Leiden 5.8: Die Trennung vom Fürsten dieser Welt

Teilnehmer 12: Leider scheint das dabei stehende Volk nicht zu verstehen, um was es geht, wenn die Stimme vom Himmel in Johannes 12, 28, sagt: „Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.“ Johannes 12, 29: „Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es hat gedonnert. Die andern sprachen: Ein Engel hat mit ihm geredet.“

 

Teilnehmer 1: Dabei geht es um die Trennung vom Fürsten dieser Welt, vom Teufel: „30Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. 31Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt[1]; nun wird der Fürst dieser Welt[2] ausgestoßen werden. 32Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. 33Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.“

 

Teilnehmer 2: Ich verstehe nicht. Hier steht so viel Theologisches.[3]

 

Teilnehmer 3: Hier ist vom Gericht über diese Welt die Rede. Mit Gericht wird hier in der Lutherfassung das griechische Wort κρισις (Krisis) übersetzt. Es bedeutet in erster Linie Scheidung, Trennung, aber auch Entscheidung, Beurteilung, Untersuchung, Prozess, Urteil.[4] „Trennung“ scheint mir hier eine angemessene Übersetzung zu sein, denn „der Fürst dieser Welt wird ausgestoßen werden.“

 

Teilnehmer 4: Aha. Und weil der Fürst dieser Welt, also der Teufel, ausgestoßen wird, kann Jesus alle zu sich ziehen.

 

Teilnehmer 2: Ja, dadurch, dass er erhöht wird von der Erde. Aber was bedeutet das?

 

Teilnehmer 5: Jesus spricht offensichtlich von seiner Kreuzigung als einem Erhöhen von der Erde. Das sagt der folgende Vers.

 

Teilnehmer 6: Ich möchte dazu auch auf Johannes 3, 14 hinweisen, wo der Ausdruck „erhöht“ genau in diesem Sinne verwand wird: „14Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, 15damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“[5]

 

Teilnehmer 7: Was war denn mit Mose und der Schlange?

 

Teilnehmer 8: Lesen wir 4. Mose 21, 4-9: „4Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier und uns ekelt vor dieser mageren Speise. 6Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben. 7Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.“

 



[1] Griechisch: Kosmos.

[2] Griechisch: Kosmos.

[3] Das bemerkte BWL 2018.

[4] Vgl. Menge-Güthling, S. 405.

[5] Diesen Hinweis gab Georg Schmid.

 

 

Titelbild: Die eherne Schlange des Mose, mit dessen Aufrichtung sich Jesus in der Kreuzigung vergleicht. Der Blick auf das Kreuz macht wie der Blick auf die eherne Schlange den Todesbiss der Teufelsschlangen unwirksam. Gemälde von Francesco Campora - Acervo de Obras de Arte Europeia em Coleções Brasileiras (Plus Ultra): info; image, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30562273

 

Teilnehmer 8: Oh, ich verstehe. Durch Christus am Kreuz wie die Schlange an der Stange erhalten alle Menschen eine Chance, sich ihm anzuschließen und – nunmehr – ewig am Leben zu bleiben. Er wird alle zu sich ziehen. Ewiges Leben werden aber nur die haben, die ihn in Demut ansehen und an ihn glauben werden. Mit dem Fürsten dieser Welt aber, dem Teufel, ist es aus. Und mit denen, die ihm und seiner Rebellion weiter anhängen.

 

Teilnehmer 3: So ist es. Das Volk aber beißt sich nach Johannes 12, 34, an einer anderen Frage fest: „Da antwortete ihm das Volk: Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?“

 

Teilnehmer 4: Hochinteressant. Die scheinen nicht nur zu verstehen, was es heißt, erhöht zu werden. Nun ja, die kennen ja auch 4. Mose und das ganze Gesetz. Und sie scheinen auch gehört zu haben, dass Jesus von sich als dem Menschensohn redet. Aber noch bekommen sie nicht die zwei Stränge der Vorhersagen über den Messias zusammen – den Ben Josef auf der einen Seite, den Leidensknecht, der in die Sklaverei verkauft wird und den sein Vater für tot hält, und den Ben David auf der anderen Seite, der das Königtum Davids für immer aufrichtet.[1]

 

Teilnehmer 12: Noch dramatischer finde ich Jesu Antwort. Jesus fordert abermals zur Entscheidung auf: „35Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. 36Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“

 

Teilnehmer 5: Doch es ist im Großen und Ganzen vergeblich. Johannes 12, 36b ff: „Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. 37Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn, 38damit erfüllt werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn[2] offenbart?« 39Darum konnten sie nicht glauben, denn Jesaja hat wiederum gesagt (Jesaja 6,9-10): 40»Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und ich ihnen helfe.«[3] 41Das hat Jesaja gesagt, weil er seine Herrlichkeit sah und redete von ihm.“

 

Teilnehmer 6: Ein spezieller Fall sind manche von den Oberen der Juden: „42Doch auch von den Oberen glaubten viele an ihn; aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, um nicht aus der Synagoge ausgestoßen zu werden. 43Denn sie hatten lieber Ehre bei den Menschen als Ehre bei Gott.“

 

Teilnehmer 7: Um so leidenschaftlicher appelliert Jesus: „44Jesus aber rief: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat. 45Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat. 46Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe. 47Und wer meine Worte hört und bewahrt sie nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette. 48Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht an, der hat schon seinen Richter: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.[4] 49Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll. 50Und ich weiß: sein Gebot ist das ewige Leben. Darum: was ich rede, das rede ich so, wie es mir der Vater gesagt hat.“

 

Teilnehmer 8: Und damit kommt Jesus nach Jerusalem hinein, ohne an diesem Tage viele weitere Worte zu machen. Markus 11,11: „Und Jesus ging hinein nach Jerusalem in den Tempel und er besah ringsum alles, und spät am Abend ging er hinaus nach Betanien mit den Zwölfen.“

 



[1] Hinweise von Georg Schmid 2018.

[2] In Jesaja 53, 1 schreibt die Lutherfassung 2017 natürlich HERR in Großbuchstaben, um anzuzeigen, dass Gott gemeint ist.

[3] Georg Schmid weist zu Recht darauf hin, dass nach dem aramäischen Neuen Testament nicht Gott der Urheber der Blindheit und Verstockung ist. George Lamsa übersetzt: „Their eyes have become blind and their hearts darkened, so that they cannot see with their eyes and understand with their hearts; let them return and I will heal them.“ George M. Lamsas translation from the Aramaic of the Peshitta, Harper & Row. Zitat in Deutsch: „Ihre Augen sind blind geworden und ihre Herzen verstockt, so dass sie mit ihren Augen nicht sehen können und mit ihrem Herzen nicht verstehen; lass sie umkehren und ich will sie heilen.“ Entsprechend übersetzt Karlheinz Vanheiden, NeÜ: “So kommt es, dass ihre Augen nicht sehen ...“ Vgl. auch Lukas 13,34: ... „ihr habt nicht gewollt!“

[4] Das Gericht kommt nicht von Gott. Es ist stets ein Selbstgericht angesichts der - für manche unerträglichen - Liebe und Gnade Gottes.