Leiden 4.4: Die Reinigung des Tempels

Teilnehmer 6: Lasst uns mit dem Evangeliumsbericht nach Matthäus 21 fortfahren. Es folgt die Reinigung des Tempels: 12Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler 13und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.“

 

Teilnehmer 12: Und genau dieses Drama berichtet auch Markus in Kapitel 11, Verse 15-17: „Und sie kamen nach Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel und fing an auszutreiben die Verkäufer und Käufer im Tempel; und die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um und ließ nicht zu, dass jemand etwas durch den Tempel trage. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker«? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“

 

Teilnehmer 7: Wenn der Feigenbaum als Baum des Volkes, von dem jeder essen konnte, keine Frucht brachte, dann wird hier die Wurzel des Übels deutlich: Der Tempel bringt keine Frucht mehr. Er ist von einem Bethaus für alle Völker zur Räuberhöhle geworden. Er kann keine Frucht mehr bringen.

 

Teilnehmer 8: Woran erkannte denn Jesus, dass der Tempel zur Räuberhöhle geworden war?

 

Teilnehmer 9: Das ist schon daran zu sehen, dass die Führung des Tempels ihn nicht als Messias anerkennt, sondern ihn ermorden will. Nach Lukas 19, 41-45, weint Jesus vor der Tempelreinigung über Jerusalem.[1]

 

Teilnehmer 1: Dies haben wir dem ersten Einzug nach Jerusalem zugeordnet. Aber vielleicht könnte es auch zu dem 2. Einzug gehören.

 

Teilnehmer 9: Es kommen auf jeden Fall viele äußere Anzeichen der Verderbnis des Tempels hinzu. Es geht hier insbesondere um den Vorhof des Tempels.[2] Hier sollten die Nationen, die Völker außerhalb des Volkes Israel, anbeten. 70 Stiere für die 70 Nationen dieser Welt waren hier zu opfern. Diesen Vorhof hatten die Händler und Geldwechsler okkupiert und damit zweckentfremdet. Der Verkauf von Opfertieren hätte außerhalb stattfinden müssen  und die Opfertiere hätten einwandfrei sein müssen. Dass der Verkauf innerhalb stattfand, brachte den im Tempel Regierenden zusätzliches Geld ein. Die Käufer mussten ihr Geld in Tempelgeld umwechseln, und dabei verdiente „der Tempel“. Deswegen waren die Geldwechsler da, ein zusätzliches Gräuel. [3]

 



[1] Darauf wies Georg Schmid hin.

[2] Der ganze Tempelbezirk wird oft als Tempel (griechisch: hieron) bezeichnet, nicht nur das eigentliche Tempelhaus (griechisch naos, hebräisch bajith) in der Mitte. Vgl. Liebi, Der Messias im Tempel, S. 145, Anm. 23; S. 546 sowie Anm. 1 auf S. 547.

[3]Die Erläuterungen stammen von Georg Schmid. Alle sind aufgefordert, nach Belegen aus dem Alten Testament und aus dem erläuternden Schrifttum zu den erwünschten und unerwünschten Handlungen im Tempel zu suchen. Sehr erhellend: Roger Liebi, Der Messias im Tempel, CLV 2007, S. 213. Vgl. auch S. 224 ff. "Die zweite Tempelreinigung und die Passionswoche", wenngleich Liebi die traditionelle Vorstellung von der Kreuzigung am Freitag beibehält.

 

Teilnehmer 10: Aha. Dann wird mir auch die zunächst einmal etwas bizarre Aussage klar, dass Jesus nicht zuließ, dass jemand etwas durch den Tempel trug. Wenn der ganze Handel mit falscher Ware am falschen Platz stattfand, dann ist natürlich auch das Hin- und Hertragen der Handelsware Teil des verderbten Geschehens.

 

Teilnehmer 11: Wenn es noch eines weiteren Anlasses bedurft hätten, muss ja jetzt die Spannung zwischen Jesus und der judäischen Führung auf den Siedepunkt kommen. Das macht Markus 11, Vers 18 klar: „Und es kam vor die Hohenpriester und Schriftgelehrten, und sie trachteten danach, wie sie ihn umbrächten. Sie fürchteten sich nämlich vor ihm; denn alles Volk verwunderte sich über seine Lehre.

 

Teilnehmer 3: Die Hohenpriester und Schriftgelehrten hatten ja schon lange beschlossen, dass Jesus umgebracht werden sollte. Aber jetzt geht es um die Frage: Wie? Die Anhängerschaft Jesu war ein zu berücksichtigender Faktor.

 

Teilnehmer 4: Jetzt nähern wir uns ganz klar dem Finale.[1] An diesem 10. Nisan war das Lamm Jesus 4 Mal geprüft und gemäß 2. Mose 12,3-6 für fehlerlos befunden worden. Auch in den folgenden Tagen konnten sie ihn weder mit der Frage nach Jesu Vollmacht noch mit der Frage nach den Steuern für den römischen Kaiser noch mit der Frage nach der Auferstehung – alles berichtet in Lukas 20 und in Matthäus 21, 23-22, 46[2]  auf´s Glatteis führen. Und mit der Frage, wie denn der Messias gleichzeitig der Sohn und der Herr Davids sein kann, macht er seine Gegner vollends sprachlos. Jesus ist makellos – und reif zur Schlachtbank.

 

Teilnehmer 5: Und auch in dem Volk, das ihm mit Erstaunen zuhört, mag eine Veränderung vorgehen. Sie begrüßen ihn nicht mehr am Morgen vor den Toren Jerusalems, wenn er in die Stadt kommt, sondern sie hören ihm im Tempel zu. In Lukas 19, 47-48, heißt es: „Und er lehrte täglich im Tempel. Aber die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Angesehensten des Volkes trachteten danach, dass sie ihn umbrächten, 48 und fanden nicht, wie sie es machen sollten; denn alles Volk hing ihm an und hörte ihn.“

 

Teilnehmer 12: Doch mit Markus 11, Vers 19, endet wohl der Bericht über diesen Tag, denn es wird über Jesus und seine Jünger gesagt: Und abends gingen sie hinaus vor die Stadt.

 

Teilnehmer 1: Es folgt ein nächster Tag, der dritte Tag vor dem Schlachten des Passa oder eben der Kreuzigung Jesu, unser Passalamm. Markus 11, Vers 20: „Und als sie am Morgen an dem Feigenbaum vorbeigingen ...“.

 



[1] Das betonte Georg Schmid.

[2] Hinweis von BWL.

 

 

Titelbild: Rekonstruktionszeichnung der Königlichen Säulenhalle, in der der Markt für Opfertiere und der Geldwechsel stattfanden. Entnommen Liebi, Der Messias im Tempel, S. 210, Abbildung 82, Ritmeyer Archeological Design.