Keiner fragt nach Gott?

Teilnehmer 10: Die Aussage insbesondere in Römer 3, Vers 11, das da keiner ist, der nach Gott fragt, hat mich schon immer irritiert. Es soll keinen Menschen geben, der ohne Jesus nach Gott fragt und infolgedessen ohne Jesus gerecht ist? Das kann doch wohl nicht sein.

 

Teilnehmer 11: Ich habe Psalm 14 gelesen, aus dem Paulus hier offenbar zitiert. Daraufhin war ich noch mehr irritiert. Denn dort steht in den Versen 1-3: „1Von David, vorzusingen. Die Toren sprechen in ihrem Herzen: »Es ist kein Gott.« Sie taugen nichts; ihr Treiben ist ein Gräuel; da ist keiner, der Gutes tut. 2Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. 3Aber sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“

 

Teilnehmer 12: Das ist in der Tat eigenartig. Da ist nach Vers 1 von den „Toren“ oder „Narren“ die Rede. David wird doch wohl nicht meinen, dass alle Menschen Toren sind, sich selbst eingeschlossen?

 

Teilnehmer 1: Anscheinend schon. Er weiß ja von sich nur zu gut, dass er auch abgewichen ist, wie er in dem schon zitierten Psalm 51[1] sehr deutlich zum Ausdruck bringt. Nicht nur, dass er einem seiner besten Leute die Frau genommen hat, sondern er hat ihn auch noch umbringen lassen.[2] Und in Vers 2 ist ausdrücklich von den Menschenkindern generell die Rede. Da ist keiner, der Gutes tut, und wenn er anscheinend Gutes tut, was ist sein Motiv?[3]

 

Teilnehmer 9: Da können wir ja mal uns selbst befragen.

 

Teilnehmer 8: Tja, eigentlich wollte ich heute nur Gutes tun, nämlich, die finanziellen Dinge meiner verstorbenen Mutter in Ordnung bringen. Aber als die Bankangestellte mir Schwierigkeiten machte, weil sie die Kontoauszüge nicht herausgeben wollte, habe ich sie noch mehr innerlich als äußerlich ganz schön zusammengefaltet. Dabei wollte die sich nur an ihre vermeintlichen Vorschriften halten. Insofern war ich ganz schön ungerecht zu ihr.

 

Teilnehmer 7: Das kann ich aber gut verstehen. Ich war heute morgen schon innerlich voller Ärger und Entrüstung, als meine Frau vorschlug, das Mittagessen nach hinten zu verschieben und erst noch einen Spaziergang zu machen und gegen den Hunger einen Apfel zu essen – wo doch Äpfel nur meinen Appetit anregen und mich niemals satt machen können. Aber anstatt mit ihr zu reden, habe ich sie innerlich ganz schön ungerecht mit allerlei Vorwürfen bedacht.

 

Teilnehmer 6: Jetzt werdet Ihr aber sehr genau. So gesehen muss sich ja jeder verdammen.

 

Teilnehmer 5: Na, darum geht es ja. Aber zum Glück brauchen wir uns nicht zu verdammen, sondern wir können den HERRN anrufen, der uns dazu in 1. Johannes 3, 19-20, Tröstliches zu sagen hat: „19 Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind, und können vor ihm unser Herz überzeugen, 20 dass, wenn uns unser Herz verdammt, Gott größer ist als unser Herz und erkennt alle Dinge.“

 

 

 



[1] Siehe Fußnote 2.

[2] 2. Samuel 11-12.

[3] Vgl. dazu Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, übersetzt und herausgegeben von Walther Eckstein, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2004, insbesondere vielleicht S. 370 ff: „Über den Charakter des Individuums, insoweit er auf die Glückseligkeit anderer einwirken kann“. Die gute Tat erfolgt nicht unbedingt aus einem gottergebenen geisterfüllten Herzen, sondern, um vor sich selbst oder vor anderen Menschen oder vor Gott gut dazustehen.

 

 

Titelbild: Hat Paulus Recht? Foto: geralt, pixabay.

 

Teilnehmer 8: Das habe ich denn auch getan und mir wurde klar, dass ich da im Grunde den alten Kampf mit meinem längst verstorbenen Vater kämpfe, der mir nicht geben wollte, was ich nötig hatte. Und siehe da, mir kam der Gedanke, in eine andere Bankfiliale zu gehen, und es ging wie am Schnürchen.

 

Teilnehmer 7: Mein Ärger verflog dann auch sehr bald. Erinnerte ich mich doch, dass ich solche Dinge besprechen kann. Und die Umstände führten dazu, dass unser Spaziergang sehr kurz ausfiel – Ärger ganz überflüssig.

 

Teilnehmer 4: Wieder werde ich an die Ermahnungen von Pater Tommek[1] erinnert, wie gut es uns tut, mit ungeteiltem Herzen mit Gott im Kontakt zu sein und ihm auch die dunklen Seiten zu zeigen, nicht nur die „Schockoladenseite“. Und wie wichtig das erste Gebot ist: Gott von ganzem Herzen ... . Es macht uns frei von aller Menschenabhängigkeit.

 

Teilnehmer 3: Da fällt mir die Unterhaltung von Jesus mit Petrus am Ende des Johannes-Evangeliums ein: „Liebst Du mich mehr als diese?“[2] Bin ich Dir wichtiger als Dein Ansehen bei den anderen Jüngern? Petrus versichert, dass er Jesus liebt, und erhält wunderbare Aufträge. Doch kurz darauf fällt er in sein altes Muster zurück. Nachdem Jesus ihn in die entschiedene Nachfolge ruft, fragt Petrus: „Und wie steht es mit jenem Jünger?“[1]



[1] Johannes 21,21.

 

 

Teilnehmer 9: Da hilft dann wohl nur ein „Rescripting“ mit Jesus – Gott kennt unser Herz und wird es nicht verdammen, sondern auf seine Gesundung hinwirken. Manchmal brauchen wir dazu Abstand: Aus der Situation raus und nach Rücksprache mit Gott wieder rein. Natürlich nicht einfach vermeiden und weglaufen, sondern die geistliche Waffenrüstung anziehen: Verlass Dich auf den HERRN von ganzem Herzen.

 

Teilnehmer 2: Welch ein Segen, dass es aus dieser Lage allgegenwärtiger Ungerechtigkeit vor Gott einen Ausweg gibt, den David gerade in dem ganzen Psalm 51 und hier in Psalm 14 in Vers 4 beschreibt: „4Will denn das keiner der Übeltäter begreifen, / die mein Volk fressen, dass sie sich nähren, aber den HERRN rufen sie nicht an[3]?“ Gott wird nicht zögern, uns zu begnadigen, wenn wir ihn darum bitten. So war es schon im Alten Testament, in dem der Erlöser, der Retter versprochen ist. Heute gilt es, dass Opfer, das schon dargebracht ist, nämlich Jesus, unser Passalamm, persönlich anzunehmen.

 

Teilnehmer 3: Danke. So lese ich auch den Rest der Beschreibungen von uns Menschenkindern in Römer 3 durch Zitate aus dem Alten Testament mit Erleichterung: „13Ihr Rachen ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen betrügen sie (Psalm 5,10), Otterngift ist unter ihren Lippen (Psalm 140,4); 14ihr Mund ist voll Fluch und Bitterkeit (Psalm 10,7). 15Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; 16auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Jammer, 17und den Weg des Friedens kennen sie nicht (Jesaja 59,7-8). 18Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen (Psalm 36,2).«

 

Teilnehmer 4: Und dann unterstreicht Paulus in Römer 3 noch einmal sehr deutlich, dass sich auch die Juden von dieser Beschreibung der Menschenkinder im Alten Testament nicht ausnehmen können, auch nicht die Pharisäer als Eiferer für das Gesetz: 19Wir wissen aber: was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind, damit allen der Mund gestopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, 20weil kein Mensch durch die Werke des Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“

 

Teilnehmer 5: Gehören die Psalmen und die Propheten, die Paulus in Römer 3 zitiert, auch zum Gesetz? Ich denke, das sind nur die 5 Bücher Mose.

 

Teilnehmer 6: Genau da steht genau das, was Paulus mit Zitaten aus Psalmen und Propheten beschrieben hat. 1. Mose 8, 21b: „ ... das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“[4] Das gilt für die so genannten „Gutmenschen“ genau so wie für alle anderen.

 



[1] Vgl. Hubertus Tommek SJ u.a.: Ich stehe vor der Tür und klopfe an, Windhauch Verlag Berlin, 1. Auflage 2016, insbesondere S. 50.

[2] Johannes 21,15.

[3] Hervorhebung hinzugefügt.

[4] Es ist wohl bemerkenswert, dass es hier nicht heißt „von Geburt an“. Kinder werden für das Himmelreich auf Erden geboren – vgl. Matthäus 19,14. Aber leider ist ihre Umgebung, die Welt, nicht vollkommen. Fehlhaltungen wichtiger Personen wie die Eltern wirken sich aus. Vgl. Matthäus 18, 1-7.