Leiden 1.11:  Der sechste Versuch des Pilatus, Jesus nicht zu verurteilen

Teilnehmer 4: Und doch versucht Pilatus noch einmal, die Sache den Judäern zurück zu geben. Er unternimmt nach Johannes 19,7-12, einen weiteren Anlauf,  die Verantwortung bei den Juden zu belassen: „Pilatus spricht zu ihnen: Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm. Die Juden antworteten ihm: Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht. Als Pilatus dies Wort hörte, fürchtete er sich noch mehr ...“

 

Teilnehmer 5: Moment, warum fürchtet er sich jetzt noch mehr?

 

Teilnehmer 6: Für Pilatus muss Jesus auch eine unheimliche und irgendwie berührende Gestalt gewesen sein. Und die Worte seiner Frau haben dies sicher sehr nachdrücklich unterstrichcn. Und jetzt rücken die Juden damit heraus, dass er sterben soll, weil er sich zu Gottes Sohn gemacht hat. Wenn Jesus wirklich Gottes Sohn sein sollte, soll Pilatus sich dann mit Gott anlegen, nur weil die judäische Führung auf diesen Jesus eifersüchtig ist, der nach allen Erkenntnissen aber nicht gegen römisches Recht verstoßen hat?

 

Teilnehmer 7: Die folgenden Verse in Johannes 19, 9-11, verstärken diesen Eindruck: und ging wieder hinein in das Prätorium und spricht zu Jesus: Woher bist du? Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben her gegeben wäre. Darum: der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde[1].

 


[1] Es ist wohl von Gewicht, dass es nach diesen Worten von Jesus kleinere und größere Sünden gibt. Die Sünde der Hohenpriester etc. ist größer als die Sünde des Pontius Pilatus. Die einen sündigen wissentlich gegen den heiligen Geist in Jesus, von dem sie sagen, es sei Beelzebub, der aus ihm spreche, während Pontius Pilatus versucht, sich aus der Affäre zu ziehen – er ist der Statthalter Roms, der zwar im Zweifel die Judäer zu unterdrücken hat, nach Möglichkeit aber auch für Ruhe im Lande und einigermaßen besänftigte Untertanen sorgen soll und der auch noch vor seinem eigenen Gewissen bestehen will und seinen Stolz gegenüber den Juden hat, von denen er sich nicht verbiegen lassen möchte.

 

Teilnehmer 1: Jesus entlastet Pilatus auf zweifache Weise. Zum einen ist die Macht, die Pilatus hat, ihm nach dem Willen des himmlischen Vaters gegeben – Jesus hat auf die mehr als 12 Legionen Engel verzichtet. Und weil das so ist, hat zum zweiten der, „der mich dir überantwortet hat“ – Kaiphas -, größere Sünde.“ Doch Pilatus erkennt wohl nicht, wer die Macht hat und das sie ihm von oben gegeben ist. Und es ist ja auch nicht einfach, Macht zu haben. Hoffentlich gebrauchen wir die Macht gut, die uns gegeben ist.[1]

 

 

 

Teilnehmer 2: Aha. Jetzt verstehe ich Johannes 19,12a: „Von da an trachtete Pilatus danach, ihn freizulassen.“

 

 

 

Teilnehmer 8: Aber jetzt kommen die Juden nach Johannes 19, 12b-15a mit einem Argument, das alle Skrupel in Pilatus außer Gefecht setzen muss: „Die Juden aber schrien: Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum König macht, der ist gegen den Kaiser. Als Pilatus diese Worte hörte, führte er Jesus heraus und setzte sich auf den Richterstuhl an der Stätte, die da heißt Steinpflaster, auf Hebräisch Gabbata.[2] Es war aber am Rüsttag für das Passafest um die sechste Stunde. Und er spricht zu den Juden: Seht, das ist euer König! Sie schrien aber: Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“

 



[1] Das gab Aha zu bedenken.

[2] Georg Schmid wies darauf hin, dass dieser Gerichtsort nur etwa 100 Menschen fasst und dem Wort „Volk“ in der Lutherbibel sehr unterschiedliche Worte im Griechischen zugrunde liegen.

 

 

 

 

 

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Titelbild: Jesus vor Pilatus - erster Versuch. Von James Tissot, französischer Maler und Karikaturist, 1836-1902.  http://faithofthefathers.blogspot.ru/2013/03/some-good-friday-art-by-james-tissot.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41414234