Offenbarung 3.2: Das Sendschreiben an den Boten der Gemeinde in Philadelphia

 

Teilnehmer Leonhard: Jetzt zu dem Sendschreiben an den Boten der Gemeinde zu Philadelphia: 7Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, und der zuschließt, und niemand tut auf:

 

Teilnehmer Meinhard: Jesus stellt sich hier als der Heilige und Wahrhaftige vor, der den Schlüssel Davids hat. Was bedeutet es, den Schlüssel Davids zu haben?

 

Teilnehmer Kurt: Arnold Fruchtenbaum bringt die Schlüsselgewalt von Petrus nach Matthäus 16, Vers 19, damit in Zusammenhang, dass Petrus sowohl Samaria[1] wie auch die Völker beim Hauptmann Kornelius[2] als Erster für das Reich Gottes aufschloss.

 

Teilnehmer Heinrich: In Samaria evangelisierte zuerst Philippus.

 

Teilnehmer Kurt: Aber Petrus und Johannes mussten kommen, um die Gläubigen mit der Handhabung des heiligen Geistes vertraut zu machen.[3]

 

Teilnehmer Heinrich: Außerdem gibt Jesus in Matthäus 18, Vers 18, die Schlüsselgewalt an alle Jünger.

 

Teilnehmer Kurt: In Matthäus 16, Vers 18, erhält Petrus die Schlüsselgewalt, weil Gott ihm offenbart hat, dass Jesus der Messias ist.[4] Und es geht um die Schlüssel zum Himmelreich oder zum Reich Gottes auf Erden. In Matthäus 18, Verse 15-18, geht es um die Gemeindezucht oder darum, wer als ein Bruder in der Gemeinde angesehen und behandelt wird.

 

Teilnehmer Heinrich: Dennoch möchte ich annehmen, dass gerade diese Entscheidung nicht unerheblich ist für den Himmel, also die unsichtbare Welt. Im weiteren Zusammenhang von Matthäus 18 geht es um kindliches Vertrauen in Gott, das nicht aus der Gemeinde heraus erschüttert werden soll oder darf. Ebenso geht es um Vergebung. Beides sind Schlüssel für die Gemeinde und das Himmelreich.

 

Teilnehmer Meinhard: Aber vielleicht ist der Schlüssel Davids ja noch etwas ganz anderes.

 

Teilnehmer Heinrich: Heinrich Langenberg sieht in dem „Schlüssel Davids“ die Vollmacht über das Königtum Davids. Es ist nach Langenberg die „Erfüllung des davidischen Bundes“, der Erfüllung der speziellen Verheißungen für Israel. Jesus „führt die israelitische Verheißungslinie bis zur Erfüllung durch“. „Dabei ist hier nicht allein an Aufnahme in das Reich und Ausschluss aus demselben, sondern an Eröffnen und Verschließen von Wegen zu denken.“[5]

 

Teilnehmer Meinhard: Das könnten die folgenden Verse bestätigen.

 

Teilnehmer Leonhard: Dann lese ich mal weiter: „8Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9Siehe, ich werde einige schicken aus der Versammlung des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen. Siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“

 

Teilnehmer Kurt: Das erinnert mich an das, was Jesus in Johannes 8, Vers 44, zu manchen Juden sagt: „44Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Begierden wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“

 

Teilnehmer Bernd: Die so Angesprochenen sind in der Tat keine wahren Juden. Sie gehören nicht wirklich zur Versammlung, also zur Synagoge, um die griechische Übersetzung des hebräischen Begriffs beith ha knesset, Haus der Versammlung, zu nennen.

 

Teilnehmer Kurt: Seth Postell ist der Auffassung, dass Ausdrücke wie „die Synagoge des Satans“ zu üblichen Polemik unter jüdischen Sekten gehören. Im übrigen seien die neutestamentlichen Schriften eher nicht originales Wort Gottes, sondern wie die Mischna eine Auslegung des Alten Testaments.[6]

 

Teilnehmer Meinhard: Ich finde es bemerkenswert, dass Jesus dem Engel oder Boten der Gemeinde in Philadelphia mitteilen lässt, dass Jesus selbst vor ihm, vor seinen Augen die Tür aufgetan hat und der Bote nur eine kleine Kraft hat.

 

Teilnehmer Heinrich: Langenberg weist darauf hin, dass diese „kleine Kraft“ als Begründung für die große wichtige Aufgabe angegeben wird, die mit der geöffneten Tür zusammenhängt, nämlich das Juden kommen sollen, die erkennen sollen, dass der Bote von Jesus geliebt wird und sein Zeugnis wahr ist. „Das Kleinsein, das der Herr in den Evangelien so sehr rühmt, ist nicht äußere Schwäche und Kleinheit, sondern das Kleinsein ... in wahrer Demut als Voraussetzung für großes Wirken.“ Von der Synagoge Satans ging die Feindschaft gegen Christus und die Gemeinde aus. „Und hier soll der größte Triumph des Evangeliums erlebt werden.“[7]

 

Teilnehmer Kurt: Soll das heißen, dass diese Juden anerkennen, dass Jesus den Boten geliebt hat, und daraufhin Buße tun, also umkehren?

 



[1] Vgl. Apostelgeschichte 8, 14-25.

[2] Vgl. Apostelgeschichte 10.

[3] Vgl. Apostelgeschichte 8, 4-25.

[4] Vgl. Apostelgeschichte 16, 13-19.

[5] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 97.

[6] Diese sehr weitgehende Relativierung des neuen Testaments und insbesondere der Evangelien kam sehr überraschend und wurde im Kontext der Offenbarung des Johannes nicht weiter diskutiert. Es sei jedoch der Hinweis nachgetragen, dass wir ohne das Neue Testament sehr wenig bis gar nichts über Jesus von Nazareth, über Pfingsten und die Auswirkungen des heiligen Geistes etc. wüssten. Es mag auch die Frage erlaubt sein, was Seth Postell zu einer solch weitgehenden Relativierung des Neuen Testaments veranlassen mag.

[7] Siehe Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 98 f.

 

 

Teilnehmer Leonhard: Das mag sein. Die Betonung scheint jedoch darauf zu liegen, dass der Herr selbst sie dazu bringen wird, zu erkennen, dass Jesus den Boten liebt – es ihnen sozusagen wie Schuppen von den Augen fällt und sie auf einmal sehen, dass Jesus ihn liebt. Jesus fährt fort: „ 10Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.

 

Teilnehmer Georg: Die Elberfelder Bibel übersetzt: „das Wort von meinem Ausharren“. Was ist richtig? Geht es ums das Ausharren des Boten oder das Ausharren Jesu?

 

Teilnehmer Heinrich: Das kann wohl nur vom Kontext her entschieden werden. Es könnte um das Harren auf den Herrn gehen, das uns in der Stunde der Versuchung bewahrt. Langenberg übersetzt „Weil du bewahrst das Wort meiner Geduld“. „Das ist das Wort des Kreuzes, vom Drunterbleiben des Herrn bis zum Tod des Kreuzes (vgl. Phil. 2,8).“ ... „Die Geduld ist das Beharren auf dem untersten Weg.“[1] Man könnte hinzufügen: Es ist der Weg des Dienstes, was auch immer dieser Dienst verlangt.

 

Teilnehmer Meinhard: Aber was ist die Stunde der Versuchung?

 

Teilnehmer Heinrich: Wieder Heinrich Langenberg: „Das Bewahren aus der Stunde der Versuchung setzt voraus, dass der zu Bewahrende diese Stunde der Versuchung noch miterleben wird ... Unter der Stunde der Versuchung ist nicht irgend eine zu verstehen, sondern die Stunde der Versuchung. ... Die große Entscheidungsstunde für Israel ist die schon von Jesus vorausgesagte große Drangsal (Mt. 24, 21-24 – vgl. Offb. 7,14).“[2] Es geht also um die Zerstörung Jerusalems und die große Bedrängnis für alle Juden im Jahr 70 nach Christi Geburt.

 

Teilnehmer Kurt: Das leuchtet ein, aber Wiederholungen sind nicht ausgeschlossen. Es könnte sich um ein Muster handeln, dass sich wiederholt.

 

Teilnehmer Meinhard: Aber es ist davon die Rede, dass die Versuchung über den ganzen Weltkreis kommt und alle versucht werden, die auf Erden wohnen.

 

Teilnehmer Heinrich: Langenberg macht klar, dass das griechische Wort γη (gä) mit Erde oder Land – eretz Israel – übersetzt werden kann. In der Apokalypse bezeichnet das „Land“ Land und Volk der Juden, während das „Meer“ die Nationenwelt meint. Die Juden werden versucht vom Bösen. Allerdings ist der ganze bekannte Weltkreis involviert, repräsentiert vom Römischen Reich, das die Zerstörung Jerusalems und die Vertreibung (wesentlicher Teile) der Juden aus ihrem Land durchführt.[3]

 

Teilnehmer Leonhard: Ich fahre fort im biblischen Text: „11Ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“

 

Teilnehmer Georg: Statt „Ich komme bald“ sollte übersetzt werden „Ich komme schnell“.

 

Teilnehmer Heinrich: Dem stimmt auch Langenberg zu: „Schnell ... deutet ... das Überraschende und Wuchtige des Kommens an ... .“[4] Allerdings hat Werner Bartl erläutert, dass das griechische Wort ταχυ (tachü) gerade in der Form εν ταχει (en tachei) sehr wohl „bald“ bedeuten kann und im biblischen Gebrauch auch oft genau so verwandt wird, so z.B. in Lukas 18, Verse 7-8; Matthäus 24, Vers 32; Matthäus 26, Verse 18 und 47; Johannes 7, Vers 2.[5] Und natürlich kann das, was bald kommt, dennoch überraschend und voller Wucht kommen.

 

Teilnehmer Meinhard: Mich interessiert, um was für eine Krone es geht, die weggenommen werden kann – wenn man nicht festhält, was man hat, was wohl so viel heißt wie, dass man sich nicht auf dem Besitz ausruht, sondern aktiv mit dem umgeht, was man hat.[6]

 

Teilnehmer Kurt: Es geht um den Siegespreis der himmlischen Berufung.

 

Teilnehmer Heinrich: Genau. Heinrich Langenberg schreibt: „Die Krone, das Vollendungsziel, der Herrscherberuf im Königreich des Christus kann verloren gehen durch eigene Schuld, d.h. das Ziel wird aus den Augen verloren und nicht erreicht. Bei „nehmen“ (λαμβανειν – lambanein) ist nicht an Rauben zu denken, sondern an Inempfangnehmen. Die Krone geht dadurch für mich verloren, dass sie ein anderer an meiner Stelle empfängt (vgl. 1. Kor. 9, 24-25).“[7]

 

Teilnehmer Leonhard: Und dann wieder die spezifische Belohnung für den Überwinder, der am Weg der Demut festhält und das Wort Jesu bewahrt, so dass Juden in ihm die Liebe Jesu erkennen: „12Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.“

 

Teilnehmer Meinhard: Der Tempel Gottes ist natürlich nach 1. Korinther 3, Vers 16, die Gemeinde. Und es wird auch klar, wer für Jesus Gott ist. Vier Mal sagt Jesus hier: Mein Gott.

 

Teilnehmer Heinrich: Langenberg weist darauf hin, dass der Pfeiler nicht ein tragender Pfeiler ist, sondern ein στυλος (stülos), der den Baustil, den Charakter des Gebäudes beschreibt.[8] Und dass der neue Name von Jesus noch nicht bekannt ist, der aber wohl den Charakter Jesu als Weltvollender beschreibt.[9]

 

Teilnehmer Leonhard: Auch dieses Sendschreiben schließt mit Worten ab, die klarmachen, dass nicht nur der Bote der Gemeinde zu Philadelphia angesprochen ist, sondern die Gemeinden Jesu an allen Orten: „13Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

 

Teilnehmer Meinhard: Und damit zum nächsten und letzten, dem siebten Sendschreiben – an die Gemeinde in Laodizea.

 


[1] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 100.

[2] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 100 f.

[3] Vgl. Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 101.

[4] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 101.

[5] Werner Bartl, Vergangenes oder Zukunft?, S. 47 f.

[6] Vgl. Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ... , S. 102.

[7] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 102.

[8] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 103.

[9] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 104.