Leiden 3.3: Vergebung und Langmut

Teilnehmer 11: Lesen wir die Verse 25-26 in Markus 11: „25 Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen.“[1]

 

Teilnehmer 12: Aha. Beim Glauben geht es oft um die Erfüllung von Bedürfnissen. Beim Feigenbaum war es auch so. Jesus hatte das Verlangen nach den Knospen oder den Frühfeigen. Ich beginne zu verstehen, warum das Thema „Vergebung“ in Vers 25 von Jesus so eng an das Thema „Glauben=Empfangen“ heran gerückt wird.

 

Teilnehmer 1: Wieso denn?

 

Teilnehmer 12: So lange wir nicht vergeben, glauben wir nicht an die Fülle und Herrlichkeit Gottes in unserem Leben. Wir glauben, dass uns unser Schuldiger von einem Teil des Lebens abgeschnitten hat. Wir glauben nicht, dass uns Gott mehr ersetzen kann, als wir im Rest unseres Lebens je auszuschöpfen wissen. Aber er kann – das ist der Reichtum seiner Herrlichkeit. Den auszuschöpfen – und das ist vielleicht ein zweiter Grund – uns umso leichter fällt, je einiger wir uns sind, also je mehr Verletzungen etc. besprochen und vergeben sind. Unsere Verletzungen sollen nicht zwischen Gott und uns und somit auch nicht zwischen den Verletzern und uns stehen bleiben.

 

Teilnehmer 2: Ja, wer nicht vergibt, glaubt nicht, dass Gott ihm alles ersetzen und heilen kann – alles, wo er von anderen verletzt oder geschädigt worden ist. Deswegen auch die Feindesliebe. Was natürlich nicht die staatliche oder internationale Ordnung aushebeln soll.

 

Teilnehmer 11: Ich möchte dasselbe mit anderen Worten sagen. Wenn es um den Glauben Gottes geht – den können wir wohl am ehesten haben, wenn wir vergeben, wie Gott vergibt. Denn eigentlich hindert uns doch nur an der Vergebung, dass wir Angst haben, Mangel zu leiden, wenn wir nicht auf unserem Recht bestehen. Doch Gott ist reich genug, all unseren Mangel auszufüllen. Und in Jesus hat er einen Menschen, der für alle Vergebung erwirkt hat.

 

 

 

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[1] Die Umkehrung in Vers 26 wird späteren Überlieferungen zugeschrieben und – als ob das ein Grund wäre – in manchen Übersetzungen, so auch in Luther 2017, weggelassen: „26 [Wenn aber ihr nicht vergebt, so wird auch euer himmlischer Vater euch eure Übertretungen nicht vergeben (Mt 6,15).]“

 

 

Teilnehmer 3: Und noch einmal mit anderen Worten, und zwar mit den Versen 4-6 aus dem Lukas-Evangelium, Kapitel 17, die wir schon angesprochen haben, in denen auffälliger Weise Vergebung und Glauben ebenfalls eng aneinander gerückt werden: „4 Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigt und siebenmal zu dir umkehrt und spricht: Ich bereue es; so sollst du ihm vergeben. 5 Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Mehre uns den Glauben! 6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Maulbeerfeigenbaum sagen: Entwurzele dich und pflanze dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen.“

 

Teilnehmer 4: Ich verstehe nicht. Jesus spricht über Vergebung. Wieso sagen daraufhin die Apostel zu Jesus, dass er ihren Glauben mehren soll?

 

Teilnehmer 5: Wenn wir tatsächlich glauben, dass unser Glaube Berge versetzt, dann ist es wohl nicht schwer, zu vergeben, weil wir doch alles ersetzt bekommen, was uns unrechtmäßig vorenthalten oder weggenommen wurde, oder Verletzungen heilen, die uns zugefügt wurden. Was nicht heißen soll, dass wir nicht im Interesse der gesamten Gesellschaft auf Recht und Ordnung achten.

 

Teilnehmer 6: Ich möchte es an einem Beispiel verdeutlichen. Ganz aktuell habe ich viel 'Mühe' (extra-Aufwände) mit einem 'Bruder' -er nennt sich Christ-, der häufig durch Ängste gesteuert wird. Er meint auch, dass er 'keine Fehler mache'. Sein größter Fehler aber ist, dass er in seinem mangelnden Vertrauen nach zwei Schritten mindestens einen wieder zurück macht. Und dann jammert "Ich hab ja niemand", wobei er doch einige Leute kennt, mit denen er sich bereden könnte. Seit heute morgen beschäftigt er mich wieder mit Dingen, die er vor Monaten falsch gemacht hat. Damals hätte er mich genau fragen sollen, nicht erst jetzt. Doch es ist nicht so, und ich kann ihm nur helfen, wenn ich glaube, dass Gott mir die Zeit dafür ersetzt. Und der `Bruder´ merkt, warum robustes Vertrauen anstelle von Zweifel so entscheidend wichtig ist: Glauben (oder Vertrauen) = Empfangen (oder eben Ergreifen)

 

Teilnehmer 11: Beeindruckend. Was geschieht noch an diesem Tag?

 

 

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Titelbild: Vergebung für den Verlorenen Sohn. Vgl. Lukas 15, 11-32. Zeichnung von Rembrandt - https://www.teylersmuseum.nl/nl/collectie/kunst/o-048-de-terugkeer-van-de-verloren-zoon.  Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9799816.