Jesus will unser Glück

Teilnehmer 1: Wir sind ein Hauskreis, ein Team, dessen Ziel das Glück oder die Glückseligkeit jedes Einzelnen von uns und des ganzen Hauskreises ist, denn davon spricht Jesus zu Beginn seiner berühmten Bergpredigt in Matthäus 5, 1-16 – der ersten im Matthäus-Evangelium ausführlich wiedergegebenen Rede Jesu überhaupt. Zu Neujahr wünscht man sich weltweit viel Glück. In unseren Regionen beginnt das neue Jahr am 1. Januar. Da liegt es doch nahe, unser Jahrescurriculum mit dem Glück der Bergpredigt zu beginnen.

 

Teilnehmer 2: Das finde ich recht eigenartig. Wo bleibt da die Mission, das Evangelisieren? Oder die Sozialarbeit, die Diakonie?

 

Teilnehmer 3: Es ist die Art der Mission, die dem neuen Gebot Jesu in Johannes 13, 34-35, entspricht: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. 35Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“

 

Teilnehmer 8: Wenn Christen untereinander das Glück ihrer Schwestern und Brüder zu ihrem Anliegen machen, was ja ein Liebes- und Sozialdienst ist, wird das nicht verborgen bleiben, sondern attraktiv sein, also Mission sein.

 

Teilnehmer 4: Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wort, dass z.B. Luther in Matthäus 5 mit „selig“ übersetzt, das griechische Wort „makarios“ ist, was so viel wie „(über)glücklich“ oder „glückselig“ bedeutet[1]. Es kommt bemerkenswerter Weise 50[2] Mal im Neuen Testament vor, und die erste Stelle finden wir in Matthäus 5, 3.

 

Teilnehmer 6: Ich lese ab Vers 1: Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. 2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: 3 Überglücklich[3] sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“

 

Teilnehmer 5: Neun Mal kommt dieses Wort „überglücklich“ in Matthäus 5, 1-16, vor. Wir könnten von einem ganzen Bündel von Glücksfaktoren sprechen. Wir sollten sie uns genauer ansehen und prüfen, ob sie unsere Wirklichkeit bestimmen. Wir sollten uns dabei auch die Frage stellen, wann das von Jesus verheißene Glück eintritt –  zum Beispiel jetzt gleich automatisch oder bei Vorliegen bestimmter Bedingungen wie zum Beispiel der Wiederkunft Christi oder in allen Phasen des Lebens in der jeweils relevanten Form.

 

Teilnehmer 7: Ich glaube, dass Jesus unser Glück in allen Phasen unseres Lebens in der jeweils relevanten Form im Auge hat. Und dazu fällt mir Johannes 10, 10b ein: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen."

 

Teilnehmer 9: Jesus hat die Bergpredigt vor ca. 2000 Jahren gehalten. Ist denn seither von dem von ihm verkündeten Glück schon etwas auf der Erde sichtbar geworden?

 

Teilnehmer 10: Da muss sich jeder wohl mal selbst umschauen – in Geschichte und Gegenwart. Immerhin hat im Jahre 1776, also etwa 1750 Jahre später, die maßgeblich von christlichen Siedlern geprägte amerikanische Unabhängigkeitserklärung in ihrer Präambel das individuelle "Streben nach Glück" als unveräußerliches Menschenrecht festgehalten, das jede rechtmäßige Regierung zu sichern hat.[4] Seither ist diese damals vor ca. 240 Jahren neue Nation zur reichsten und mächtigsten Nation der Erde geworden.

 

Teilnehmer 8: Und sind nicht die Abschaffung der Sklaverei, die Gleichberechtigung der Frauen, Freiheitsrechte und Demokratie vor allem in christlich geprägten Nationen vorangetrieben worden, wenn auch nicht immer von erklärten Christen?

 

Teilnehmer 11: Da muss ich ergänzen, dass das relativ kleine tibetisch-buddhistische Königreich Bhutan in seiner Verfassung, die seit 2008 gilt, sogar das Grundrecht auf Glück garantiert.[5]

 

Teilnehmer 1: Wenn man so weit geht, muss man allerdings das Glück auch definieren – im Gegensatz zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, nach der jeder im Rahmen der geltenden Gesetze dem Glück nachstreben darf, das er sich persönlich vorstellt.

Teilnehmer 2: Meine Frau und ich kommen gerade von einer Reise nach Bhutan zurück, und da muss ich sagen, dass wir das grundrechtlich verbürgte Glück nicht gefunden haben. Wahrscheinlich mangelt es noch am Ausführungsgesetz. Bhutan gehört zu den allerärmsten Ländern der Welt. Das Glück wird denn auch nicht am Bruttosozialprodukts pro Kopf gemessen, sondern am "Bruttonationalglück". In letzteres fließen auch Kriterien ein wie z. B. der Schutz der Umwelt, die Bewahrung kultureller (d. h. auch Vajrayana-buddhistischer) Traditionen, good governance, öffentliche Daseinsvorsorge, Lebenserwartung etc. Das Konzept wurde vom linken britischen  Centre for Well-Being in Zusammenarbeit mit der NGO Friends of the Earth entwickelt. Nun lernt jeder Volkswirt ja bereits im ersten Semester, dass es einen interpersonellen Nutzen- bzw. Glücksvergleich nicht gibt und nicht geben kann. Das ist reine Scharlatanerie. Vielleicht liegt das Glück der Bhutaner einfach darin, dass sie ihr Leben in ihrer vertrauten buddhistischen Tradition und Kultur verbringen können und in ziemlich intakter Natur und Landschaft.[6]



[1] Vgl. zur Wortbedeutung von makarios den Auszug aus dem Menge-Güthling, Enzyklopädisches Wörterbuch der griechischen und deutschen Sprache, S. 432, in der rechten Spalte oben.

Um für unsere Ohren die Botschaft hervorzuheben, ist im Folgenden zwar der Luthertext 1984 oder 2017 verwandt, aber statt des Wortes „selig“ das Wort überglücklich eingesetzt.

Dies ist bitter nötig, denn in manch frommer Schrift begegnet uns doch eine ganz unbiblische Entgegensetzung von Bibel und Glück. Bei Samuel Keller, zitiert nach Herbert Witzel, heißt es sogar: „Im Neuen Testament steht das Wort <Glück> kein einziges Mal – da ist stattdessen Jesus eingetreten.“ Welch ein Irrtum. Jesus weiß, dass die Menschen seit dem Verlust des Paradieses sich nach dem Glück des Paradieses sehnen. Zum Glück löst Samuel Keller den vermeintlichen Widerspruch zwischen Jesus und dem Glück selber auf und fährt fort: „Wer ihn (Jesus) wirklich erlebt; der hat das Glück ....

[2] Zur Bedeutung der Zahl 50 als Zahl der Vollendung vgl. Ethelbert W. Bullinger, Number in Scripture, 1894, Reprinted Grand Rapids 1979, S. 268.

[3] Μακαριοι – Nominativ maskulin Plural von μακαριοσ. Der ganze Satz lautet auf Griechisch: μακαριοι οι πτωχοι τω πνευματι, οτι αυτων εστιν η βασιλεια των ουρανων. Ιnterlinear: Selig (sind) die Armen im Geist; denn ihrer ist das Reich der Himmel.

[4] Vgl. den Wikipedia-Artikel „Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, Stand 24. Oktober 2018, 11.02 Uhr.

[5] Vgl. die einschlägigen Wikipedia-Artikel „Grundrecht auf Glück“ (22. März 2019, 21:09 h) und „Bhutan“, abgerufen: 24. März 2019, 10:58 UTC).

[6] Dr. Hilmar Kaht, Emails vom 14.4. und 1.5.2019.

 Das Glück in Bhutan, fotografisch festgehalten von Hsiao-li Kaht:

Teilnehmer 3: Das leuchtet ein, ist aber auch mit einem empfindlichen Nachteil verbunden. Eine Volkszählung ergab nach dem bereits zitierten Wikipedia-Artikel im Jahr 1980 ein Anwachsen des nepalesischen Bevölkerungsanteils auf über 50 Prozent. Dies löste in der herrschenden Schicht Bhutans die Befürchtung aus, dass die traditionelle tibeto-buddhistische Kultur des Landes überfremdet und die Monarchie durch eine von der nepalesischen Bevölkerungsgruppe getragene Demokratie gefährdet werde. Seit 1988 betreibt die Regierung daher eine Politik der kulturellen Assimilation in Gestalt eines Gebots, den herkömmlichen Verhaltenskodex der herrschenden Gruppe zu befolgen, die nationale Kleidung der ethnischen Bhutaner zu tragen und die Sprache der Ngalongs als alleinige Amtssprache zu benutzen. In der folgenden Zeit kam es zu erheblichen Unruhen in Südbhutan, denen die Regierung mit einem verstärkten Einsatz von Armee und Polizei begegnete. Seit Mitte 1991 begann eine Kampagne der Einschüchterung und Vertreibung. Eine große Anzahl der nepalesischen Volkszugehörigen – insgesamt etwa 100.000 – flüchteten nach Nepal, wo sie noch heute in Flüchtlingslager leben.

 

Teilnehmer 2: Die realitätsverweigernde Glücksutopie übersieht darüber hinaus die zunehmende Staatsverschuldung, wachsende Landflucht und Jugendarbeitslosigkeit. Mir fällt  eine Weisheit von Theodor Fontane ein:

Das Glück - kein Reiter wird's erjagen.

Es ist nicht dort und ist nicht hier,

Lern überwinden, lern entsagen,

und ungeahnt erblüht es Dir.[1]

 

Teilnehmer 3: Klingt nicht schlecht. Wir sollten prüfen, ob Jesus in der Bergpredigt Ähnliches im Sinn hat.

 

Teilnehmer 4: Dazu möchte ich Samuel Keller zitieren: „Wer ihn (Jesus) wirklich erlebt, der hat das Glück, soweit man es jetzt im Leben genießen kann, und dem grünt die Hoffnung, dass es sich auf dieser Linie einst vollenden werde in der Glückseligkeit der Zukunft Christi auf der neuen Erde. ... Wir schauen auf den lebendigen Jesus und können sagen: Du bist unser Glück!“[2]

 

Teilnehmer 5: Das finde ich spannend -  sowohl das Glück „jetzt im Leben“ wie auch das Glück „auf der neuen Erde“. Vor allem verblüfft mich, dass wir gar nicht mit dem Himmel vertröstet werden. Das „Reich der Himmel“ ist eben das Reich Gottes auf der Erde.[3] Jesus spricht ja niemals davon, dass es darum gehe, in den Himmel zu kommen.

 

Teilnehmer 12: Vielmehr verknüpft Jesus in Matthäus 6,33, also immer noch in der Bergpredigt, das Trachten nach dem Reich Gottes damit, sich nicht um Nahrung und Kleidung Sorgen zu machen, weil unser himmlischer Vater dafür gesorgt hat. Wenn wir dessen Hinweise befolgen, sind Nahrung und Kleidung kein Problem: „33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“

 

Teilnehmer 6: „Zuerst“ – das unterstreicht noch einmal, dass die Bürgerschaft im „Reich der Himmel“ Glücksfaktor Nr. 1 ist.

 

Teilnehmer 5: Für das Glück auf der Erde?

 

Teilnehmer 1: So sieht es aus. Nach dem Verlust des Paradieses auf Erden sehnt sich doch die ganze Schöpfung nach der Wiederherstellung desselben mitsamt dem Glück darin.

 

Teilnehmer 11: Ein Schlager kommt mir in die Ohren: „Alles was wir woll'n auf Erden, wir woll'n alle glücklich werden!“  Und Jesus weiß, dass die Menschen seit dem Verlust des Paradieses sich nach dem Glück des Paradieses sehnen, so wie es die Schlagersängerin Ramona Wulf 1971 zum Ausdruck gebracht hat.[4]

 

Teilnehmer 2: Das bringt mich schon wieder zurück nach Bhutan, in dem von manchen Menschen Shangri La vermutet wird, jenes (fiktive) Tal, das James Hilton in seinem Roman „Lost Horizon“[5] beschreibt. Ich habe es nicht gefunden und es ist dort auch nicht zu finden.

 

Teilnehmer 3: Laut Wikipedia basiert Hiltons Shangri-La auf der alten östlichen Legende von Chang Shambhala (Königreich), ein tief verborgenes Paradies und das geistige Zentrum der Erde. Dieses soll erst wieder zugänglich werden, wenn die Menschheit dafür bereit ist – und nur dann, wenn einige wenige die geistige Reife besitzen, die Lehre zu verstehen und zu bewahren.

 

Teilnehmer 4: Ah! Das macht noch einmal das Revolutionäre in der Aussage Jesu klar, dass nicht den geistig Reifen, sondern den geistlich Armen das Himmelreich gehört.

 

Teilnehmer 5: Da hätte ich doch ganz gerne etwas mehr darüber gewusst, warum das Glück des Himmelreiches für die geistlich Armen reserviert ist.



[1] Theodor Fontane, Das Glück. Nachzulesen z.B. in „Projekt Gutenberg | Die weltweit größte kostenlose deutschsprachige Volltext-Literatursammlung | Klassische Werke von A bis Z.“

[2] Dieses Zitat brachte Herbert Witzel ein. Uwe Ritzmann wies in dem Zusammenhang kritisch auf einen Satz in dem einschlägigen Wikipedia-Artikel über Samuel Keller hin: „Während des Ersten Weltkrieges unterstützte Keller die deutsche Kriegsanstrengung durch eine Vielzahl von patriotisch-theologischen Vorträgen und Veröffentlichungen.“ Deswegen sei grundsätzlich darauf hingewiesen, dass erhellende Zitate von einem Autor in unseren Dialogen nicht bedeuten, dass wir – oder auch nur der Teilnehmer, der ein Zitat einbringt - allem zustimmen, was dieser Autor jemals geäußert hat. Nicht nur die Tradition, sondern auch der Zeitgeist mag sich untermischen unter das, was der heilige Geist sagt. Davor sind auch wir nicht gefeit, wenn wir nicht immer wieder die „Unterscheidung der Geister“ (1. Korinther 12, 10) und die wechselseitige kritische Beurteilung von Äußerungen (vgl. z.B. 1. Korinther 14, 29) praktizieren. (Die Gegenüberstellung von Zeitgeist und heiligem Geist ist von Dietrich Bonhoeffer übernommen.)

[3] Das wussten sogar die Kreuzritter. Vgl. den – sehenswerten - Film von Ridley Scott, „Königreich der Himmel“, gedreht 2005, mit dem – leider ziemlich ungeistlichen – Kampf um Jerusalem.

[4] Darauf wies Herbert Witzel hin. Heute lebt Ramona Wulf nach dem einschlägigen Wikipedia-Artikel mit ihrem Mann und drei Kindern in Berlin, engagiert sich in ihrer örtlichen katholischen Pfarrei und schloss 2010 mit Erfolg ihre Ausbildung zur Heilpraktikerin ab. - Ähnlich im übrigen Helene Fischer bzw. Irma Holder und Jean Frankfurter 2008 in dem Song "Mitten im Paradies":

"Himmel auf Erden

kann Wahrheit werden

wenn wir die Zeichen verstehen."

[5] Die deutsche Ausgabe „Der verlorene Horizont“ wurde dem Hauskreissekretär in einer Reihe von Kollegen während seiner Tätigkeit im Bundesverband der Deutschen Industrie von Carsten Kreklau, seinerzeit Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, zugeeignet.


Titelbild: Berg der Glücklichpreisungen in Galiläa; hier soll Jesus seine berühmte Bergpredigt gehalten haben. Foto: www.HolyLandPhotos.org; Schriftzug μακαριος und Montage: H.H.


 

 

Novizen in Bhutan.

Foto: Hsiao-li Kaht.