Auferstehung 1.1:  Drei Nächte und drei Tage im Grab – Die Wachen

Teilnehmer 1: Die Berichte über den Tag der Kreuzigung Jesu schließen damit ab, dass Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu vom Kreuz nahm und bestattete. Nikodemus mit seinen Leuten balsamierte ihn dann ein, was aber zum Beispiel die Frauen, die mit Jesus nach Jerusalem gekommen waren, nicht mitbekamen.[1] Was passierte danach?

 

Teilnehmer 12: Nach Matthäus 27, 62-64, Folgendes: „ 62 Am nächsten Tag, der auf den Rüsttag folgt, versammelten sich die Hohenpriester und die Pharisäer bei Pilatus 63 und sprachen: Herr, wir haben daran gedacht, dass dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Nach drei Tagen werde ich auferweckt.  64 Darum befiehl, dass man das Grab bewache bis zum dritten Tag, damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und zum Volk sagen: Er ist auferstanden von den Toten, und der letzte Betrug ärger wird als der erste.“ 

 

Teilnehmer 11: Der nächste Tag nach dem Rüsttag ist der Hohe Sabbat, der erste Tag des Festes der Ungesäuerten Brote, der nach hebräischem Verständnis mit Sonnenuntergang des Rüsttages und dem Sedermahl beginnt. Ich verstehe die Sorgen der Hohenpriester und der Pharisäer.  Aber ich wundere mich, dass sie in Vers 63 erst Jesus korrekt zitieren, indem sie daran erinnern, dass Jesus gesagt hat, dass er nach drei Tagen auferweckt wird. Dann aber wollen sie nach Vers 64 von Pilatus eine Wache bis zum dritten Tag. Es wird doch erst nach dem dritten Tag spannend.

 

Teilnehmer 10: Interessant. Diese Frage wirft auch Adolf Knoch in seinem Buch „Das Geheimnis der Auferstehung“ auf, tut sie aber auch wieder ab, indem er entgegen Bullinger die Auffassung vertritt, dass der Ausdruck „drei Tage und drei Nächte“ eine volkstümliche Redewendung gewesen sei, „die niemand wörtlich auffasste“.[2]

 

Teilnehmer 9: Der Ausdruck „nach drei Tagen“ in Vers 63, im Griechischen μετα τρεις ημερας (meta tre-is hämeras), scheint mir aber ganz eindeutig zu sein. Nicht so eindeutig hingegen finde ich den Ausdruck εως της τριτης ημερας (eoos täs tritäs hämeras) in Vers 64, der in der Lutherfassung und in vielen anderen Fassungen mit „bis zum dritten Tag“ übersetzt wird. Allerdings werden sich die Hohenpriester und Pharisäer bei Pontius Pilatus wohl kaum in dieser Sache widersprüchlich geäußert haben, sondern mit dem zweiten Ausdruck nichts anderes als mit dem ersten Ausdruck gemeint haben.

 

Teilnehmer 8: Gibt es eine Alternative zur Lutherbibel bei der Übersetzung des zweiten Ausdrucks?

 

Teilnehmer 2: Für mich liegt die Sache sehr einfach. Eine alternative Übersetzung ist nicht nötig. „bis zum dritten Tag“ schließt einfach den dritten Tag mit ein. Wenn Jesus kurz vor Sonnenuntergang am Mittwoch begraben wurde, dann ist der erste Tag danach der Donnerstag, der zweite der Freitag und der dritte der Samstag. Bis zum Sonnenuntergang am Samstag sollte das Grab bewacht werden.

 

Teilnehmer 9: Menge-Güthling gibt als erste zeitliche Bedeutung für εως (eoos) «solange als, während» bei dem Gebrauch als Konjugation an, aber auch als adverbiale Bedeutung im kirchlichen Sprachgebrauch[3]. Daher schlage ich vor, bis auf weiteres mit dieser Übersetzung zu arbeiten. Die Bitte der Oberpriester und Pharisäer ist dann dahingehend zu verstehen, dass das Grab während des dritten Tages abgesichert wird – Ende offen.

 



[1] Vgl. Matthäus 27, 57-61, sowie Johannes 19, 38-42. Vgl. Hauskreisdialog Leiden0, letzter Abschnitt.

[2] A.E. Knoch, Das Geheimnis der Auferstehung, Pforzheim o.J., S. 136. Das Buch wurde dem Hauskreissekretär auf einer „Gott ist Einer-Konferenz“ in Uder bei Heiligenstadt im Eichsfeld von Dirk Ahlmeyer zugeeignet.

[3] Menge-Güthling, S. 311.

 

Teilnehmer 7: Nach der Lutherfassung hört es sich aber so an, als ob Pilatus ihnen die Wachen gleich mitgibt. Matthäus 27, 65-66: «Pilatus sprach zu ihnen: Da habt ihr die Wache; geht hin und bewacht es, so gut ihr könnt[1]. Sie gingen hin und sicherten das Grab mit der Wache und versiegelten den Stein.“

 

Teilnehmer 6: Nun ja, das Wort „da“ ist nicht im griechischen Text. Die Interlinear übersetzt folgendermaßen: „Ihr sollt haben eine Wache! Geht hin, sichert ab, wie ihr könnt! Sie aber, gegangen, sicherten ab das Grab, versiegelt habend den Stein zusammen mit der Wache.“

 

Teilnehmer 5: Aha. Wann genau die Sicherung des Grabes nach dem Weggang der Juden von Pilatus erfolgt, wird nicht gesagt. Aber für mich ist klar, dass das bereits am ersten Tag nach dem Rüsttag, also am Hohen Sabbat, dem Donnerstag, geschah.

 

Teilnehmer 4: Dazu hat aber Knoch einen anderen Vorschlag. Zur zeitlichen Bestimmung der Versiegelung und des Beginns der Bewachung zieht er den ersten Teil von Vers 1 aus Kapitel 28 zu Vers 66 in Kapitel 27, was ja legitim ist, da die ältesten Textzeugnisse ohne Wortabstände, Satzabstände und Kapitaleinteilungen fortlaufend in Unzialen geschrieben sind. Der Satz lautet dann so: „Ihr sollt haben eine Wache! Geht hin, sichert ab, wie ihr könnt! Sie aber, gegangen, sicherten ab das Grab, versiegelt habend den Stein zusammen mit der Wache spät der Sabbate.“[2]

 

Teilnehmer 3: Für mich nicht überzeugend. Denn wie geht es dann so oder so weiter?

 

Teilnehmer 2: Das Matthäus-Evangelium fährt fort mit einer Bemerkung darüber, was Maria Magdalena und die andere Maria taten, nachdem die Wachen vor dem Grab postiert waren, aber die mit Pontius Pilatus vereinbarte Zeit schon bald ablief. So jedenfalls, wenn wir bei der traditionellen Kapitel-, Vers- und Satzeinteilung an dieser Stelle bleiben, aber die einleuchtende Übersetzung von Knoch für oψε δε σαββατων mit «spät der Sabbatte» übernehmen und annehmen, dass es hier bedeutet, dass die Zeiteinheit von Hohem Sabbat, dem „Brückentag“ und dem wöchentlichen Sabbat zu Ende ging. Sie schauten einfach mal nach dem Grab, vielleicht, um zu sehen, ob die Wachen noch da sind oder vielleicht schon gegangen sind, damit sie den Leichnam einbalsamieren können, da sie nicht gesehen hatten, dass das Nikodemus mit seinen Leuten schon besorgt hatte.

Teilnehmer 5: Das passt gut mit dem zusammen, was wir bei Lukas, Kapitel 23, Verse 55-56, darüber lesen, was die Frauen machten, während Jesus im Grab war.

 



[1] Das klingt so, als ob Pilatus die Sache leid ist oder der Meinung ist, dass alle Anstrengungen der Juden in dieser Sache nichts nützen.

[2] Οψε δε σαββατων (opse de sabbatoon). Vgl. Knoch, Das Geheimnis der Auferstehung, a.a.O., S. 160. Knoch geht allerdings davon aus, dass im Jahr der Kreuzigung unseres Herrn Jesus von Nazareth der hohe Sabbat am Freitag war und ihm unmittelbar der wöchentliche Sabbat folgte. Er übersetzt folglich Οψε δε σαββατων (opse de sabbatoon) mit «Am Abend der Sabbate». Jesus wäre der Annahme der direkt aufeinander folgenden Sabbate und der Kreuzigung am Donnerstag zufolge nur 2 Nächte und einen oder zwei Tage im Grab gewesen, weswegen Knoch den Bezug auf Jona mit den drei Tagen und drei Nächten relativiert.

 

 

 

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Titelbild: Die Wachen wurden, als wären sie tot. Detail aus dem Gemälde von Matthias Grünewald, Isenheimer Altar, ehemals Hauptaltar des Antoniterklosters in Isenheim/Elsaß, zweite Schauseite, rechter Flügel, unterer Teil.1512-1516. The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3473274.