Offb. 2.4.1: Dem Glauben können und sollten Werke folgen

 

Leonhard: Ich fahre fort mit dem Sendschreiben an den Boten der Gemeinde in Thyatira: „18Und dem Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe: Das sagt der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen und seine Füße sind wie Golderz:“

 

Uwe: Ich möchte an dieser Stelle etwas dazu sagen, was Offenbarung ist. Auch die Wissenschaft offenbart uns neue Erkenntnisse, logische Einsichten, technische Möglichkeiten. Aber das ist keine göttliche Offenbarung. Für göttliche Offenbarungen erwählt Gott diejenigen, die nach Seinem Herzen sind wie hier den Apostel Johannes. Der Mensch muss sich vor Gott demütigen, um eine solche Offenbarung zu empfangen. Es ist das Alleinstellungsmerkmal und die Einzigartigkeit der Bibel, dass sie ausschließlich göttliche Offenbarung enthält. Und Jesus, der die Offenbarung des Johannes von Gott empfangen hat, wird im Alten Testament immer wieder angekündigt. Inzwischen ist er da gewesen. Insoweit ist das Alte Testament erfüllt.

 

Heinrich: Willkommen im Club. Diese Überzeugung teilen alle hier. Mit vielleicht zwei Ergänzungen. Die eine: Gerade Wissenschaftlern und Erfindern mag auch eine Offenbarung oder eine Inspiration Gottes zuteil geworden sein, wenn Gott einen Menschen dafür erwählte oder erkannte, die Menschheit in dieser Sache voran zu bringen. Und die andere: Es ist noch nicht alles erfüllt, was das Alte Testament über den Messias sagt, als der sich Jesus von Nazareth erwiesen hat. Das Friedensreich des Messias ist noch nicht da.

 

Kurt: Ich möchte noch einmal auf den Begriff des Engels bzw. des Boten zurückkommen. Mich würde zum Beispiel interessieren, ob auch Johannes der Täufer als Bote bzw. Engel bezeichnet wird und ob Jesus z.B. einen Boten bzw. Engel nach Jerusalem sandte, um Vorbereitungen für das Passafest zu treffen. Der Pastor meiner Gemeinde hat gesagt, dass Gott nach dem Sündenfall nicht Adam fragte: „Adam, wo bist Du?“, sondern: „Adam, wie konntest Du das tun?“ Hier würde mich auch interessieren, ob es dazu eine sprachliche Parallele gibt, z.B. in der Frage von Maria an Jesus in Lukas 2, 48: „Mein Sohn, warum hast du uns das getan?“

 

Heinrich: Das Wort „Bote“ kommt in der Lutherfassung des Neuen Testaments lediglich in Epheser 6, Vers 20, vor. Im Griechischen steht hier aber nicht das Wort αγγελος (Engel), sondern das Wort Presbyter bzw. die Verbform „ein Gesandter sein“. Und ob sich die Frage von Maria an Jesus in 1. Mose 3, Vers 9, wiederfindet, könnte vielleicht anhand des griechischen Alten Testaments, der Septuaginta, herausgefunden werden. Möglicherweise kommen wir aber der Frage, warum die Sendschreiben an die „Engel“ der sieben Gemeinden gerichtet sind, etwas näher, wenn wir die restlichen Sendschreiben lesen.

 

Uwe: Mir fällt auf, dass sich Jesus in dem gerade gelesenen Vers 18 von Offenbarung 2 als „Sohn Gottes“ bezeichnet. Das hebt ihn ab von den Propheten des Alten Testaments einschließlich Johannes dem Täufer, die auf den kommenden Messias hinweisen.

 

Heinrich: Langenberg sieht hier einen deutlichen Bezug zu Psalm 2, in dem es um den Widerstand der Völker gegen Gott und seinen Messias, seinen Gesalbten, geht und dieser Gesalbte als der König auf dem Berg Zion und als der Sohn Gottes bezeichnet wird, der die Völker richtet.[1]

 

Meinhard: Und was heißt es, das der Sohn Gottes Augen hat wie Feuerflammen?

 

Heinrich: Es kann sich wohl kaum um etwas anderes handeln als seinen alles durchdringenden korrigierenden Blick seiner Liebe, unter dem, wenn man sich ihm aussetzt, alles zerschmilzt, was gegen Gott und Seinen Gesalbten und Seinen Willen steht und die Liebe die Oberhand gewinnt – eine leidenschaftliche glühende Liebe, in der kein Hass und keine Verachtung und keine Überheblichkeit bestehen können, aber alles das, was diese Liebe erwidert.[2]

 



[1] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 76 f.

[2] Vgl. Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 77.

 

 

Meinhard: Und was ist mit den Füßen wie Golderz?

 

Heinrich: Wer die Füße auf etwas setzt, ergreift davon Besitz. Jesus will Gemeinden, mit denen er die Nationen in Besitz nehmen kann – auf seine Weise der Liebe und der Aufopferung, nicht mit Gewalt.[1]

 

Leonhard: Und dann kommt ein großes fünf- oder sechsfältiges Lob für den Boten der Gemeinde zu Thyatira: „19Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glauben und deinen Dienst und deine Geduld und weiß, dass du je länger, je mehr tust.“

 

Meinhard: Das hebt in der Tat vielleicht vier Qualitäten in der Gemeinde Jesu hervor: Liebe, Glauben, Dienst, Geduld, die hier dynamisch wachsend vorhanden sind.[2]

 

Uwe: Warum kommt es hier plötzlich auf die Werke an? Der Neue Bund ist doch ein Bund der Gnade. Niemand wird gerecht durch Werke. Wir können aus der Gottesferne durch nur durch das Annehmen dieser Gnade, sprich Glauben an Jesus und seine Rettungstat, gerettet werden.

 

Heinrich: Genau so. Aber ich habe von Langenberg gelernt: Im Buch der Offenbarung des Johannes geht es nicht um die Rettung, sondern um die Überwindung oder den Sieg über alles, was sich Gott und seiner Liebe entgegen stellt – mit den Mitteln der Liebe bis zum Äußersten. Es geht um die Berufung der Überwinder.

 

Kurt: Und doch hat Jesus schon in der Begegnung mit dem reichen Jüngling darauf hingewiesen, dass es auf Werke ankommt: Gott von ganzem Herzen lieben und den Nächsten wie sich selbst.

 

Meike: Der Glaube zeigt sich eben in Werke.

 

Heinrich: Und doch bleibt es dabei: Erst die Rettung und dann die Werke. Der reiche Jüngling wollte nicht glauben oder hatte nicht gehört, was Jesus zuvor erklärte: Ins Reich Gottes kommt man nur wie ein Kind, das vertraut[3] - oder eben glaubt, was im Griechischen dasselbe Wort ist. Ausbleibende Werke können die Rettung nicht ungeschehen machen. Doch wer zur Überwinderschar gehören will und mit Christus regieren möchte, der ist gerufen, zum „Werk“ der Rettung und des Gemeindebaus beizutragen, was noch fehlt.[4]

 



[1] Vgl. Heinriich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 77.

[2] Vgl. Heinrich Langenberg, Die Apokalypse..., S. 77 f.

[3] Den Hinweis auf das kindliche Vertrauen im Zusammenhang mit dem reichen Jüngling verdankt der Hauskreissekretär Dr. Stefan Stiegler, Alttestamentler und Reiseleiter für Reisen nach Israel und Jordanien. Stiegler hielt eine Andacht zu diesem Thema im April 2023 in der Abrahams-Herberge in Bethlehem. Vgl. auch Matthäus 19, 13-26.

[4] Vgl. Kolosser 1, 24.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild: Blick voller Liebe und Energie. Foto: Michele De Vivo. Pixabay.