Glücksfaktor Nr. 4: Gerechtigkeit

Teilnehmer 1: Wir haben zu Beginn diesen Jahres drei der Glücksfaktoren behandelt, die Jesus zu Beginn seiner berühmten Bergpredigt hervorhebt.

 

Teilnehmer 2: Der erste war das Eingeständnis eigener geistlicher Armut als Eintrittskarte in das Himmelreich.

 

Teilnehmer 3: Der zweite war das Eingeständnis der Trauer als Voraussetzung für Trost, Ermutigung und neue Kraft.

 

Teilnehmer 4: Der dritte war die Sanftmut gegenüber dem geschriebenen und aktuellen Wort Gottes. Mit diesem Wort Gottes in Herz und Sinn wenden wir uns als Bürger des Himmels dem Erdreich zu, um es in Besitz zu nehmen oder zu erben: jetzt, langfristig und in Ewigkeit.

 

Teilnehmer 5: Nun zu Glücksfaktor Nr. 4, der Gerechtigkeit bzw. genauer dem Hunger und Durst nach Gerechtigkeit. Matthäus 5,6: Selig (überglücklich) sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

 

Teilnehmer 2: Was heißt hier in Matthäus 5,6 Gerechtigkeit? Geht es darum, dass den Armen und zu Unrecht Verfolgten Gerechtigkeit widerfährt? Geht es darum, dass mir Gerechtigkeit widerfährt, wo ich ungerecht behandelt worden bin? Geht es darum, dass denjenigen Gerechtigkeit widerfährt, die ich ungerecht behandelt habe? Geht es überhaupt um Gerechtigkeit zwischen Menschen und Völkern?

 

 

 

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Titelbild: Blick vom Berg der Glücklichpreisungen auf den See Genezareth. Foto: H.H.

 

Teilnehmer 3: Das alles steckt darin, wie wir sehen werden. Aber wir dürfen den Kontext nicht außer Acht lassen. Jesus spricht zu Juden. Und ihr großes Thema war: Stehe ich als Gerechter vor Gott? Letztlich sündige ich - oder sündige ich nicht - gegenüber Gott. Das gilt insbesondere für den König, der Macht hat, mit seinen Untertanen in vielen Belangen nach Belieben zu verfahren.[1] Und so seufzt David zu Gott: „An Dir allein habe ich gesündigt ...“.[2]

 

Teilnehmer 8: Vorsicht. Ich wiederhole Dich. Die Gerechtigkeit vor Gott hat wesentlich mit der Gerechtigkeit zwischen Menschen, ja, der Liebe zwischen den Menschen zu tun. Das macht Jesus z.B. in Markus 12, 29-31, vollkommen klar: „29 Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft« (5.Mose 6,4-5). 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“

 

 

 

Teilnehmer 9: Dabei ist zu beachten, dass das hebräische Wort „reah“ für „Nächster“ umfassend mit „Anderer“ übersetzt wird.[1] In dem Wikipedia-Artikel „Nächstenliebe“ heißt es dazu: „Das Substantiv reah kann für „Verwandter“ (Ex 2,13), „Nachbar“ (Spr 3,29), „Freund“ (1Sam 20,41), „Geliebter“ (Hld 5,16) oder „Anderer“ (Gen 11,3) stehen. Auch dort, wo es im Kontrast zum „Fremden“ ausdrücklich den „Volksgenossen“ meint (Ex 11,2; 12,35), zielt es auf ein allgemeingültiges Verhältnis oder Verhalten (Ex 33,11). Demgemäß übersetzte die Septuaginta das Wort meist mit griechisch pläsion („Anderer, Mitmensch).[2]

 



[1] Darauf wies Thomas Stein hin.

 

 

Teilnehmer 4: Die Frage der Gerechtigkeit vor Gott stand vielen der Juden insbesondere nach der babylonischen Gefangenschaft auf der Stirn geschrieben. Wegen ihrer Sünde vor Gott mussten sie aus dem Lande. Wegen seiner Barmherzigkeit waren sie zurückgekehrt. Wie war zu vermeiden, dass sich eine solche Katastrophe, bereits von Mose angekündigt[3], in noch viel schlimmerem Maße wiederholt? Die Pharisäer waren in ihrer Sorge so „klug“, um das Gesetz des Mose herum weitere Gesetze aufzubauen, so dass auf keinen Fall gegen das Gesetz des Mose verstoßen würde.[4]

 

Teilnehmer 5: Politisch-militärisch hatte die babylonische Gefangenschaft[5] damit zu tun, dass die Juden von den Babyloniern, die sie besiegt hatten, abtrünnig wurden. Jetzt, zu Lebzeiten Jesu auf der Erde,  waren sie unter der Oberherrschaft der Römer. Eine prekäre Situation, in der es sehr darauf ankommt, gerecht vor Gott zu sein, um nicht wieder das Land zu verlieren. Deswegen ein extremer Hunger und Durst nach dieser Gerechtigkeit vor Gott. In diese Situation hinein spricht Jesus.

 



[1] 1. Samuel 8, 6-20.

[2] Psalm 51,6. Auf diese Schriftstelle wies Hans Steinbakke hin.

[3] Zum Beispiel 5. Mose 28, 58-58.

[4] So Georg Schmid. Vgl. Arnold G. Fruchtenbaum, Das Leben des Messias, 5. Auflage Christlicher Mediendienst - CMD 2010, S. 39-44. Fruchtenbaum schreibt u.a. über ein Mißverständnis des mosaischen Gesetzes, dass es verbietet, ein Ziegenjunges nicht in der Milch seiner Mutter zu kochen. Er erläutert, dass es zum Baalskult gehörte, ein erstgeborenes Ziegenjunge lebendig in der Muttermilch zu kochen. Ein solches qualvolles Ritual verbot Gott natürlich den Israeliten. Dieser Grund geriet in Vergessenheit und aus diesem mosaischen Gesetz wurde bis heute, Fleisch und Milch nicht zusammen in einer Mahlzeit zu essen und für Fleisch- und Milchgerichte zwei verschiedene Sätze von Kochtöpfen und Geschirr sowie zwei getrennte Kühlschränke und Aufbewahrungsorte zu haben.

[5] 70 Jahre bis zum Wiederaufbau von Jerusalem etwa von 600 vor Christus an.