Der Countdown zur Kreuzigung: Am Abend des 3. Tages davor (am Abend des heute so genanntenn"Palm"-Sonntag)

Teilnehmer 9: Wir haben mit unserer Betrachtung des dritten Tages vor der Kreuzigung da aufgehört, wo Jesus an uns alle appelliert, mit Wachsamkeit dem Tag entgegenzugehen und entgegenzusehen, an dem er zurück kehrt – und nicht einzuschlafen, egal, wie lange es dauert. Je weniger wir schlafen, natürlich im übertragenen Sinne, desto eher mag er kommen.

 

Teilnehmer 2: Aber es scheint mir so, dass damit dieser dritte Tag vor der Kreuzigung noch nicht ganz zu Ende ist. In Matthäus 26 heißt es: 1Und es begab sich, als Jesus alle diese Reden vollendet hatte, dass er zu seinen Jüngern sprach: 2Ihr wisst, dass in zwei Tagen Passa[3] ist; und der Menschensohn wird überantwortet werden, dass er gekreuzigt werde.“[4]

 

Teilnehmer 3: Wobei es eigentlich heißen muss: Nach zwei Tagen. Im Griechischen steht hier  die Präposition μετα (meta).[5] Das heißt, es liegen noch zwei volle Tage zwischen diesem Abend und dem Tag der Kreuzigung, also dem Schlachten des Lammes am Nachmittag oder dem Essen des Lammes am Abend.

 

Teilnehmer 12: Mir würde es helfen, wenn wir uns die Zeitangaben in unsere Wochentage übersetzen. Es geht ja sozusagen um die Karwoche. Wo befinden wir uns da?

 

Teilnehmer 11: Es geht vielleicht am einfachsten, die Zeitangaben in unsere Wochentage zu übersetzen, indem wir den Hinweisen von Ethelbert W. Bullinger in seiner Companion Bible[6] folgen.

 

Teilnehmer 10: Was hat Bullinger denn herausgefunden?

 

Teilnehmer 11: Er zitiert drei Feststellungen aus der Bibel, die für diesen Zusammenhang entscheidend sind:

1. Als aber der (wöchentliche!) Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, also unser Sonntag, entdeckten nach Matthäus 28, Vers 1 ff.; Johannes 20, Vers 1 ff. und Lukas 24, Vers 1 ff., Maria von Magdala und andere Frauen und Jünger, dass Jesu Grab leer war. Und sie wurden von Jesus selbst, von Engeln und durch eigene Beobachtungen darüber informiert, dass Jesus auferstanden war.

2. Nach Johannes 19, 31-42, starb Jesus am Rüsttag, an dem auch die Passalämmer im Tempel geschlachtet wurden, und wurde noch vor Sonnenuntergang begraben – bevor das eigentliche Passafest (Sederabend) mit einem hohen (!) Sabbat begann.

3. Nach Matthäus 12, Vers 40, war Jesus drei Tage und drei Nächte «im Schoß der Erde», also im Grab bzw. im Totenreich.

 

Teilnehmer 9: Nach den drei Feststellungen muss Jesus spätestens am Samstag vor Sonnenuntergang bzw. im letztmöglichen Moment am wöchentlichen Sabbat auferstanden sein. Da er kurz vor Sonnenuntergang ins Grab gelegt wurde, waren die drei Nächte und drei Tage auch erst kurz vor Sonnenuntergang um.

 

Teilnehmer 8: Und er ist auch nicht vorher auferstanden. Nach Matthäus 27, 62-66, hatten die Wachen das Grab drei Tage zu bewachen und sie waren noch da, als das Erdbeben geschah, das doch wohl nichts anderes anzeigt, als dass der «Schoß der Erde» den Gekreuzigten wieder herausgeben muss. Nach Matthäus ist das Erdbeben damit verbunden, dass der Engel den Türstein vom Grab wegwälzte. «Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee.» Seine Erscheinung versetzte die Wachen in Ohnmacht.

 

Teilnehmer 7: Wenn dem so ist, dann zählen wir also von Samstagabend vor Sonnenuntergang drei Tage und drei Nächte rückwärts und landen bei Mittwochabend vor Sonnenuntergang. Der Rüsttag der Juden vor dem Passafest, an dem Jesus gekreuzigt wurde, war also nach unseren heutigen Wochentagen an einem Mittwoch. Am Mittwochabend vor Sonnenuntergang und bevor die ersten drei Sterne erscheinen konnten, wurde Jesus begraben.  Er starb an diesem Tag um die neunte Stunde, also gegen 3 Uhr nachmittags.

 

Teilnehmer 6: Und wieso nimmt dann alle Welt an, dass Jesus an einem Freitag starb?

 

Teilnehmer 5: Bullinger erklärt es damit, dass der wöchentliche Sabbat mit dem hohen Sabbat zu Beginn des Festes der Ungesäuerten Brote verwechselt wurde.[7] Man meinte, die Abnahme Jesu und der mit ihm Gekreuzigten sowie die Grablegung wären vor dem wöchentlichen Sabbat erfolgt. Sie erfolgte aber am Rüsttag, also am Vortag des Festes der ungesäuerten Brote, der unabhängig vom Wochentag immer der 14. Nisan ist.

 

 

 

 

 

 

 

Teilnehmer 9: Wir sprechen vom Rüsttag. Jesus sagt aber in Matthäus 26,2 Ihr wisst, dass in zwei Tagen Passa[8] ist“. Müssten wir dann nicht zum 1. Tag der ungesäuerten Brote hin zählen, an dem das Passa stattfindet, also einen Tag später anpeilen als den Rüsttag?

 

Teilnehmer 10: Das liegt nach der Einsetzung des Passafestes in 2. Mose 12 und 3. Mose 23, 4-8 nahe. Aber der Sprachgebrauch zur Zeit Jesu war ein anderer, durchaus auch plausibel. Der in Wien geborene Jude Alfred Edersheim schreibt dazu unter Bezugnahme auf den Jerusalemer Talmud: „Was bedeutet 'an Passa'? Am 14. Nisan.“ Dann fährt er fort: „Und so beschreibt Josephus das Fest als ein Fest von 8 Tagen, indem er offensichtlich davon ausgeht, dass es am 14. Nisan beginnt und mit dem Ende des 21. Nisan aufhört“.[9]

 

Teilnehmer 11: Also wo befinden wir uns in der Karwoche, wenn Jesus in Matthäus 26, 2 sagt, dass nach zwei Tagen Passa im Sinne des Schlachtens der Passalämmer im Tempel ist?

 

Teilnehmer 12: Ich habe verstanden. Jesus sagt dies an einem Abend. Zwischen diesem Abend und dem Rüsttag mit dem Schlachten der Passalämmer, also dem Mittwoch, liegen noch zwei Tage, nämlich der Dienstag und der Montag. Dann befinden wir uns hier am Sonntagabend, also am Ende des ersten Tages der Woche für die Juden jener Zeit. Ich bringe das mal in unsere Tabelle:

 

 

 

Wochentag

Ereignis

Bibelstelle

Donnerstag vor der Karwoche, 8. Nisan

6 Tage vor der Kreuzigung

Maria, die Schwester des von Jesus auferweckten Lazarus, salbt die Füße Jesu im Haus von Lazarus, Maria und Marta in Betanien

Johannes 12, 1 (!)-11

(Die Ausrufezeichen markieren die Verse mit Zeitangaben für den Countdown)

Freitag vor der Karwoche,

9. Nisan

5 Tage vor der Kreuzigung

Jesu Anhänger feiern Jesus beim Einzug in Jerusalem als den König von Israel

Johannes 12, 12(!)-50

Markus 11, 1-11

Samstag (wöchentlicher Sabbat) vor der Karwoche,

10. Nisan

4 Tage vor der Kreuzigung

Begegnung mit einem Feigenbaum;

2. Einzug in Jerusalem (?);

Tempelreinigung

Markus 11, 12(!)-19

 

Matthäus 21, 1-17

Sonntag (häufig irreführend als Palmsonntag bezeichnet, weil man annahm, dass die Kreuzigung an einem Freitag geschah und demzufolge der –heutige - Sonntag der Tag des Einzuges war)

11. Nisan

3 Tage vor der Kreuzigung

Jesu Glaubenslehre anhand des Feigenbaumes; Rhetorik anhand der Frage nach Jesu Vollmacht; wichtige Dialoge vor allem zum Untergang des Tempels und der Priesterkaste

Markus 11, 20 (!)-13,37

(Matthäus, Lukas)

Sonntagabend bis Montagabend

12. Nisan

2 Tage vor der Kreuzigung

Salbung des Hauptes Jesu in Betanien; Abendmahl, Fusswaschung, Judas Iskarioth, Gethsemane

Matthäus 26,2(!)-75

Markus 14,1(!)-72

Lukas 22, 1-65

Johannes 13,1-18, 27

 

 

 

Teilnehmer 1: Warum mag Jesus das so hervorheben?

 

Teilnehmer 2: Ich sehe zwei Aspekte. Der eine ist die eigene Vorbereitung von Jesus und den Jüngern auf das Fest. Das andere ist, was er ahnen mag über die Absichten der judäischen Führung. Denn damit fährt der Evangelist Matthäus fort.

 

Teilnehmer 4: Ja, selbst wenn es noch zwei volle Tage sind, wird für die judäische Führung die Zeit knapp, Jesus umzubringen, wie sie spätestens seit der Auferweckung des Lazarus beschlossen haben. Denn sie wollen Jesus möglichst unauffällig ergreifen und töten und keinesfalls soll es während des Festes der ungesäuerten Brote geschehen: «3Da versammelten sich die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes im Palast des Hohenpriesters, der hieß Kaiphas, 4und hielten Rat, wie sie Jesus mit List ergreifen und töten könnten. 5Sie sprachen aber: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr gebe im Volk.

 

Teilnehmer 12: Ganz ähnlich ist es in Markus 14, 1-2, nachzulesen. Allerdings: Wenn sie ihn nicht während des Festes ergreifen und töten wollen, bleibt ja offen, ob sie es vor dem Fest oder nach dem Fest versuchen.

 

Teilnehmer 11: Sie sind offenbar durch die große und wachsende Anhängerschaft beunruhigt. Die könnte während des Festes noch zunehmen und sich ins ganze Land und darüber hinaus verbreiten, denn es sind ja Juden aus vielen Ländern zum Fest gekommen.

 

Teilnehmer 1: Und während die Feinde Jesu beraten, erfährt Jesus eine besondere Wohltat – im Hinblick auf sein Begräbnis.

 

 



[1] Das erklärte Georg Schmid schriftlich.

[2] Zitiert nach der Schlachter-Bibel. Die Lutherbibel 2017 weicht an dieser Stelle leider stark vom griechischen Text ab.

[3] Georg Schmid weist darauf hin, dass „der in den Grundtexten gebrauchte griechische Begriff πασχα zum einen Passah-Mahl, aber auch Passah-Fest bedeuten kann. Er bedeutet zumindest in 1.Kor 5:7 wohl auch Passah-Lamm.“ Eine vierte Bedeutung findet sich in Luk. 22,1: Es war aber nahe das Fest der Ungesäuerten Brote, das Passa heißt.“ Hier wird das gesamte Fest der Ungesäuerten Brote als Passa bezeichnet. Was gemeint ist, muss also stets aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Georg Schmid: „Nur steht nirgends (=überhaupt nicht) wie zB in Luther-Texten vielfach übersetzt Passah- bzw. Oster-LAMM.“ In Matthäus 26,2 können sowohl die Schlachtung des Lammes am Nachmittag wie auch das Essen des Lammes am Abend gemeint sein.

[4] Georg Schmid gibt dazu den Konkordanten Bibeltext an: "Ihr wißt, da[ß] in zwei Tagen das Passah ist; dann wird der Sohn des Menschen zur Kreuzigung (wörtl.: Anpfahlung) überantwortet."

[5] Μenge-Güthling, S. 447: Präpositionale Bedeutung von μετα mit Akkusativ in zeitlicher Verwendung: nach, post. Dem entsprechend auch die Übersetzung zum Beispiel in der Interlinear. Auch das Markus-Evangelium hat diese Zeitangabe: „(Es) war aber das Passafest und die ungesäuerten Brote nach zwei Tagen.“

[6] Ethelbert W. Bullinger, The Companion Bible, being the Authorized Version of 1611 with Structures and critical and Explanatory Notes with 198 Appendixes, Zondervan Bible Publishers, Michigan, Reprinted by permission of The Bullinger Publication Trust 1964, 1970, 1974, Fourth Printing, insbesondere Appendix 156, S. 180. Die Companion Bible wurde ursprünglich in 6 Teilen von 1909 bis1922 herausgegeben, zum Teil von seinen Mitarbeiter, da Bullinger, geboren 1837, bereits 1913 verstarb. Vgl. insbesondere den englischsprachigen Wikipedia-Artikel „E.W.Bullinger“, Stand 31. März 2017, 16.44 Uhr. Die Companion Bible gelangte in den Hauskreis, weil Bernd-Rüdiger Schneider aus Schottland sie einem Hauskreismitglied geschenkt hat.

[7] Vgl. zum Sabbat als Tag der heiligen Versammlung, an dem keine Arbeit getan wird, 3. Mose 23, 1-8, aber auch die Verse 21 und 35. Es gibt nach diesem Kapitel nicht nur den wöchentlichen Sabbat, sondern auch die Sabbattage der hohen Feste.

[8] Georg Schmid weist darauf hin, dass „der in den Grundtexten gebrauchte griechische Begriff πασχα zum einen Passah-Mahl, aber auch Passah-Fest bedeuten kann. Er bedeutet zumindest in 1.Kor 5:7 wohl auch Passah-Lamm.“ Eine vierte Bedeutung findet sich in Luk. 22,1: Es war aber nahe das Fest der Ungesäuerten Brote, das Passa heißt.“ Hier wird das gesamte Fest der Ungesäuerten Brote als Passa bezeichnet. Was gemeint ist, muss also stets aus dem Zusammenhang erschlossen werden. Georg Schmid: „Nur steht nirgends (=überhaupt nicht) wie zB in Luther-Texten vielfach übersetzt Passah- bzw. Oster-LAMM.“ In Matthäus 26,2 können sowohl die Schlachtung des Lammes am Nachmittag wie auch das Essen des Lammes am Abend gemeint sein.

[9] Alfred Edersheim, Life and Times of Jesus the Messiah, Chapter IX, The Fifth Day in Passion Week – „Make ready the Passover!“, 1. Absatz, zitiert nach und übersetzt aus „Christian Classics Ethereal Library, Bringing Christian classic books to life".