Glück 5.3: Die Quelle der Barmherzigkeit

Teilnehmer 6: Wir Menschen sind Geschöpfe Gottes. Wir Christen sind sogar Kinder Gottes. Gott hat die Barmherzigkeit in die Herzen aller Menschen gelegt. Er hat sie ja als sein Ebenbild geschaffen[1].

 

Teilnehmer 5: Spezifischer biblischer Beleg in Bezug auf Barmherzigkeit?

 

Teilnehmer 6: Fangen wir damit an, dass Barmherzigkeit zum Wesen Gottes gehört. In 2. Korinther 1, Vers 3-4, heißt es: „3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit[2] und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.“ Gott selbst ist der Vater der Barmherzigkeit – wenn man so will, eine Redefigur: Er ist der Urheber und die Quelle aller Barmherzigkeit.

 

Teilnehmer 5: Da lese ich im Alten und auch im Neuen Testament aber viel über Zorn und Gericht und das Ende der Barmherzigkeit.

 

Teilnehmer 6: Dem sollten wir nachgehen.

 

Teilnehmer 2: Das griechische Wort für Barmherzigkeit ist ελεος. Es bedeutet so viel wie Mitleid, Barmherzigkeit, Erbarmen[3] oder auch „aktives Mitleiden“.[4]

 

Teilnehmer 12: Wird dieses Wort auch in Matthäus 5,7 gebraucht?

 

Teilnehmer 11: Auf jeden Fall steckt die gleiche Grundbedeutung darin. Der Satz lautet: μακαριοι οι ελεημονες[5] οτι αυτοι ελεηθησονται[6]. Die Interlinear übersetzt: „Selig (sind) die Barmherzigen; denn sie werden mit Erbarmen beschenkt werden.“

 

Teilnehmer 10: Interessant scheint mir zu sein, wo das Wort zum ersten Mal in der Bibel auftaucht, also im Alten Testament.

 

Teilnehmer 9: Dazu müssten wir wissen, welches hebräische Wort dem griechischen ελεος entspricht.

 

Teilnehmer 8: Dazu hilft z.B. die „Analytical Concordance to the Holy Bible“ von Robert Young.[7] Unter dem englischen Wort „mercy“ finden wir sowohl das griechische Wort ελεεω, das in Matthäus 5,7 benutzt wird, wie das hebräischen Wort „racham“. Dies kommt in 2. Mose 33, Vers 19, vor.

 


[1] 1. Mose 1, 26-27.

[2] Die Lutherfassung übersetzt zwei unterschiedliche griechische Worte mit Barmherzigkeit, nämlich οικτιρμος (Menge-Güthling, S. 482, Bedeutung b)) und ελεος. An dieser Stelle steht die Pluralform von οικτιρμος, und zwar im Genitiv, was im Griechischen gut möglich ist, im Deutschen aber eher nicht, insbesondere, wenn man wie z.B. die Interlinear mit «Erbarmen» übersetzt. Da es an dieser Stelle um Trost geht, scheint Erbarmen treffender zu sein als Barmherzigkeit, wo es eher um ein aktives Handeln zur Linderung der Not geht als um Trost in der Not.

[3] Menge-Güthling, S. 227. Dabei ist in diesem Fall die Akzentuierung wichtig, um das Wort nicht mit dem für „Fleischbank, Anrichtetisch, Küchentisch“ zu verwechseln.

[4] Das erklärte Hans Steinbakke und verwies auf die norwegische Studienbibel.

[5] Nominativ maskulin Plural von ελεημων. Guillemette S. 132.

[6] 3. Person Plural Indikativ Futur passiv von ελεεω. Guillemette, ebenda.

[7] United Society For Christian Literature, Lutterworth Press, Guildford, London 1879, 8. Revidierte Auflage 1939, hier zitiert nach dem Druck 1977, S. 655.


 

 

Teilnehmer 9: Ich lese mal 2. Mose 33,18-19, in der Lutherfassung: „18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und er (Gott) sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des HERRN vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.

 

Teilnehmer 10: In der Septuaginta, dem Text des Alten Testaments in Griechisch, steht hier für „gnädig“ ελεω und für „erbarmen“ οικτιρω. Irgendwie scheinen diese beiden Begriffe in den verschiedenen Sprachen eng zusammen zu gehören.

 

Teilnehmer 7: Im Neuen Testament, insbesondere in Römer 9, Vers 15, wird die Aussage aus 2. Mose 33,19 aufgegriffen: „15 Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig[1]; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.[2]«  und in Vers 32 wird klar, wem Gott gnädig ist und sich erbarmt, nämlich denen, die ihm vertrauen. So lange zum Beispiel Israel versucht, aus Werken gerecht zu werden und nicht aus Glauben oder Vertrauen, kann sich Gott seiner nicht erbarmen.

 

Teilnehmer 6: Das sprachliche „Hand in Hand“ von Gnade und Barmherzigkeit jedenfalls nach der Lutherfassung haben wir auch in 2. Mose 34, Vers 6, in dem das Eigenschaftswort „rachum“ benutzt wird: „6 Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber, und er rief aus: HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, 7 der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied.“

 

Teilnehmer 5: Und auch hier finden wir in der Septuaginta für „barmherzig und gnädig“ die Worte οικτιρμων και ελεημων. Ebenso könnten wir 2. Chronik 30,9; Nehemia 9, 17 und 31, Psalm 103, 8; Joel 2,13; Jona 4,2 und wahrscheinlich noch viele andere Bibelstellen prüfen. Ich finde es auch interessant, dass die Septuaginta in Nehemia 13, Vers 22 b, das Wort ελεος verwendet.[3]

 

Teilnehmer 7: Mir scheint ein vertieftes Verständnis der schon zitierten Stellen in Römer 9 (Link) wichtig, weil dieses Kapitel oft mit der „Prädestinationlehre“[4] in Verbindung gebracht wird, und deswegen schlage ich vor, das gesamte Kapitel zu lesen, um eben auch ein vertieftes Verständnis von Gottes Barmherzigkeit zu bekommen.

 



[1] Interlinear: Ελεησω (Indikativ Futur) ον αν ελεω (Konjunktiv Präsens) – ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme. (Möglicherweise erbarme.) Vgl. Guillemette, S. 133.

[2] Interlinear: και οικτιρησω ον αν οικτιρω – und ich werde bemitleiden, wen ich bemitleide. Vgl. Guillemette, S. 289.

[3] Vgl. Septuaginta, hrsg. von Alfred Rahlfs, Editio minor, Deutsche Bibelstiftung Stuttgart 1935, S. 949 (Esdras II).

[4] Vgl. den einschlägigen Wikipedia-Artikel „Prädestination“.