Leiden 0.6:  Das zweite Wort Jesu vom Kreuz - Hoffnung: „Du wirst mit mir im Paradiese sein.“

Teilnehmer 4: Weiter in Lukas 23, Verse 39-43: „Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich[1], wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

 

Teilnehmer 5: Das verstehe ich nicht. Wie kann der Übeltäter mit Jesus an dem Tag der Kreuzigung im Paradiese sein? Jesus jedenfalls stirbt und wird begraben. Er ist für drei Tage und drei Nächte „im Schoß der Erde“, im Grab, und nicht im Paradies.

 

Teilnehmer 6: Des Rätsels Lösung liegt meiner Meinung nach in der Kommasetzung, die es in den ursprünglichen Manuskripten gar nicht gab. Wir können mit Fug und Recht die Kommata anders setzen, wenn das dem Sinnzusammenhang viel eher entspricht: „Wahrlich, ich sage Dir heute: Du wirst mit mir im Paradiese sein.“ Jesus, sein Tod, ist für uns der Schlüssel zum Paradies, das kommt. Er schließt das Paradies auf für jeden, der an ihn glaubt.

 

Teilnehmer 1: Für mich und mein Leben ist dieser kurze Bericht selbst ein Schlüssel. So wie sich der Übeltäter, da neben Jesus am Kreuz hängend, auf der Stelle bekehrt und nicht Ärgernis an seinem Leiden nimmt, sondern erkennt, worum es geht, so kurz kann Buße oder genauer gesagt Umkehr sein: Ohne lange Lebensbeichte, ohne großes Sündenbekenntnis, ohne Übergabegebet, ohne jedes Ritual – die Beziehung zu Jesus und die Bitte, im Paradies dabei zu sein, sind genug.[2]

 

 

 

 



[1] Englisch: Remember me! Dazu brachte in der Karwoche 2020 Tricia Byrne dem Hauskreissekretär den gleichnamigen Song von Deborah Governor nahe: https://youtu.be/4CCXo8vIiQw

[2] Das bezeugte Christina Gemerski. Vgl. dazu auch Wayne Jacobsen, Geliebt! Tag für Tag in der Zuneigung des himmlischen Vaters leben, 5. Auflage GloryWorld-Medien 2013, S. 170: „Wir kommen nicht dadurch in das Reich Gottes, dass wir ein Übergabegebet sprechen, in einer religiösen Veranstaltung „nach vorne gehen“ oder ein Glaubensbekenntnis rezitieren, sondern indem wir lernen, ihm selbst zu vertrauen und in diesem Vertrauen zu leben, egal, wie die Lebensumstände gerade sind.“

 

Teilnehmer 7: Ja, es geschieht im Nu. Ein Augenblick reicht.[1]

 

Teilnehmer 8: Bei Matthäus sieht das aber anders aus. In Kapitel 27, Verse 38-44, heißt es: „Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.“

 

Teilnehmer 9: Wenn wir die Berichte nach Lukas und Matthäus für diesen Abschnitt der Schilderung in umgekehrter Reihenfolge nehmen, löst sich der Widerspruch auf. Erst schmähen beide Übeltäter oder Räuber Jesus, später bekehrt sich einer von ihnen.[2]

 

Teilnehmer 10: Es gibt noch eine andere sehr unkonventionelle Betrachtungsweise. Wenn man die vier Evangelien zusammen betrachtet, kann man auch zu dem Schluss kommen, dass vier Kriminelle mit Jesus gekreuzigt werden: zwei werden als Übeltäter (Lukas) bezeichnet und zwei als Räuber (Matthäus und Markus). Das könnte durch das Johannes-Evangelium bestätigt werden, denn in Johannes 19,18 heißt es: Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.“ [3]

 



[1] Das unterstrich Jutta Richter.

[2] Das erklärte Georg Schmid.

[3] Die Interlinear-Übersetzung von Ernst Dietzfelbinger, Hänssler 1986, gibt μετ αυτου αλλουσ δυο εντευθεν και εντευθεν μεσον δε τον Ιησουν mit „mit ihm andere zwei von hier und von da, mitten aber Jesus“ wieder. Vgl. auch Ethelbert Bullinger, Companion Bible, Anhang (Appendix) 164, S. 187 f.

 

Titelbild: Paradies. Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren - The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149737. Cranach deutet in seinem Bild auch schon Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies an (vgl. 1. Mose 1-3). Jesus Christus stirbt den Kreuzestod, um die Menschen zurück ins Paradies zu bringen.