Offb. 2.2.3: Essen aus dem Holz des Lebens

 

Leonhard: Hier der Abschluss des Sendschreibens an die Gemeinde in Ephesus: „7Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“

 

Kurt: Essen vom Baum des Lebens – das kann doch wohl nichts anderes bedeuten, als dass nur die Überwinder ewiges Leben haben? Der Baum des Lebens ist doch die Quelle des ewigen Lebens.

 

Heinrich: Zu überwinden ist ein Werk. Wir werden aber nicht durch Werke gerettet zum ewigen Leben, sondern durch Glauben oder Vertrauen in die Gnade Gottes, die Gott uns durch das Erlösungswerk seines Sohnes Jesus erweist.[1] Aber nur, wer als Geretteter ein Sieger oder Überwinder des geistlichen Verfalls ist, qualifiziert sich für eine über die Rettung hinausgehende Berufung. Langenberg übersetzt wörtlich: „Dem Überwinder (Interlinear: Dem Sieger Seienden), ihm werde ich geben zu essen aus dem Holz des Lebens, das in dem Paradies Gottes ist.“ Damit werden nach Langenbergs Auffassung zwei Dinge betont:

1. Geben zu essen – die Autorität oder Vollmacht zu essen.

2. „aus“ dem „Holz“ des Baumes zu essen ist etwas anderes, als von der Frucht des Baumes zu essen. Es bedeutet, aus dem Holz des Lebens „die Lebenskraft zur Erfüllung der Paradiesmission zu beziehen, nämlich im Paradies, das heißt auf der Erde, zu herrschen.[2]

 

Kurt: Jetzt wird plötzlich nicht mehr der Bote oder Stern der Gemeinde angesprochen, sondern die ganze Gemeinde mit dem „was der Geist den Gemeinden sagt“. Wie ist das zu verstehen?

 

Heinrich: Ich finde es sehr bemerkenswert, dass hier die „Gemeinden“ im Plural genannt werden. Das scheint mir auf die Gemeinden an jedem Ort und zu jeder Zeit hinzuweisen. Der Wechsel des Adressaten vom Boten zu den Gemeinden ist natürlich auffällig. Langenberg schreibt dazu: „Das, was der Herr direkt dem Engel der Gemeinde sagt, das sagt der Geist gleichzeitig den Gemeinden insgesamt. ... Die brennende Frage auch für die Gegenwart ist: Was sagt der Geist Gottes vom prophetischen Wort her und wer hört darauf? Der Geist der Weissagung befriedigt nicht das Verlangen des sensationslüsternen Suchens  in der Apokalypse nach Orakeln oder Zukunftsdeutungen, sondern enthüllt die inneren Linien des Werdens der Gemeinde Gottes und ihrer Berufung. Sein Ziel ist die Erziehung der Überwinder.“

 

Kurt: Moodys Bibel-Kommentar weist darauf hin, dass das Griechische für „Wer überwindet“ auch mit „Wer siegt“ übersetzt werden kann.[3] Es kommt meiner Meinung nach darauf an, Jesus nicht zu verleugnen. Man muss ausharren. Kompromisse sind keine Option.

 



[1] Vgl. Römer 10, 9-10.

[2] Heinrich Langenberg, Die Apokalypse ..., S. 58 f.

[3] Interlinear: Τω νικωντι (too nikoonti) – dem Sieger Seienden.

 

Titelbild: Schäferhund spitzt die Ohren. Urheber: sssssaa, Ukraine. Pixabay.

 

 

Georg: Dem stimme ich zu. Wer einmal abfällt, hat nach dem Hebräer-Brief, Kapitel 6, keine zweite Möglichkeit. Es gibt keinen Urlaub von Jesus.

 

Heinrich: Es gibt aber doch nach 1. Johannes 1, Vers 9, jederzeit die Möglichkeit, Buße zu tun und Vergebung zu erlangen – siehe das Beispiel von Petrus mit seiner Verleugnung Jesu im Palast des Hohenpriesters.

 

Georg: Der 1. Johannesbrief sagt auch, dass derjenige, der aus Gottes Geist geboren ist, nicht sündigt. Im Hebräer-Brief steht es anders. Im Galater-Brief heißt es: „Wer im Geist wandelt, wird die Werke des Fleisches nicht vollbringen.“

 

Kurt: Das heißt meiner Meinung nach, dass derjenige, der wirklich aus Gott geboren ist, auch überwindet. Er mag nicht in allen Punkten das Richtige tun und der Vergebung bedürfen, aber er wird eben überwinden oder über seine fleischliche Natur siegen und z.B. um Vergebung bitten. Er wird zu den ersten Werken zurückkehren und die Werke der Nikolaiten hassen.

 

Heinrich: Ja, wer Jesus liebt, wird ihn vielleicht doch verleugnen wie Petrus und statt Menschen Fische fangen wollen. Er wird aber auch wie dieser in der Liebe zu Jesus bleiben und sich neu senden lassen.[1] Wer Jesus wirklich liebt, wird nicht wirklich abfallen. Aber in jedem Überwinden von Sünden oder Abwegen oder dem Siegen darüber wird er bereits etwas vom Baum des Lebens im Paradies schmecken, auch wenn er ihn erst nach der leibhaftigen Rückkehr Jesu leibhaftig sieht.

 

Meike: Die Übersetzung mit „dem Sieger Seienden“ erinnert mich an 1. Johannes 5, Verse 4-5: „4Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 5Wer ist es aber, der die Welt überwindet, wenn nicht, der da glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist?“

 

Heinrich: Und auch hier ist der Interlinear zu entnehmen, dass dort, wo die Lutherfassung vom Überwinden spricht, im Griechischen eine Form von νικη (nikä), Sieg, verwandt wird – also z.B. „“und dies ist der Sieg, der besiegt habende die Welt – unser Glaube (oder unser Vertrauen darin, dass Jesus der Sohn Gottes ist). Aber lasst uns festhalten: Es ist ein erster Sieg über die Welt, die Gnade Gottes in dem Opfer seines Sohnes Jesus anzunehmen. Es ist ein weiterer Sieg, Abwege in der Gemeinde zu überwinden.

 

Georg: So bleibt es dabei: Es geht auch heute um Erweckung und Mission, und zwar nach Micha 6, Vers 8, mit dem ganzen Evangelium: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“

 

Kurt: Lesen wir das nächste Sendschreiben, um mehr zu verstehen.

 


[1] Vgl. Johannes 21, 15-19.