Offb. 1.1: Die Absender dieses langen Briefes

Heinrich: Ich bin gespannt, ob die Lektüre der Offenbarung des Johannes zu ähnlich überraschenden Ergebnissen führt wie die von Matthäus 24. Insbesondere interessiert mich, ob die Katastrophen, die mit der Apokalypse des Johannes verbunden werden, schon lange hinter uns liegen oder ob sie noch bevorstehen.

 

John: Wobei ich schon einmal darauf hinweisen möchte, dass das Wort Apokalypse ja nicht Katastrophe bedeutet, wie manche Film- oder Roman-Titel suggerieren mögen.[1] Vielmehr bezeichnet dieses Lehnwort aus dem Griechischen nicht mehr und nicht weniger als eben Offenbarung oder Enthüllung.

 

Leonhard: Dann beginne ich mal zu lesen: „1 Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll; und er hat sie gedeutet und gesandt durch seinen Engel zu seinem Knecht Johannes, 2 der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus, alles, was er gesehen hat. 3Selig ist, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.

 

John: Moment mal. Erste Frage: Von wo nach wo geht der Weg der Offenbarung?

 

Robert: Gott gibt die Offenbarung an Jesus. Jesus deutet sie und gibt sie einem Engel. Der bringt sie zu Johannes. Der schreibt sie auf für die Leser. Die geben sie auch weiter an mancherlei Zuhörer.

 



[1] Erinnert sei z.B. an den Film „Apocalypse now“, der mit Apokalypse die Schrecken des Vietnam-Krieges verbindet. Jüngst (2023) hießt es zu Bildern aus dem Ukraine-Krieg, es sehe "nachapokalyptisch" aus.

 

Titelbild: Zusammenfassender Überblick über Absender und Empfänger der Offenbarung des Johannes. H.H.

 

 

 

Walter: Diese Einleitung finde ich schon ziemlich aufregend: Gott gibt eine Offenbarung an Jesus Christus. Jesus Christus deutet sie und sendet sie durch einen Engel an seinen Knecht Johannes,  der sie offensichtlich an seine Mitknechte weitergeben soll.

 

Aha: Und genau dieses Letztere finde ich atemberaubend. Gott vertraut sein Wort letztlich einem Menschen an. Menschen schreiben das, was sie von Gott oder von Jesus gehört oder auf andere Weise wahrgenommen haben, in Worte nieder. Dass ein Mensch das kann – ein Prophet, ein Sprecher Gottes zu sein. Und in diesem Fall gibt Johannes Zeugnis von dem fleischgewordenen Wort Gottes, Jesus Christus, und zwar so, wie er es von Gott her gesehen hat. Ein Mensch, der für Gott spricht – Aussagen und Voraussagen. Das verwundert mich und das bewundere ich.

 

Kurt: Ich möchte unterstreichen: Zeugnis von Jesus Christus. Arnold Fruchtenbaum vertritt die Auffassung, dass es nicht eine Offenbarung Gottes an Jesus Christus ist, sondern eine Offenbarung Gottes über Jesus Christus.[2] Beides lässt sich durch die hier im Griechischen vorliegende Genetiv-Konstruktion ausdrücken. Gott zeigt Jesus, wie sich sein zweites Kommen abspielen wird. Gottes Engel übermittelt dann diese Vision an Johannes. Darin sieht Johannes den Herrn Jesus als Richter und erschrickt sich.

 

Heinrich: Gegen die Interpretation, dass Gott die Vision direkt dem Engel und nicht erst an Jesus gegeben hat, spricht allerdings, dass Gott die Offenbarung  ihm gegeben hat. Im Satz ist keine andere Person als Jesus zu entdecken, auf den sich ihm bezieht und dem die Offenbarung gegeben sein könnte. Aber vielleicht gibt die weitere Lektüre weiteren Aufschluss.

 

Friedrich: Doch bevor wir weitergehen, noch eine Bemerkung zu Vers 3, die unterstreicht, dass es in der Offenbarung des Johannes keineswegs in erster Linie um Katastrophen geht. Ich meine das kleine Wort selig in der Lutherfassung. Im Griechischen ist es das Wort μακαριος, dem wir uns schon in der Betrachtung der Bergpredigt gewidmet haben und dass Jesus zu Beginn der Bergpredigt in Matthäus 5, 1-11, 9 Mal gebraucht und dass nicht weniger als glücklich oder gar überglücklich bedeutet.

 

Wilhelm: Ja, die Leser und Hörer der Offenbarung des Johannes sollen glücklich sein, „denn die Zeit ist nahe“. Das bringt uns auch zu der Frage, wann die in der Offenbarung des Johannes geschilderten Ereignisse geschehen sollen.

 

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[2] Das sagte Kurt Fuß am 1.12.2021.