegt waren, und zwar die τα οθονια (ta othonia), die Grabtücher mit der ganzen versteifenden Einbalsamierung, mit denen Nikodemus den Leichnam Jesu versah – Johannes 19,40 - , und nicht das σινδον (sindon), das schlichte Leinentuch, mit dem nach Matthäus, Markus und Lukas Josef von Arimathäa operierte.

[4] Die Frage stellte Oliver Wurl.

[5] Das sagte Georg Schmid.

[6] Die Frage stellte Oliver Wurl.

[7] Das sagte Aha. Und BWL sowie Oliver Wurl pflichteten ihr bei.

[8] Das sagte BWL.

[9] So belehrte Georg Schmid.

[10] Johannes 11, 3 und 37.

[11] Romano Guardini, Der Herr, 18. Auflage Grünewald/Schöningh 2011 (1. Auflage  1937), S. 490, macht deutlich, dass es so daliegt, wie es auf dem Haupt Jesu gelegen hatte: „wie es über dem Haupt gelegen hatte“ an seinem Ort.

[12] Das hier verwendete griechische Wort heißt keimai – es beinhaltet u.a., dass eine Person oder Sache so daliegt, wie sie hingelegt worden ist oder sich hingelegt hat. Vgl. Menge-Güthling, S. 382 f.

[13] Johannes 19,40.

 

 

 

Titelbild: Ausschnitt aus dem lebensgroßen Grabrelief des Sachsenherzogs Widukind in der Stiftskirche zu Enger, Westfalen, aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Es mag als Abbild des einbalsamierten Körpers des Sachsenherzogs in seinem Ornat gelten. Foto: HH, 16.9.2018.

 

Teilnehmer 3: Mir leuchtet ein, dass gerade für Lazarus als jemand, der selbst im Grab gelegen hat, die Umstände hier den Durchblick ermöglichen.[1] Die Auferweckung des Lazarus brachte die finstere Entschlossenheit der judäischen Führung, Jesus umzubringen. Dem auferweckten Lazarus leuchtete als erstem ein, dass Jesus auferstanden sein musste – und zwar in einer anderen Art als er selber.

 

Teilnehmer 4: Noch ein weiterer Punkt spricht dafür, dass Lazarus derjenige war, der mit Petrus zum Grabe lief. In Johannes 21, Vers 22, sagt Jesus über diesen Jünger: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“ Und in Vers 23 heißt es dann: „Da kam unter den Brüdern die Rede auf: Dieser Jünger stirbt nicht. Aber Jesus hatte nicht zu ihm gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“ Bei dem auferweckten Lazarus liegt es besonders nahe, anzunehmen, dass er nicht wieder stirbt. Doch Lazarus hatte nach der Auferweckung durch Jesus seinen natürlichen sterblichen Körper, Jesus aber nach seiner Auferstehung seinen verwandelten unsterblichen Körper.

 

Teilnehmer 12: Es gibt aber noch ein Argument, dass der Jünger, den Jesus als seinen Freund liebte, Johannes ist. Das Johannes-Evangelium heißt Johannes-Evangelium, weil Johannes es niederschrieb. Direkt im Anschluss an den zitierten Vers 23 heißt es in Vers 24: „Dies ist der Jünger, der dies bezeugt und aufgeschrieben hat ...“.

 

Teilnehmer 11: Das sollten wir so stehen lassen. Vielleicht ist es doch Johannes. Aber vielleicht sollte ich doch hinzufügen, dass das erste Wort „Dies“ im Griechischen das Wort ουτος (utos) ist. Der Menge-Güthling bemerkt dazu, dass dieses Wort in der Regel „auf etwas eben Erwähntes oder schon Besprochenes“ hinweist. „Nicht selten bezieht sich aber auch ουτος auf das Folgende.“[2]

 

Teilnehmer 10: Dies könnte hier der Fall sein. Es scheint die Schlussformel des Johannes-Evangeliums zu sein: „Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. 25 Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.“

 

Teilnehmer 9: Du meinst, dass es so viel heißen könnte wie: Soweit der Jünger, der dieses bezeugt und aufgeschrieben hat. Von dem wissen wir, dass sein Zeugnis war ist – im Gegensatz zu dem, was sonst noch alles über die Taten Jesu hätte aufgeschrieben werden können.

 

Teilnehmer 8: Hm. Ja, vielleicht. Es bleibt aber schon ein wenig rätselhaft. Wieso schreibt er in Vers 24 erst über sich in der 3. Person, dann aber in Vers 25 „meine ich“ in der 1. Person? Bezieht sich Vers 24 etwa darauf, dass Lazarus das (so in Vers 24!), was mit ihm direkt zu tun hatte, aufgeschrieben hat und Johannes es übernommen hat? Insbesondere hier am Ende des Evangeliums? Und auf weitere Berichte verzichtet hat, weil er das sichere Gefühl hat, dass es jetzt genug ist, um zu erfassen, wer Jesus ist und was Jesus vollbracht hat?

 

Teilnehmer 7: Nicht schlecht, Herr Specht. Dabei sollten wir es belassen. Meiner Meinung nach spricht überwältigend viel dafür, dass Lazarus derjenige ist, der hier am ersten Tag nach der Auferstehung glaubt aufgrund der Indizien mit den Grabtüchern, die er in dem Grab sieht, und die so da liegen, als wäre Jesus noch drin. Aber wenn jemand meint, dass es Johannes gewesen ist, finde ich das auch ok.[3]

 

Teilnehmer 5: Warum kam es überhaupt zu einer Einbalsamierung? War das tatsächlich jüdische Praxis?[4]

 

Teilnehmer 6: Es handelt sich sicher nicht um eine Einbalsamierung im Sinne einer Mumifizierung, wie es aus Ägypten bekannt ist. Es geht um eine letzte Ehrerbietung für den Toten. 100 Pfund sind dafür ein gewichtiger Ausdruck. Joseph von Arimathäa hatte darauf verzichtet und Jesus – vielleicht als einziger Mensch neben Jesus Christus in Erwartung der Auferstehung - nur in Leinentücher, im Griechischen Sindon genannt, ins Grab gelegt. Es war Nikodemus, der meinte, es müsse mehr getan werden. Er verwendete nicht Sindon, ein feines Leinentuch zum allgemeinen Gebrauch, sondern othonion, Grabtücher.[5]

 

Teilnehmer 7: Warum behandeln wir das eigentlich alles so detailliert? Warum wollen wir das alles so genau wissen?[6] Wir brauchen doch nicht wissenschaftliche Akribie, sondern Glauben. So sollten wir uns doch auf das konzentrieren, was den Glauben befeuert, statt auf diese Einzelheiten, die nur zur Aufblähung durch Wissen führen.

 

Teilnehmer 8: Es ging zunächst darum, die Juden zu überzeugen.[7]

 

Teilnehmer 9: Ein weiterer wichtiger Aspekt: Es gibt eine Diskussion darüber, ob das Evangelium des Johannes überhaupt mit den drei anderen Evangelien vereinbar ist. Nach Aussage von Klaus Berger auf You tube widmet sich sein „intelligentester Schüler“ dieser Frage in einem positiven Sinne. Es steht zur Diskussion, ob das geschriebene Wort Gottes „lauter ist wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal“ (Psalm 12,7, oder ob es voller Ungenauigkeiten und Widersprüche ist.

 

Teilnehmer 1: Dem möchte ich eine Bibelstelle hinzufügen, nämlich 2. Timotheus 2,15: „Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht austeilt.“ Im Griechischen steht hier für „recht austeilen“ orthotomounta – recht schneiden. Das bedeutet wohl soviel wie „die richtigen Sinnabschnitte und Zusammenhänge klar machen“.[8]

 

Teilnehmer 9: Das führt direkt zu einem zweiten, mir sehr wichtigen Punkt. Gerade durch eine detaillierte Betrachtung wird klar, was Gott alles aufbietet, um Seinen Leuten das zunächst einmal unfassbare Geschehen begreiflich zu machen. Obwohl Jesus drei Mal gesagt hat, dass er von den Toten auferstehen werde,[9] deutet nichts in der Heiligen Schrift „darauf hin, dass die Apostel eine Auferstehung in irgendeinem Sinne erwartet hätten.“[10]

 

Teilnehmer 10: Und so muss einzelnen Jüngern und Jüngerinnen oder einzelnen Gruppen von ihnen auf eine ihnen besonders leicht zu begreifende Art und Weise die Auferstehung Jesu klar gemacht werden. Davon handelt der nächste Abschnitt.

 



[1] Das sagte Klaus-Peter Witt.

[2] Menge-Güthling, S. 507.

[3] Möglicherweise hat in den Vorjahren die Lutherfassung 1984 auf eine falsche Fährte geführt. Dort lautet Vers 24: Dies ist der Jünger, der dies alles bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.“ Die Hervorhebung des Wortes „alles“ ist hinzugefügt. Es könnte suggerieren, dass hier von dem Jünger die Rede ist, der das ganze Johannes-Evangelium geschrieben hat. Das griechische Wort für „alles“ findet sich aber nicht im griechischen Text. Dem entsprechend lautet der Vers in der Lutherfassung 2017: : „Dies ist der Jünger, der das bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.“ Und so werden wir im Jahr 2017 auf die Deutung gestoßen, dass der Evangelist Johannes auf die aufgeschriebene Bezeugung von Lazarus Bezug nimmt, die sowohl enthält, was Jesus zu ihm beim letzten Abendessen sagte und die anderen Jünger nicht verstanden (Johannes 13, 21-30), als auch den Bericht in Johannes 21, 1-23. In Vers 25 hält dann Johannes fest, dass es noch viele andere Berichte über die Taten Jesu gibt. Aber die nimmt er nicht auf. Vom Zeugnis des Lazarus – wenn es denn um ihn geht – sagt er aber in Vers 24: „und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist“.

[4] Diese Frage stellte Klaus-Peter Witt.

[5] Vgl. die Interlinear, S. 501, zu Joh. 20, Verse 5 und 6: Τα οθονια; S. 133: Matthäus 27,59: εν σινδονι καθαρα (en sindoni kathara) – in eine reine Leinwand. Nach Menge-Güthling, S. 623, ist η σινδων (ä sindoon) indischen Ursprungs, während bei το οθονιον (to othonion), Deminutivum von η οθονη (ä othonä), die Wurzeln auf Ägypten hindeuten; Menge-Güthling, S. 480, gibt als Bedeutung b) für το οθονιον (to othonion) „leinene Binde“ an.

[6] Diese Fragen stellte Heinz Hüls.

[7] Diese Ansicht vertrat Georg Schmid.

[8] Darauf wies Aha hin.

[9] Romano Guardini, Der Herr, a.a.O., S. 494.

[10] Romano Guardini, Der Herr, a.a.O., S. 493.