Advent 1.7: Sterben ist kein Gewinn – es sei denn, im Zeugenstand

Teilnehmer 11: Eine weitere Bibelstelle, die Scofield anführt, um die Aussage des Predigers zu entkräften, dass der gestorbene Mensch wirklich tot ist, ist Philipper 1, 20-23: „wie ich sehnlich warte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. 21Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. 22Wenn ich aber weiterleben soll im Fleisch, so dient mir das dazu, mehr Frucht zu schaffen; und so weiß ich nicht, was ich wählen soll. 23Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre; 24aber es ist nötiger, im Fleisch zu bleiben um euretwillen. 25Und in solcher Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und zur Freude im Glauben, 26damit euer Rühmen in Christus Jesus größer werde durch mich, wenn ich wieder zu euch komme.“

 

Teilnehmer 12: Auch das ist ein eigenartiger Text. Der Apostel Paulus stellt in Vers 25 klipp und klar fest, dass er in Zuversicht weiß, dass er bleiben und bei den Philippern sein wird zur Förderung und zur Freude im Glauben, damit ihr Rühmen in Christus Jesus größer wird. Ähnliches sagt er in Vers 22a. Wieso sagt er dann in Vers 22b, dass er nicht weiß, was er wählen soll?

 

Teilnehmer 1: Er hat ja gesagt, dass Sterben sein Gewinn ist. Sein Leben bringt Frucht bei den Philippern – und ebenso bei anderen. Die ist wichtig. Für sich persönlich ist Sterben ebenso attraktiv. Und das wird in der Offenbarung des Johannes, Kapitel 2, 10 so beschrieben: „Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“

 

Teilnehmer 2: Doch mit seinen Gedanken ist er noch bei einer dritten Möglichkeit, die er in Vers 23 darlegt. Dies kommt leider in der Luther-Fassung kaum zum Ausdruck.  Das Wort „denn“ ist gar nicht im griechischen Text, sondern stattdessen ein „aber“. Für „beides“ steht duo, zwei. Und „setzt mir hart zu“ heißt im Griechischen sünechoomai – von etwas ganz ergriffen sein.[1] Also sollte der erste Teil von Vers 23 übersetzt werden: Aber von zwei Dingen bin ich ganz ergriffen.

 

Teilnehmer 3: Und von welchen zwei Dingen ist er ganz ergriffen?

 


[1] Menge-Güthling, S. 660.

 

Teilnehmer 4: Auch das kommt in der Luther-Fassung kaum zum Ausdruck. Die Worte „aus der Welt zu scheiden“ stehen nicht im griechischen Text. Stattdessen steht da das Wort analusai, was „aufbrechen“ heißt.[1] Also ist der Apostel Paulus ergriffen von zwei Dingen: Aufzubrechen und bei Christus zu sein. Dem zurückkehrenden Christus entgegengerückt zu werden und bei ihm zu sein allezeit. Das ist seine Sehnsucht.

 

Teilnehmer 5: Das wäre zwar viel besser als alles andere, aber darauf hat er keinen Einfluss, und deswegen ist es nötiger, sich darauf zu konzentrieren, im Fleisch zu bleiben im Interesse der Philipper. Dann folgt voller Gewissheit Vers 25.

 

Teilnehmer 6: Und was bedeutet das nun alles für die Frage, ob die Toten doch, wenn auch ohne Körper, leben und Bewusstsein haben?

 

Teilnehmer 7: Es bedeutet, dass der Text für die Frage nichts hergibt. Das wäre nur dann der Fall, wenn tatsächlich vom Sterben oder „aus der Welt scheiden“ die Rede wäre und wenn dies mit dem „bei Christus sein“ unmittelbar verbunden wäre. Unser Tod hat aber nur insofern unmittelbar mit dem „bei Christus sein“ zu tun, als für die Gestorbenen der nächste bewusste Moment die Entrückung aus dem Totenreich Christus entgegen bei gleichzeitigem Anziehen des neuen unverweslichen Körpers ist.

 



[1] Vgl. die Interlinear von Dietzfelbinger, S. 855. Die Interlinear fügt zwar in der Unterzeile hinzu „=Sterben“. Nach Menge-Güthling, S. 56, haben aber erst die Übersetzer des Neuen Testaments das griechische Wort analuoo, das in den Übersetzungen der klassischen griechischen Literatur mit „ich breche auf“ wiedergegeben wird, mit „ich sterbe“ gleichgesetzt. Analusis bedeutet nach Menge-Güthling Aufbruch, Abreise, Erlösung und als Analutär wird auch der Erlöser oder Retter bezeichnet. Ebenda.

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild: Sarg. Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/openclipart-vectors-30363/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=150647">OpenClipart-Vectors</a> auf <a