Glück 6.3. Was heißt „Gott schauen“, wenn doch kein Mensch Gott sehen kann?

Teilnehmer 1: Kommen wir zunächst zurück auf „Gott schauen“. Teilnehmer 4 hat in Glück 6.1. im gleichen Atemzug auch „Gott erkennen“ genannt. Das sind aber für mich zwei verschiedene Dinge. Was ist gemeint?

 

Teilnehmer 4: Gehen wir vielleicht besser vom griechischen Wortlaut aus: μακαριοι οι καθαροι τη καρδια οτι αυτοι τον θεον οψονται. Interlinear kann Wort für Wort wie folgt übersetzt werden: 8 Selig (überglücklich) die Reinen im Herzen; denn sie Gott werden sehen.[1]

Teilnehmer 5: Jetzt haben wir außer „schauen“ und „erkennen“ auch noch „sehen“.

Teilnehmer 6: Das sind halt alles Bedeutungen, die in dem griechischen Wort οψονται stecken. Es handelt sich um die 3. Person Plural Indikativ Futur des Wortes οραω, für das Menge-Güthling alle diese und noch mehr Übersetzungsmöglichkeiten angibt. Insbesondere scheinen mir die unter I.2.b) (Aktiv, transitiv, im geistigen Sinne) hier zuzutreffen: einsehen, erkennen, innewerden, merken, begreifen.[2]

Teilnehmer 7: Gibt es einen Grund, dass Du eher nicht die Grundbedeutung «sehen, ansehen, erblicken etc.»[3] nimmst?

Teilnehmer 6: Ja, den gibt es. Wir haben ja schon Johannes 1, Vers 18, herangezogen: Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.“ Und noch deutlicher 1. Timotheus 6, Vers 16: „der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.“

Teilnehmer 8: Gilt das denn auch, wenn das neue Jerusalem nach Offenbarung 21 und 22 vom Himmel gekommen ist? Immerhin heißt es Offenbarung 21, Vers 3, dass er selbst, Gott, mit ihnen, also den Menschen, sein wird.

Teilnehmer 6: Vielleicht ist es dann anders, vielleicht auch nicht. Mir fällt dazu 1. Korinther 15, Vers 28, ein: „Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, auf dass Gott sei alles in allem.“ Was mag das heißen, dass Gott dann alles in allen ist? Heißt es nicht das, dass dann alle Erlösten gemeinsam und einschließlich ihrer Umgebung Gott verkörpern, und zwar in Reinheit, ohne Beimischungen von anderen Gedanken und Haltungen?

Teilnehmer 12: Wenn wir mit den Wortbedeutungen nicht recht weiter kommen, dann schauen wir uns doch Beispiele aus der Bibel an, wie Menschen Gott geschaut haben, ohne ihn körperlich zu sehen.

Teilnehmer 11: An wen oder was denkst Du denn da?

Teilnehmer 12: Als erstes fällt mir Mose ein. Gerade da, wo von dieser Schau die Rede ist, geht es vorher auch um die Barmherzigkeit Gottes – so, als ob Jesus in der Reihenfolge seiner Glücklichpreisungen von „Barmherzigkeit“ zu „Gott schauen“ es von dort übernommen hätte?

Teilnehmer 10: Kapitel und Verse?

Teilnehmer 12: 2. Mose 33, 11-23: „Der HERR aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet. Dann kehrte er zum Lager zurück; aber sein Diener Josua, der Sohn Nuns, ein junger Mann, wich nicht aus dem Zelt. 12 Und Mose sprach zu dem HERRN: Siehe, du sprichst zu mir: Führe dies Volk hinauf!, und lässt mich nicht wissen, wen du mit mir senden willst, wo du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. 13 Hab ich denn Gnade vor deinen



[1] Interlinear Bibel, Bible Free Download, urheberrechtlich ungeschützte Bibelübersetzungen.

[2] Menge-Güthling, S. 496. Insbesondere α) erfahren, erleben, finden.

[3] Ebenda, I.2.a.

 

Titelbild: Mose vor dem brennenden Busch. Holman Bible 1890. Urheber: Illustratoren  der Holman Bible 1890. http://thebiblerevival.com/clipart/1890holmanbible/bw/mosesandtheburningbush.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8845245

 

 

Augen gefunden, so lass mich deinen Weg wissen, damit ich dich erkenne und Gnade vor deinen Augen finde. Und sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist. 14 Er sprach: Mein Angesicht soll vorangehen; ich will dich zur Ruhe leiten. 15 Mose aber sprach zu ihm: Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf. 16 Denn woran soll erkannt werden, dass ich und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben, wenn nicht daran, dass du mit uns gehst, sodass ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind? 17 Der HERR sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen.“

Und jetzt kommt´s, nämlich Gnade und Erbarmen und das Schauen: „18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des HERRN vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. [1]20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“

Teilnehmer 9: Mir fällt noch Elia ein, bei dem es irgendwie ähnlich ist. Lesen wir noch 1. Könige 19, 11-18: „11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.[2] 13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia? 14 Er sprach: Ich habe für den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir das Leben nehmen. 15 Aber der HERR sprach zu ihm: Geh wieder deines Weges durch die Wüste nach Damaskus und geh hinein und salbe Hasaël zum König über Aram 16 und Jehu, den Sohn Nimschis, zum König über Israel und Elisa, den Sohn Schafats, von Abel-Mehola zum Propheten an deiner statt. 17 Und es soll geschehen: Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den soll Jehu töten, und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den soll Elisa töten. 18 Und ich will übrig lassen siebentausend in Israel, alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküsst hat.“

Teilnehmer 8: Auf diesem Hintergrund – und ich hebe noch einmal 2. Mose 33, 11 und 20 hervor, wo die Lutherfassung mit den gleichen Worten klar macht, dass Mose zwar mit Gott „von Angesicht zu Angesicht“, also unmittelbar redet, und doch nicht Gottes Angesicht sieht - möchte ich gerne auf Matthäus 5, Vers 8, zurückkommen. Noch zu seinen Lebzeiten als von einer Frau geborener Mensch hier auf der Erde hat Jesus seinen Jüngern gesagt, dass die, die reinen Herzens sind, Gott schauen oder erkennen, obwohl sie ihn wörtlich nicht sehen. Das entnehme ich dem 14. Kapitel des Johannes-Evangeliums.

Teilnehmer 7: Dann lesen wir doch mal Johannes, Kapitel 14.

 

 

 


[1] Dass diese Aussage nichts, aber auch gar nichts mit Willkür zu tun hat, haben wir bereits in „Glück 5. Barmherzigkeit“ diskutiert.

[2] Aha wies zu diesem Vers auf die NBH-Übersetzung (Neue Bibel heute) hin: Und nach dem Feuer kam der Ton eines dahinschwebenden Schwingens. In allem still geworden. Das können wir nicht produzieren. Es wird uns nach Jesu Verheißung geschenkt. Ähnlich wie „der Geist Gottes schwebte über den Wassern“.