Jesu Zittern und Zagen in Gethsemane - und Seine Souveränität bei der Verhaftung

Teilnehmer 6: Den direkten chronologischen Anschluss an das letzte gemeinsame Abendessen vor der Kreuzigung gibt Johannes in Kapitel 18, 1: „Als Jesus das geredet hatte, ging er hinaus mit seinen Jüngern über den Bach Kidron; da war ein Garten, in den gingen Jesus und seine Jünger.“ Matthäus in Kapitel 26, Vers 36, und Markus in Kapitel 14, 32, geben uns den Namen von diesem Garten: Gethsemane.

 

Teilnehmer 2: Ich bin erschüttert darüber, dass Jesus nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem, nach der gewaltigen Lehre über das Glauben anhand des Feigenbaumes und nach der Fußwaschung und dem Abendessen mit dem Verräter jetzt zittert und zagt.

 

Teilnehmer 3: Und er sagt nach Markus 14, 33-34, zu Petrus, Jakobus und Johannes: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet![1]

 

Teilnehmer 4: Es ist beeindruckend, wie er über seine Seele spricht. Er nimmt sie und ihre Gefühle ganz wahr und sieht doch noch eine andere Realität. Er spricht mit Abba, seinem Väterchen im Himmel. Er will der Seele das Leiden ersparen, aber noch mehr will er den Willen des Vaters tun.[2]

 

Teilnehmer 5: Wir müssen diese Passage unbedingt noch einmal lesen. Also Markus 14, 32b-38: „Und er sprach zu seinen Jüngern: Setzt euch hierher, bis ich gebetet habe. Und er nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet! Und er ging ein wenig weiter ...“

 

Teilnehmer 7: Und wie dramatisch allein das schon war; macht Lukas in  Kapitel 22, Vers 41, deutlich: „Und er riss sich von ihnen los, etwa einen Steinwurf weit[3], und kniete nieder, betete ... „

 

Teilnehmer 8: Die Dramatik steckt auch in dem Bericht des Markus, Kapitel 14, 35b-38: „... warf sich auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge, und sprach: Abba, mein Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir; doch nicht, was ich will, sondern was du willst! Und er kam und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Simon, schläfst du? Vermochtest du nicht, eine Stunde zu wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.“

 

Teilnehmer 9: Und damit ist das Ringen nicht zu Ende. Drei Mal betet Jesus. Markus 14, 39-42: „Und er ging wieder hin und betete und sprach dieselben Worte und kam zurück und fand sie abermals schlafend; denn ihre Augen waren voller Schlaf, und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kam zum dritten Mal und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Es ist genug; die Stunde ist gekommen. Siehe, der Menschensohn wird überantwortet in die Hände der Sünder. Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, der mich verrät, ist nahe.

 

Teilnehmer 10: Diese Gebete sind wirklich ein Kampf zwischen dem seelischen Verlangen Jesu,  nicht zu leiden und zu sterben, sondern durchgängig zu leben, und dem Willen Jesu, unter allen Umständen den Willen des Vaters zu tun, koste es, was es wolle – ähnlich Abraham bei der Opferung seines Sohnes Isaak, die Auferstehung vor Augen.

 

Teilnehmer 11: Ja, es ist der intensivste Gebetskampf auf Erden. Das wird noch durch die Worte unterstrichen, die wir bei Lukas, Kapitel 22, Verse 42-46, finden: „und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen. Und er stand auf von dem Gebet und kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit und sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!

 

Teilnehmer 12: Nach den drei Gebeten ist Jesus entschieden. Der Wille des Vaters ist klar, und er wird aus freien Stücken diesen Willen tun. Er wird im Blick auf die Auferstehung das Opfer bringen.[4]

 

Teilnehmer 1: Die Jünger aber wussten laut Markus 14, 40 nicht, was sie Jesus dazu sagen sollten, dass sie wieder eingeschlafen waren. Hoffentlich wissen wir es, wenn wir ihn sehen.

 

Teilnehmer 2: Mit seiner Entscheidung, in Sanftmut gegenüber dem Vater dessen Willen zu tun, hat aber Jesus seine Souveränität wieder gewonnen. Ich finde es faszinierend, wie er jetzt denen gegenüber tritt, die ihn gefangen nehmen wollen.

 

Teilnehmer 3: Das ist atemberaubend bei Johannes beschrieben. 18. Kapitel, die Verse 2-9: „Judas aber, der ihn verriet, kannte den Ort auch, denn Jesus versammelte sich oft dort mit seinen Jüngern. Als nun Judas die Schar der Soldaten mit sich genommen hatte und Knechte von den Hohenpriestern und Pharisäern, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und mit Waffen. Da nun Jesus alles wusste, was ihm begegnen sollte[5], ging er hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr? Sie antworteten ihm: Jesus von Nazareth. Er spricht zu ihnen: Ich bin's! Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen. Als nun Jesus zu ihnen sagte: Ich bin's!, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie abermals: Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Sucht ihr mich, so lasst diese gehen!“

 

Teilnehmer 4: Vier Mal redet Jesus die Menschen an, die ihn gefangen nehmen wollen. Zwei Mal fragt er sie, wen sie suchen. Zwei Mal sagt er ihnen, dass er es ist, und sie alle anderen gehen lassen sollen.[6]

 

Teilnehmer 5: Damit wird in der Tat nach Vers 9 „das Wort erfüllt“, „das er gesagt hatte: Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast.“

 

Teilnehmer 6: Die Souveränität Jesu nach seiner Entscheidung findet noch atemberaubende Steigerungen. Matthäus 26, 48-50a: „Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen genannt und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's; den ergreift. Und alsbald trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, dazu bist du gekommen?

 

Teilnehmer 7: Und Lukas ergänzt in Kapitel 22, Vers 48: „Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?“

 

Teilnehmer 8: Jetzt erst handeln die Soldaten, sind aus ihrer Schreckstarre erwacht, in die die Souveränität Jesu sie versetzt hat. Matthäus 26, 50b: „Da traten sie heran und legten Hand an Jesus und ergriffen ihn.“

 

Teilnehmer 9: Doch währenddessen kommt auch Leben in die Jünger. Lukas 22, 49: „Als aber, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, sprachen sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?

 

Lageplan Tempelberg - Kidrontal - Ölberg mit Garten Gethsemane. Entnommen von: www.theologische-links.de, Der "Garten Gethsemane" am Ölberg in Jerusalem.

 

Teilnehmer 10: Und einer von ihnen wartet die Antwort Jesu nicht ab, sondern handelt. Johannes 18, 10-11a: „Simon Petrus aber hatte ein Schwert und zog es und schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Und der Knecht hieß Malchus. Da sprach Jesus zu Petrus: Steck dein Schwert in die Scheide!“ Und nach Matthäus 26, 52b fügte er hinzu: „Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.“

 

Teilnehmer 11: Na toll. Das ist ja mal wieder eine der Schriftstellen, die mir total unverständlich sind. Wie viele Menschen mögen mit dem Schwert Menschen getötet haben und sind nicht durch´s Schwert umgekommen? Zum Beispiel König David, um einen aus der Bibel zu nehmen?

 

Teilnehmer 12: Das könnte Jesus hier aber viel weniger generell gemeint haben, als es für unsere Ohren klingt. Es kann ja doch ganz klar auf genau diese Situation seiner Gefangennahme bezogen sein.[7]

 

Teilnehmer 1: Aber dann kommt erst recht eine tolle Aussage: „Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss?“ Und ich kann noch gleich Johannes 18, 11b, anschließen: „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?

 

Teilnehmer 2: Matthäus 26, 53 ist für mich ein beglückender Vers. Jesus verzichtet auf seine übernatürliche Macht. Nur durch diesen Verzicht kann er uns erlösen.[8]

 

Teilnehmer 3: Dabei finde ich es bemerkenswert, dass Jesus diese Macht nur über unseren himmlischen Vater hat.[9]  Und unser himmlischer Vater hat nicht befohlen, dass er auf die mehr[10] als 12 Legionen Engel verzichtet. Jesus hätte sie haben können. Aber es war der Wunsch des Vaters an Jesus, sie nicht zu nehmen. Und dieser Wunsch aus der Liebe für uns heraus mit dem Ziel unserer Erlösung war für Jesus Grund genug, den Kelch zu trinken.

 

Teilnehmer 4: Ich finde diesen Macht- und Gewaltverzicht enorm. Er scheint mir von grundlegender Bedeutung für unsere Nachfolge zu sein. Wir mögen das Schwert nehmen, wenn es darum geht, zu Unrecht Angegriffene zu verteidigen.[11] Aber es ist nicht geeignet, um das Erlösungswerk Jesu fortzusetzen. Weder hatte Karl der Große das Recht, die Sachsen ihrer Freiheit zu berauben und ihre Adligen zu ermorden[12], noch hat irgendein Missionar das Recht, diejenigen, die nicht auf seinen Ruf hören, in die Mülltonne zu klopfen – mag sein Frust noch so groß sein.

 

Teilnehmer 5: Wie auch Luther nicht das Recht hatte, Schimpf und Schande, Raub, Brand und Mord über die Juden in Europa zu bringen, weil sie seiner Einladung an den Tisch des Herrn nicht folgen wollten. Und wie es auch keine wahrhaft christliche Volks- oder Staatskirche geben kann, die alle Andersglaubenden und –denkenden platt walzt oder des Landes verweist.

 

Teilnehmer 6: Zurück zum Text. Jesus nimmt ja nicht nur nicht die mehr als 12 Legionen Engel, sondern setzt seine übernatürliche Kraft nach Lukas 22, 51 für etwas ganz Anderes ein: „Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn.“

 

Teilnehmer 7: Ein Liebesdienst an den „Feinden“. Was mag das mit Malchus gemacht haben?

 

Teilnehmer 8: Weiter im Text: „Jesus aber sprach zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die zu ihm hergekommen waren: Ihr seid wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen ausgezogen. Ich bin täglich bei euch im Tempel gewesen und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.

 

Teilnehmer 9: Jesus selbst hat der Finsternis die Macht gegeben, damit unsere Erlösung geschehen kann. Das sagt Matthäus in Kapitel 26, Vers 56: „Aber das ist alles geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.“

 

Teilnehmer 10: Und auch die Flucht der Jünger ist nicht ohne Steigerung. Markus, Kapitel 14, Verse 51-52: „Ein junger Mann aber folgte ihm nach, der war mit einem Leinengewand bekleidet auf der bloßen Haut; und sie griffen nach ihm. Er aber ließ das Gewand fahren und floh nackt davon.

 

Teilnehmer 11: Und so endet diese lange Nacht in Gethsemane nach Johannes 18, 12-14: „Die Schar aber und ihr Anführer und die Knechte der Juden nahmen Jesus und banden ihn und führten ihn zuerst zu Hannas; der war der Schwiegervater des Kaiphas, der in jenem Jahr Hoherpriester war. Kaiphas aber war es, der den Juden geraten hatte, es wäre gut, ein Mensch stürbe für das ganze Volk.“

 

Teilnehmer 12: Wo befinden wir uns jetzt zeitlich nach unserer Zählung der Wochentage?

 

Teilnehmer 1: Wir befinden uns am späteren Montagabend. Nach jüdischem Zeitverständnis ist längst mit Sonnenuntergang und dem Erscheinen der ersten drei Sterne am nächtlichen  Himmel der nächste Tag angebrochen, der 12. Nisan.

 



[1] „Bleibet hier und wachet mit mir“ ist in den Schatz der Taize-Lieder eingegangen – eines der am häufigsten gesungenen Passions-Lieder im Hauskreis, das eine zeitlose Aufforderung an die Gemeinde Jesu enthält, wie sie etwa auch in Epheser 5, 15b, zum Ausdruck kommt: „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Ähnlich in Römer 13,10-11: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.“

[2] Joseph Ratzinger, Jesus von Nazareth, S. 184, zitiert dazu Joachim Jeremias: „... Er hat so mit Gott geredet wie das Kind mit seinem Vater ... „. Und Benedikt XVI fährt fort: „Es ist daher ganz abwegig, wenn manche Theologen meinen, im Ölberggebet habe der Mensch Jesus den trinitarischen Gott angesprochen. Nein, gerade hier spricht der Sohn, der allen menschlichen Willen in sich aufgenommen und in Sohneswillen umgewandelt hat.“

[3] Auf dieses Detail im Bericht von Lukas wies Hans Steinbakke hin im Vergleich der Entfernung seiner neuen Wohnung in Berlin von der Leydenallee 54..

[4] Diese endgültige Entscheidung nach dem intensiven Gebetskampf hob Georg Schmid hervor.

[5] Jetzt, nach seinen drei Gebeten, wusste er es genau.

[6] Diese ganze Dramatik hob Aha hervor.

[7] Den entsprechenden Hinweis gab Georg Schmid.

[8] Das sagte Aha.

[9] Diesen Hinweis gab Heinz Hüls. Der Vater ist Gott, der Schöpfer der Himmel und der Erde,  der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, und Gott ist einer. Jesus Christus ist nicht der Schöpfer-Gott, sondern Gottes Sohn. Wenn er – wenige, genauer gesagt vier Male – als Gott angeredet wird, dann als der oberste Repräsentant des Schpfergottes auf Erden, als das fleischgewordene Wort Gottes.

[10] Georg Schmid wies nachdrücklich darauf hin, dass Jesus mehr als 12 Legionen Engel hätte haben können.

[11] Siehe Lukas 22, 36. Jesus spricht hier mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Gethsemane. Er bereitet sie womöglich auf das vor, was da kommt. Er will ja keinen von ihnen verlieren – gerade nicht durch fremde Gewalt.Vgl. dazu auch Klaus Berger, Die Bibelfälscher, Pattloch 2013, S. 257.

[12] Hinweise im Internet, Karl der Große habe nur getauft und nicht enthauptet, vermögen nicht so recht die Belege für den „Sachsenschlächter“ zu entkräften.

 

 

 

 

Titelbild: Garten Gethsemane. Foto: Achim Möller, 2017.