Pfingsten 2.1:  Das Wort „Geistesgaben“ gibt es nicht im griechischen Text

Teilnehmer 1: Bei der Betrachtung von Apostelgeschichte 1 haben wir gelernt, die Kraft des heiligen Geistes zu ergreifen. Was bedeutet das? Ist das noch mehr, als in Sprachen zu beten und zu reden, die Gott eingibt? Und was bedeutet das für den Hauskreis?

 

Teilnehmer 12: Vor einiger Zeit habe ich den Zeitungsartikel „Fürchtet euch nicht“ eingebracht.[1] Darin ist von der Auferstehung als „göttlichem Gnadenerweis“ die Rede. Ebenso ist davon die Rede, dass unsere Gedanken unsere Gefühle bestimmen und auch, ob wir den Tod fürchten oder nicht. Was bedeutet die Kraft der Auferstehung in diesem Zusammenhang?

 

Teilnehmer 2: Die Kraft der Auferstehung in uns ist nichts anderes als der Geist Gottes in uns. Der Auferstandene gibt uns den Geist Gottes, und der Geist Gottes in uns garantiert unsere Auferstehung. Darüber gibt sehr kompakt der 1. Korintherbrief Auskunft. Ich denke hier zunächst an das 12. Kapitel. Lasst uns das einmal lesen. Ich beginne mit Vers 1: Über die Gaben des Geistes aber will ich euch, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit lassen.“

 

Teilnehmer 3: Stopp. Zwei Fragen: 1. Wieso hat das etwas mit dem Hauskreis zu tun? Und 2. Wieso ist hier von den Gaben des Geistes im Plural die Rede, während es doch in Apostelgeschichte 2, 38 um die Gabe des heiligen Geistes im Singular geht?

 

Teilnehmer 4: Dazu zwei Infos. Zum einen ist das Wort „Gaben“ gar nicht im griechischen Text von 1. Kor. 12,1. Es geht da lediglich um „pneumatikos“, um geistliche Dinge oder Angelegenheiten. Das Wort „Geistesgaben“ gibt es nirgendwo in den ursprünglichen biblischen Texten.

 

Zum zweiten ist eine direkte Verbindung zum Hauskreis gegeben. In dem ganzen Abschnitt von 1. Kor. 11, 17/18, bis 1. Kor. 14,40, geht es um die Zusammenkunft von Gläubigen. Das wird insbesondere in den Versen 17-18 und 33 von 1. Kor. 11 und in Vers 26 von 1. Kor. 14 deutlich. Ein wichtiges Thema dabei ist, Spaltungen in der Gemeinde zu vermeiden oder zu überwinden.

 

Teilnehmer 5: Diese Art Infos möchte ich gerne in einen zusammenhängenden Text von 1. Kor. 12 integrieren. Der erste Vers würde dementsprechend lauten: „(1) Und natürlich will ich Euch über die Dinge, die direkt mit dem heiligen Geist in Euch zusammenhängen, nicht im Unklaren lassen, damit Ihr wisst, wie Ihr damit in Euren Zusammenkünften umgehen sollt.“

 



[1] Daran erinnerte BWL; Artikel in der Berliner Zeitung vom 1.4.2017.

Titelbild: Ausschnitt aus "Das Neue Testament, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch", Hänssler 1986, S. 751. Anfang von 1. Korinther 12.

 

Teilnehmer 6: Dann weiter zu Vers 2: „Ihr wisst: als ihr Heiden wart, zog es euch mit Macht zu den stummen Götzen.“ Für die Worte „mit Macht“ in der Lutherbibel stehen übrigens im Griechischen die Worte „wie ihr angeleitet wurdet“. Und das die Götzen stumm waren, hebt Paulus wohl deshalb hervor, weil wir es mit einem Gott zu tun haben, der zu uns spricht, und der nicht nur zu uns spricht, sondern der mit uns spricht, mit jedem einzelnen Gläubigen. Das ist ein krasser Unterschied zu den stummen Götzen aus Holz, Stein oder Metall.[1]

 

Teilnehmer 7: Das sollten wir auch in den Text integrieren, um ein Gesamtbild zu gewinnen: (2) „Ihr könnt ja von den geistlichen Dingen noch nicht viel verstehen, weil Ihr es bisher mit stummen Götzen (in Tempeln) zu tun hattet, wie ihr angeleitet wurdet, und über die Ihr Euch Eure eigenen Gedanken gemacht und die Ihr Euch nach Eurem Gutdünken vorgestellt habt.

 

Jetzt habt Ihr es mit Gott zu tun, der seinen Geist in Euch hinein gegeben hat und mit dem Ihr allezeit und überall reden könnt und der zu Euch redet und mit dem in Beziehung Ihr in Wort und Tat aktiv werdet.[2]

 

Teilnehmer 6: Da es ja auch um den Bezug zum Hauskreis geht, können wir noch 2. Korinther 6, Vers 16b integrieren: „Wir aber sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: `Ich will unter ihnen wohnen und wandeln und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. `“[3] Also:

 

Ihr geht nicht in einen Tempel, sondern Ihr selbst seid zusammen der Tempel, das Haus Gottes, und bildet das Haus Gottes, wenn Ihr zusammen kommt, und jeder von Euch ist ein lebendiger Stein in  dem Tempel, ohne den der Tempel nicht das ist, was Gott sich wünscht.“

 

 

 



[1] Georg Schmid wies darauf hin, dass zwar die Götzen aus Holz, Stein, Metall oder einer anderen leblosen Materie stumm waren, aber es durchaus die Vorstellung gab, das die Götter reden, zum Beispiel die griechischen Götter durch das Orakel von Delphi.Es spricht hier jedoch nicht eine Gottheit, sondern ein Medium, eine Priesterin etc.

[2] Das ist denn auch gleich ein bedeutender Unterschied zum Orakel von Delphi: Der Christ braucht nicht Mittelsmänner oder –frauen, um Gott zu befragen, sondern jeder kann selbst mit dem einen und einzigen wahren Gott in Kontakt treten.

[3] Vgl. dazu auch den Titel „Die Wahrheit braucht keine Dome“ von Peter Beier, Predigt zur Wiedereinweihung des Berliner Doms 1993, in: Friedrich Schorlemmer, Was protestantisch ist – Große Texte aus 500 Jahren, 2. Auflage Herder 2009, S. 16.