Durch Sanftmut das Erdreich besitzen – der dritte Glücksfaktor in der Bergpredigt

Teilnehmer 1: Heute wollen wir uns den dritten Glücksfaktor bewusster machen, den Jesus in der Bergpredigt hervorhebt, nämlich die Sanftmut, die zum Besitz der Erde führt. Ich lese mal Matthäus 5,5: Selig (oder überglücklich) sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“[1]

 

Teilnehmer 2: Das ist ja gewaltig. Fast hätte ich gesagt, dass Jesus da aber seinen Mund ziemlich voll nimmt.

 

Teilnehmer 3: Bevor wir uns damit auseinander setzen: Was waren noch einmal bitte die ersten beiden Glücksfaktoren der Bergpredigt?

 

Teilnehmer 1: Da lese ich am besten noch einmal die Verse 3 und 4 aus Matthäus 5: Selig (oder überglücklich) sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig (oder überglücklich) sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

 

Teilnehmer 2: Und was sollte das heißen?

 

Teilnehmer 4:  Der erste ist, dass Menschen sich ihrer geistlichen Armut bewusst sind, so lange sie nicht Bürger des Himmelreiches sind. Das Glück ist dann, Teilhaber des Himmelreiches zu sein.[2] Dieses Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Frieden und Freude im heiligen Geist.[3]

 

Teilnehmer 12: Und wir hatten hinzugefügt, dass wir uns unserer geistlichen Armut auch als Bürger des Himmelreiches bewusst sein sollten oder - genauer – in Erinnerung behalten sollten, dass geistlicher Reichtum nicht aus uns selbst kommt, sondern aus der Verbindung zum Vater über den heiligen Geist in uns. Kurz: durch das Leben im heiligen Geist.

 



[1] Im Griechischen lautet Matthäus 5,5: μακαροι οι πραεις, οτι αυθοι κληρονομησουσιν την γην. Κληρονομησουσιν ist die 3. Person Plural Indikativ Futur aktiv (Guillemette S. 241) von κληρονομεω. Nach Menge-Güthling, S. 392, bedeutet es „als Anteil oder Erbteil bekommen, Erbe sein, erben; als Anteil oder Besitz erhalten, erlangen, bekommen“. Γη bedeutet u.a. 1. Erde (als Weltkörper; im Gegensatz zu Himmel, Meer oder Unterwelt; als Erdart, Erdreich,

Erdboden, Erdstaub, Kreide; als bewohnter und bebauter Teil der Erde; 2. Land, Feld, Acker, Grundstück; Landschaft, Gebiet, Reich, Vaterland, Heimat – Menge-Güthling, S. 146.

[2] Vgl. den Dialog „Glück 1: Grenzübertritt“.

[3] Römer 14,17.

 

Teilnehmer 5: Und der zweite Glücksfaktor ist, echt zu trauern über das, was uns fehlt. Das Glück ist dann, echten Trost zu erfahren. Nur wer trauert, kann getröstet werden.[1] Das geht auch nur über den heiligen Geist, durch den Gott uns tröstet. Der heilige Geist wird ja auch von Jesus als der Tröster bezeichnet.[2]

 

Teilnehmer 6: Diese Wiederholung finde ich äußerst aufschlussreich für das Verständnis von Matthäus 5,5. Während es in Matthäus 5, 3 darum geht, dass die ursprünglich geistlich Armen, also auch wir, Bürger des (unsichtbaren) Himmelreiches werden, geht es hier darum, dass wir Anteil am Erdreich zu haben.

 

Teilnehmer 12: Und dazwischen spricht Jesus von der Trauer. Ich finde die Reihenfolge bemerkenswert. Vielleicht ist es gerade die Trauer über die geistliche Armut, die zur Sanftmut führt – jedenfalls zur Sanftmut gegenüber Gott. Und diese Sanftmut könnte ein Schlüssel sein, das Erdreich zu besitzen.

 

Teilnehmer 11: Beim Himmelreich haben wir festgestellt, dass es unterschiedliche Stadien der Teilhabe gibt. Jetzt ist es Gerechtigkeit, Frieden und Freude im heiligen Geist. Wir sollten besprechen, was es jetzt heißt, das Erdreich zu besitzen. Und was es später heißt, wenn das Himmelreich voll auf der Erde angekommen ist und nichts Verfluchtes mehr sein wird.[3]

 



[1] Matt. 5,4. Vgl. den Dialog „Glück 2: Trauer und Trost“.

[2] Johannes 14,16. Das heißt nicht, dass der heilige Geist eine Person ist. Wir personalisieren oft in unserem Sprachgebrauch eine Tätigkeit oder eine Eigenschaft. So bezeichnen wir zum Beispiel den Anlasser im Auto als Anlasser, ohne damit zu sagen, dass dieser eine Person ist. Oder wir bezeichnen den Hauptartikel auf der ersten Zeitungsseite als Aufmacher, ohne damit zu sagen, dass der Artikel eine Person ist, auch wenn wir zum Beispiel formulieren: „Der Aufmacher sagt mir, dass dieser Wahlkampf eine Schlammschlacht wird.“ Vgl. zur Redefigur der Personifikation zum Beispiel Gert Ueding, Bernd Steinbrink: Grundriss der Rhetorik, 4. Auflage J.B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2005, S. 321 f. mit Beispielen von Quintilianus, Heinrich Heine und Thomas Mann. Bemerkenswerterweise wird nirgendwo in der Bibel zum heiligen Geist gebetet oder von diesem gegrüßt, obwohl zum Beispiel Paulus sehr oft von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus grüßt.

[3] Offenbarung 22, 3a.

 

Titelfoto: Hörer der Bergpredigt – Maria und Martha am Stemweder Berg. Aufnahme: Markus Schwerdtner.