Leiden 3.11:  Das Gericht über Jerusalem – was Jesus voraussagte, ist längst geschehen

Teilnehmer 9: War der Tag im Tempel bis hierher schon sehr dramatisch verlaufen, so geht Jesus doch erst beim Verlassen des Tempels in Kapitel 13 aufs Ganze: „1Und als er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm einer seiner Jünger: Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten! 2Und Jesus sprach zu ihm: Siehst du diese großen Bauten? Nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.

 

Teilnehmer 10: Diese Aussage Jesu ist so schockierend, dass die engsten Jünger bald auf dem weiteren Weg aus Jerusalem hinaus ein paar Fragen stellen: „3Und als er auf dem Ölberg saß gegenüber dem Tempel, fragten ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas, als sie allein waren: 4Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein, wenn das alles vollendet werden soll?

 

Teilnehmer 11: Das sind möglicherweise zwei sehr verschiedene Fragen. Die erste richtet sich darauf, wann die Zerstörung des Tempels geschehen wird. Die zweite fragt nach einem Zeichen für die Vollendung. Die Frage ist, was vollendet werden soll.

 

Teilnehmer 12: Zunächst beantwortet Jesus die erste Frage, und zwar sehr ausführlich: „5Jesus fing an und sagte zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe! 6Es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin's, und werden viele verführen. 7Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so fürchtet euch nicht. Es muss so geschehen. Aber das Ende ist noch nicht da. 8Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere. Es werden Erdbeben geschehen hier und dort, es werden Hungersnöte sein. Das ist der Anfang der Wehen.

 

Teilnehmer 1: Offensichtlich geschieht das alles noch zu Lebzeiten der Jünger oder zumindest einiger der Anhänger: „9Ihr aber seht euch vor! Denn sie werden euch den Gerichten überantworten, und in den Synagogen werdet ihr gegeißelt werden, und vor Statthalter und Könige werdet ihr geführt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis. 10Und das Evangelium muss zuvor gepredigt werden unter allen Völkern. 11Und wenn sie euch hinführen und überantworten werden, so sorgt euch nicht vorher, was ihr reden sollt; sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet. Denn ihr seid's nicht, die da reden, sondern der Heilige Geist. 12Und es wird ein Bruder den andern dem Tod preisgeben und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören gegen die Eltern und werden sie töten helfen. 13Und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen. Wer aber beharrt bis an das Ende[1], der wird selig[2].

 

Teilnehmer 2: Das ist sozusagen die erste Welle. Darüber berichtet die Apostelgeschichte. Doch es geht weiter: „14Wenn ihr aber sehen werdet das Gräuelbild der Verwüstung stehen, wo es nicht soll – wer es liest, der merke auf! –, alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe auf die Berge. 15Wer auf dem Dach ist, der steige nicht hinunter und gehe nicht hinein, etwas aus seinem Hause zu holen. 16Und wer auf dem Feld ist, der wende sich nicht um, seinen Mantel zu holen. 17Weh aber den Schwangeren und den Stillenden zu jener Zeit! 18Bittet aber, dass es nicht im Winter geschehe. 19Denn in diesen Tagen wird eine solche Bedrängnis sein, wie sie nie gewesen ist bis jetzt vom Anfang der Schöpfung, die Gott geschaffen hat, und auch nicht wieder werden wird. 20Und wenn der Herr diese Tage nicht verkürzt hätte, würde kein Mensch selig[3]; aber um der Auserwählten willen, die er auserwählt hat, hat er diese Tage verkürzt.“

 



[1] Griechisch τελος – Ziel.

[2] Griechisch σωθησεται – gerettet werden.

[3] Griechisch: εσωθη – würde gerettet werden.

 

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Titelbild: Römische Belagerungsmaschine, hier vor Masada. Foto: H.H., Oktober 2017.

 

Teilnehmer 3: Was ist denn das Gräuelbild der Verwüstung?

 

Teilnehmer 4: Es sind die Armeen Roms, die Jerusalem im Jahr 70 nach Christus belagern werden.[1]

 

Teilnehmer 5: Das war in der Tat eine aufregende Zeit in jenem Flecken Erde: „21Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus; siehe, da ist er!, so glaubt es nicht. 22Denn es werden sich erheben falsche Christusse und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder tun, sodass sie die Auserwählten verführen würden, wenn es möglich wäre. 23Ihr aber seht euch vor! Ich habe euch alles zuvor gesagt!“

 

Teilnehmer 6: Die nächste Passage scheint mir aber auf eine Zeit hinzudeuten, die noch vor uns liegt: „24Aber zu jener Zeit, nach dieser Bedrängnis, wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, 25und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 26Und dann werden sie sehen den Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit. 27Und dann wird er die Engel senden und wird seine Auserwählten versammeln von den vier Winden, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.“

 

Teilnehmer 7: Nein, ich glaube nicht, dass es um eine andere Zeit als die des Untergangs Jerusalems und des Tempels geht. Nach der Bedrängnis und Zerstörung Jerusalems haben sich die Machtverhältnisse radikal verändert. Nicht nur mit dem judäischen Tempel ging es zu Ende, sondern auch die Anbetung von Sonne, Mond und Sternen verlor ihre Attraktivität. Jerusalem und mächtige weitere Städte Judas verloren ihre Bedeutung, wenn nicht gar ihre Existenz. In diesem metaphorischen Sinne fielen Sonne, Mond, Sterne und Sternchen vom Himmel.[2]

 

Teilnehmer 8: Aber Jesus ist doch noch nicht zurückgekommen.

 

Teilnehmer 9: Es handelt sich hier weder um die Himmelfahrt Jesu noch um seine Rückkehr, sondern um die Übernahme der Macht durch Jesus Christus mit der Zerstörung des jüdischen Tempels – entsprechend der Voraussage von Daniel in Daniel 7, 13-14. Boten des Evangeliums sammeln die Auserwählten – und auserwählt sind alle, die Jesus als den Messias anerkennen und annehmen - aus allen Himmelsrichtungen in großer Zahl.[3]

 

Teilnehmer 10: Und dann betont Jesus noch einmal, dass all dieses bald eintritt: „28An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn jetzt seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. 29Ebenso auch: wenn ihr seht, dass dies geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. 30Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht[4] wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 31Himmel und Erde werden vergehen[5]; meine Worte aber werden nicht vergehen.“

 



[1] Vgl. dazu das von Georg Schmid in den Hauskreis eingeführte Büchlein von Bruno Zimmerli, Um Himmels willen. Gemeinde in der „Endzeit“ – Sieg oder Flucht? Hanau 2009, S. 140.

[2] Zimmerli, ebenda, S. 153 ff.

[3] Zimmerli, ebenda, S. 157 ff.

[4] Im Sinne von „diese Generation“.

[5] Griechisch: παρελευσονται – 3. Person Plural Indikativ Futur von παρερχομαι (Guillemette S. 308, Ziffer 15205. Das Wort παρερχομαι hat die Grundbedeutung „zur Seite vorüber-, vorbeigehen, vorbeikommen“ und eine Fülle von Bedeutungsschattierungen. Es kann bedeuten, dass Dinge im Fluss sind, sich verändern, über einen Zustand hinauskommen. Vgl. Menge-Güthling, S. 529. So muss es nicht bedeuten, dass Himmel und Erde ihre Existenz verlieren. Aber sie werden sich verändern, doch Jesu Worte bleiben in ihrer Bedeutung so, wie er sie gemeint hat.