Leiden 1.13: Das Urteil und Erneute Folterung - von höchster Brutalität; 40 Stunden lang?

Teilnehmer 11: Jetzt fühlt sich Pilatus frei, den Juden zu Willen zu sein. Lukas 23, 24-25: Und Pilatus urteilte, dass ihre Bitte erfüllt werde, und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.“[1] Oder Markus 15,15: „Pilatus aber wollte dem Volk zu Willen sein und gab ihnen Barabbas los und ließ Jesus geißeln und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt werde.“ Ähnlich steht es bei Matthäus, Kapitel 27, Vers 26, und bei Johannes, Kapitel 19, Vers 16: „Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde ...“

 

Teilnehmer 4: Dieses allzu menschliche Hin und Her bei Pilatus berührt mich zutiefst. Ich kann es sehr gut nachvollziehen. Er spürt was an Jesus. Er weiß, dass die Juden ein falsches Spiel treiben.[2]

 

Teilnehmer 5: Und es bewegt mich, wie Jesus sich von allem Hass fernhalten kann. Und dass es ihm nicht um seine Verteidigung geht, sondern um den Willen des Vaters. Dass er das Herz von Pilatus wie von Herodes kannte. Herodes ist nur an Spektakulärem interessiert. Aber er nimmt nichts ernst außer sich selbst. Das hat er schon in der Sache mit Johannes dem Täufer gezeigt. So zeigt es sich hier wieder in seinem Spott über Jesus.[3]

 

Teilnehmer 12: Und Matthäus und Markus fahren fort mit dem, aufgrund dessen es im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt: Gelitten unter Pontius Pilatus – der einzige Name eines Menschen außer Jesus und Maria, der in diesem Glaubensbekenntnis auftaucht. Jetzt gehen die Folterungen von Neuem und erst richtig los. Jetzt ist es eine ganze Abteilung von 400 bis 600 Soldaten.

 

Teilnehmer 1: Ich lese Matthäus 27, 27-31: „Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus mit sich in das Prätorium und sammelten die ganze Abteilung um ihn. Und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt und gaben ihm ein Rohr in seine rechte Hand und beugten die Knie vor ihm und verspotteten ihn und sprachen: Gegrüßet seist du, der Juden König!, und spien ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit sein Haupt. Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Mantel aus und zogen ihm seine Kleider an und führten ihn ab, um ihn zu kreuzigen.“

 

Teilnehmer 2: Wissen wir, wie lange die ganze Abteilung von 400-600 Mann ihn folterte und verspottete?

 

Teilnehmer 3: Wir wissen, dass sich Pilatus um die sechste Stunde auf den Richterstuhl setzte. Das ist nach der damaligen jüdischen Zeiteinteilung die Mittagszeit – was ja auch Sinn macht, wenn wir bedenken, dass noch früh am Morgen die zweite Verhandlung im Hohen Rat stattfand, dann Jesus zu Pilatus in Prätorium gebracht wurde, dann Pilatus ihn nach seinen ersten Anläufen zu Herodes Antipas bringen ließ, er von dort zurückgeschickt wurde, Pilatus Jesus während seines zweiten Verhandlungsabschnittes geißeln ließ und mehrere Male versuchte, vom Volk die Einwilligung zur Freilassung zu bekommen

 

Teilnehmer 4: Wir wissen auch aus Markus 15,25, dass es die dritte Stunde nach hebräischer Zeitrechnung war, als sie Jesus kreuzigten.

 

Teilnehmer 5: Das heißt, dass die Kohorte von 400-600 Mann ihn möglicherweise einen halben Tag und eine ganze Nacht folterte?

 

Teilnehmer 6: Das glaube ich nicht. Die konkordante Bibel übersetzt die sechste Stunde nach Johannes 19,14 mit der dritten Stunde ins Deutsche. Die Begründung soll ein altes Manuskript liefern, indem die sechste Stunde durchgestrichen und die dritte Stunde darüber geschrieben ist.[4] Wenn es sich bei der dritten Stunde um die dritte Stunde nach judäischer Zeit handelt, dann hätte die Folterung möglicherweise nur wenige Minuten gedauert. Urteil und Kreuzigung wären innerhalb einer Stunde oder noch viel weniger erfolgt. Vielleicht war es auch die dritte Stunde nach römischer Zeitrechnung. Dann wäre es um drei Uhr in der Nacht gewesen. Oder es war die sechste Stunde nach römischer Zeitrechnung. Dann war es am frühen Morgen.[5]

 

 


[1] Aha erinnert daran, wie furchtbar es ist, dem Willen seiner Feinde ausgeliefert zu werden. David bat Gott – in den Psalmen – eindringlich darum, nicht dem Willen seiner Feinde ausgeliefert zu werden.

[2] So empfand Aha.

[3] So empfand Aha.

[4] Diesen Hinweis gab Georg Schmid.

[5] Georg Schmid verweist dazu auf Angaben des www.torahcalendar.com/hour.asp nach denen das Evangelium des Johannes durchgehend die römische Stundeneinteilung benutzt haben soll, die unserer Stundeneinteilung gleicht. Demzufolge saß Jesus in Johannes 4,6 nicht in der Mittagszeit, sondern am Abend am Jakobsbrunnen. Der Hauptmann von Kapernaum kam in Johannes 4, Vers 52 nicht um ein Uhr nachmittags zu Jesus, sondern um sieben Uhr abends. Und die Jünger kamen in Johannes 1, Vers 39 nicht um 4 Uhr nachmittags, sondern schon um 10 Uhr  morgens zu Jesus. In all diesen angeführten Fällen könnte indes sowohl das eine wie das andere plausibel sein.

 

 

Titelbild: Geißelung. Motiv aus Mel Gibsons Film "Die Passion Christi". Es gibt wohl keine andere Darstellung, die dem realen Geschehen so nahe kommt. https://images.app.goo.gl/j1ABDmGCHg6r964z5.

Rechts im Bild: Römische Geißel (Flagrum). Foto von Rubén Betanzo S. - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24612810

 

Teilnehmer 7: Das erscheint mir alles sehr unwahrscheinlich. Wenn zum Beispiel Pilatus sein Urteil nach unserer Zeit gegen neun Uhr morgens gesprochen hätte: Selbst wenn die Soldaten die Dornenkrone schon weit vorher geflochten hatten, bevor Pilatus sein berühmtes „Seht, welch ein Mensch“ sprach, dauert doch wohl das zweimalige An- und Ausziehen von blutdurchtränkten Kleidern, das Verspotten mit Dornenkrone, das Rohr in die Hand geben, das Schlagen auf das Haupt länger als ein paar Minuten. Außerdem ist noch der Weg vom Prätorium bis nach Golgatha zurückzulegen. Um drei Uhr in der Nacht hätten aber die Juden wohl kaum Pilatus aus dem Bett klingeln können, und selbst um sechs Uhr in der Frühe nicht, abgesehen davon, dass auch die Leute, die sonst noch zugegen waren, die Nacht über auf den Beinen gewesen wären. Und auch Herodes Antipas hätte sehr früh aufstehen müssen.

 

 

 

Teilnehmer 8: Ich habe einen Eindruck. Manches von dem Leiden Christi ist ja im Alten Testament vorgezeichnet. Als ich mich fragte, ob dort eine ganze Nacht des Leidens beschrieben ist, fiel mir die für mich furchtbarste Geschichte im Alten Testament ein, in der das Zusammenwirken eines judäischen Vaters, eines levitischen Ehemannes und eines benjaminitischen Gastgebers dazu führen, dass eine Frau eine ganze Nacht lang vergewaltigt wird und am Morgen auf der Türschwelle stirbt. Ich glaube, dass Jesus Christus  Vergleichbares durchlitten hat, um auch diese Sünde hervorragender Stämme seines Volkes aus der Welt zu schaffen.

 

 

 

Teilnehmer 10: Es bewegt mich sehr, wie in der Passionsgeschichte der Charakter der Menschen offenbar wird: Die Falschheit der Hohenpriester, das Schwanken des Pilatus, die Brutalität der Folterknechte, das Zurückweichen des Petrus, der Verrat des Judas, die Stimmungen des Volkes. Sie kamen, um Lazarus zu sehen, und nicht unbedingt, um Jesus zu sehen. Sie waren Voyeure.[1] Sie waren sensationssüchtig.[2] Sie waren wankelmütig.[3] Und vor Jesus, der scheinbar der Schwächste ist, werden sie alle offenbar. [4]

 

 

 

Teilnehmer 11: Warum war eigentlich der Verrat des Judas für die Verhaftung nötig?[5]

 

 

 

Teilnehmer 12: Weil die Masse der Pilger doch von Jesus begeistert war. Die Popularität Jesu war auf dem Höhepunkt. Deswegen konnte er nicht in aller Öffentlichkeit verhaftet werden, sondern nur heimlich bei Nacht.

 

 

 

Teilnehmer 9: Nach dem Urteil des Pilatus senkt sich der Schleier des Grauens. Jesaja 52,14 spricht von dem Resultat: Die hässlichste Gestalt unter den Menschen. Wir sind teuer erkauft, sehr teuer.

 



[1] Das empfand Aha.

[2] So beschrieb es Klaus-Peter Witt.

[3] So beschrieb es Hans Steinbakke.

[4] Das sagte Aha.

[5] Diese Frage stellte Heinz Hüls.