Advent 1.6: Lazarus in Abrahams Schoß? – Keine Kommunikation mit den ToteN!

Teilnehmer 11:  Die ja schon tauto-logisch anmutende Feststellung des Predigers, Kapitel 9, dass die Toten tot sind (vgl. Dialog Advent 1.4), wird auch nicht durch das Johannes-Evangelium erschüttert. Sie ist denn doch wohl richtig. Aber es gibt noch eine besonders delikate von Scofield genannte Stelle, nämlich Lukas 16, 19-31. Lesen wir am besten gleich, was geschrieben steht.

 

Teilnehmer 8: Das ist doch die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus. Meinetwegen kommen die sterbenden Gläubigen nicht gleich in den Himmel oder – wie hier offenbar vertreten wird – in das Reich Gottes oder das Himmelreich auf Erden. Aber was passiert in der Zwischenzeit zwischen Tod und Auferstehung? Weil dem Tod die Macht genommen ist, kommen wir doch sofort, wenn wir sterben, in eine Art Zwischenreich, auch genannt Abrahams Schoß?

 

Teilnehmer 9: Auch diese Art von Trost gibt uns die Bibel nicht. Nach 1. Thessalonicher 4,18 ist die Auferstehung bei der Rückkehr Christi unser Trost, wenn es um den Tod uns nahestehender oder auch fernstehender Menschen geht oder gar um den eigenen, und nichts anderes.

 

Teilnehmer 10: Aber wir kennen doch alle diese Erzählung von Jesus über den reichen Mann und den armen Lazarus. Während der Reiche nach seinem Tod in der Hölle oder meinetwegen in der ungünstigen Ecke im Totenreich schmort, sitzt der arme Lazarus bereits glückselig in Abrahams Schoß.

 

Teilnehmer 11: Sollte denn Abraham schon, wenn nicht im Himmel, so vielleicht doch in einer Art Zwischenreich sein? Und quasi der Oberherr desselben? David ist jedenfalls nach Apostelgeschichte 2, 29 nicht dort. Und erinnern wir uns nicht an die Verführung durch die Schlange? Sagte sie nicht: „Ihr werdet keineswegs des Todes sterben?“[1] Verkaufte sie nicht das, was den Tod bringt, als Klugheit? Ja, sogar als „wie Gott sein“? Haben wir die Lektion immer noch nicht gelernt?

 

Teilnehmer 12: Am besten gehen wir den Text über den reichen Mann und den armen Lazarus Vers für Vers durch, um dahinter zu kommen, was gemeint ist.

 

Teilnehmer 1: Um diese Geschichte richtig in den gesamten Zusammenhang einzuordnen, beginnen wir am besten schon in Vers 13: Kein Knecht kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

 

Teilnehmer 2: Hm. Da bin ich ja gespannt, was die Entscheidung zwischen Gott und Mammon damit zu tun hat, wo die Toten bleiben.

 

Teilnehmer 3: Zunächst einmal geht es um die Pharisäer: „14 Das alles hörten die Pharisäer, die am Geld hingen, und sie spotteten über ihn.“

 

Teilnehmer 4: Oh. Offenbar fühlen sich die Pharisäer angesprochen. Sie behaupten zwar, dass es ihnen darum geht, dass unter allen Umständen das Gesetz des Mose eingehalten wird. Aber Lukas sagt von ihnen, dass sie geldgierig sind. Wenn nun Jesus sagt, dass man sich entscheiden muss, ob man durch Geldgier dem Mammon dienen will oder ob man Gott dienen will, dann müssen sie sich entlarvt fühlen. Das verdecken sie aber. Sie reagieren mit Spott.

 

Teilnehmer 5: Daraufhin deckt Jesus die Widersprüchlichkeit der Pharisäer auf: 15 Und er sprach zu ihnen: Ihr seid's, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen. Denn was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Gräuel vor Gott.“

 

Teilnehmer 6: Wieso deckt Jesus damit die Widersprüchlichkeit der Pharisäer auf?

 

Teilnehmer 7: Na, im Grunde sagt Jesus doch: Vor den Menschen kriegt ihr es zwar hin, dass sie denken, wie rechtschaffen ihr seid und wie wunderbare gesegnete Männer Gottes. Ihr wisst eure Geldgier so gut unter dem Deckmantel der Frömmigkeit zu verbergen, dass man euch für von Gott gesegnet hält. Aber Gott kennt eure Herzen. Er weiß, dass eure Geldgier euch treibt, euch mit unlauteren Mitteln zu bereichern, indem ihr die Weisungen Gottes verdreht.

 

Teilnehmer 8: Vielleicht gibt uns der noch weitere Kontext noch mehr Aufschluss. Vorausgegangen sind in Lukas 15 die Erzählungen Jesu über den verlorenen Groschen, das verlorene Schaf und den verlorenen Sohn. Dann kommt in Kapitel 16 die Sache mit dem „ungerecht“ genannten Verwalter und es geht um die Treue mit eigenem und mit anvertrautem Gut. Und dabei steht wiederum die Treue gegenüber Gott zur Diskussion bzw. die Entscheidung zwischen Gott und dem Mammon. Darüber spotteten die geldgierigen Pharisäer. Und dann spricht Jesus zu den Pharisäern.

 

Teilnehmer 9: Aber was will er den Pharisäern mit alledem sagen?

 

Teilnehmer 10: Jesus hat gerade erklärt, dass Gott alles daran liegt, dass die verloren gegangenen Kinder zu ihm zurückkehren. Dass er sie nicht fragen und kritisieren wird, wenn sie bei ihm eintreffen, sondern ein Fest veranstaltet und sie mit Autorität und Kraft, dargestellt im Ring und im Mantel,[2] ausstattet. Und dass es darum geht, sich auch mit dem ungerechten Mammon, dem Geld, das mal diesem, mal jenem zufällt, Freunde zu machen, „damit, wenn er – der Mammon - zu Ende geht, sie[3] euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“

 

Teilnehmer 11: Darüber spotten anscheinend die Pharisäer, die das Geld offenbar um seiner selbst willen lieben und nicht, um sich damit im Blick auf die ewigen Hütten Freunde zu machen.

 

Teilnehmer 12: Ja, Jesus nennt sie selbstgerecht. Sie rechtfertigen sich selbst. Aber, sagt er, Gott, der durch ihre Fassade hindurch in ihr Herz sieht, dem sind sie ein Gräuel. Das begründet er mit ihrer Haltung zum Gesetz. Sie erkennen nicht, dass das Gesetz und die Propheten bis zu Johannes dem Täufer reichen. Und das es jetzt um das Reich Gottes geht. Und das demonstriert Jesus an der Ehescheidung, die Mose um ihrer Herzen Härte willen erlaubt hat, die Jesus aber Ehebruch nennt. Wie bei der Entscheidung zwischen Mammon und Gott geht es um Treue und Hingabe – ja, die Treue und die Hingabe an Gott und sein Reich spiegeln sich in nichts mehr als in der Treue und Hingabe an den Ehepartner.[4]

 

Teilnehmer 8: Dann folgen aber zwei Sätze, die ich gar nicht verstehe: „16 Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt mit Gewalt hinein.“

 

Teilnehmer 1: Diese Sätze scheinen auch mir sehr vielschichtig zu sein, um es gelinde zu sagen. Das Wichtigste scheint mir zu sein: Mit Jesus beginnt ein völlig neuer Abschnitt in der Heilsgeschiche Gottes mit den Menschen. Die Ära des Gesetzes und der Propheten kommt mit Johannes dem Täufer zum Abschluss. Etwas Neues und Größeres beginnt mit dem Evangelium vom Reich Gottes, mit dem ganz andere, unvergleichlich bessere Verhältnisse geschaffen werden.

 

Teilnehmer 9: Im Kontext geht es um die Auseinandersetzung mit den Pharisäern. Der Satz erinnert an die Bergpredigt. Jesus in Matthäus 5, Vers 20: „Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“

 

Teilnehmer 2: Das Reich Gottes ist so attraktiv, dass jeder, der darüber Bescheid weiß, unbedingt hinein will. Aber natürlich nützt es nichts, mit Gewalt hineinzudrängen. Auf keinen Fall reicht die Gerechtigkeit nach Art der Pharisäer.

 

Teilnehmer 10: Mit anderen Worten: Bisher konntet ihr euch hinter eurer Interpretation von Mose und den Propheten verstecken. Das ist jetzt vorbei. Jetzt geht es nicht mehr darum, dem Gesetz irgendwie Genüge zu tun. Jetzt ist die Liebe im Reich Gottes der Maßstab. Da kommt man zum Beispiel mit dem Scheidebrief aus Gründen der „Härte der Herzen“[5] nicht mehr durch.

 

Teilnehmer 11: Und dabei macht Jesus deutlich, dass die Liebe nicht hinter dem Gesetz des Mose zurück bleibt, sondern darüber hinaus geht und die ursprüngliche Absicht Gottes verwirklichen will: „17 Es ist aber leichter, dass Himmel und Erde vergehen, als dass ein Tüpfelchen vom Gesetz fällt. 18 Wer sich scheidet von seiner Frau und heiratet eine andere, der bricht die Ehe; und wer die von ihrem Mann Geschiedene[6] heiratet, der bricht auch die Ehe.“

 

Teilnehmer 12: Da können sich die Pharisäer aber leicht verteidigen. Mose hat ja nun einmal eben wegen der Härte der Herzen zugelassen, dass der Mann der Frau aus beliebigen Gründen einen Scheidebrief gibt.

 

Teilnehmer 1: Na, Mose hat nach 5. Mose 24,1 zugelassen, dass der Mann seiner Frau einen Scheidebrief gibt, wenn er etwas Schändliches an ihr findet. Dieses Schändliche ist ganz klar der Ehebruch – der aber durch Vergebung geheilt werden kann. Die Pharisäer und Schriftgelehrten jedoch haben lange Abhandlungen darüber mündlich oder schriftlich verfasst, was sonst noch alles als schändlich gelten und damit Grund für eine Scheidung sein kann – bis hin zum Essen, das die Frau zubereitet, aber dem Mann nicht schmeckt.

 

Teilnehmer 2: In dieser Auseinandersetzung mit den Pharisäern über den Geist des Gesetzes bzw. die Absicht Gottes mit dem Gesetz und die Verfälschung der göttlichen Absicht durch die Pharisäer greift Jesus jetzt ein ganz anderes Thema auf, das in der Lehrtätigkeit der Pharisäer eine ziemliche Rolle spielt: „19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.“

 

Teilnehmer 3: Dieser arme Lazarus war also nicht nur arm, sondern auch krank. Infektiös. Den konnte der Reiche nicht in sein Haus nehmen. Immerhin ließ er ihn vom dem leben, was „von seinem Tisch fiel“, also von den Resten.

 

Teilnehmer 4: Weiter im Text: 22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß[7]. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der Hölle war,“

 

Teilnehmer 1: Stopp mal. Hier ist wieder von der Hölle die Rede. Sind wir damit schon wieder beim ewigen Feuer nach Auferstehung und Gericht?

 

Teilnehmer 2: Nein, das ist hier nicht so. Die Lutherfassung gebraucht hier zwar dasselbe Wort „Hölle“, aber im Griechischen ist diesmal vom Hades die Rede, was dem sheol, also dem Totenreich, entspricht und nicht dem gehenna, dem ewigen Feuer.

 

Teilnehmer 4: Hm. Ich lese weiter: „hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.“

 

Teilnehmer 5: Klingt so, als ob sich Abraham wie ein Großvater und Lazarus wie ein kleines Kind verhält.

 

Teilnehmer 6: Weiter: „24 Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein.“

 

Teilnehmer 1: Das klingt ja geradezu nach einem Ammenmärchen.[8] Obwohl Mose so viele Weisungen gibt, damit es dem Menschen gut geht, wird hier der Wohlstand auf Erden zur Begründung für Qualen nach dem Tod. Und andererseits reichen Armut und Krankheit, um nach dem Tod ein angenehmes Leben in Abrahams Schoß zu haben.

 

Teilnehmer 9: Mit der Bezeichnung „Ammenmärchen“ wäre ich vorsichtig. Manche meinen, dass Jesus in seiner Erzählung tatsächlich die Gegebenheiten im Totenreich beschreibt. Sie machen das daran fest, dass Jesus konkrete Namen wie Abraham und Lazarus benutzt, was er sonst in seinen Gleichnissen nicht tue. Andere meinen, es sei ein Gleichnis, in dem er die Vorstellungen der Pharisäer ironisiert.  Sie weisen darauf hin, dass nach einem alten biblischen Text, dem Codex Bezae Cantabrigiensis, Lukas 16,19 mit den  Worten beginnt: "Und er sagte auch noch ein anderes Gleichnis".

 

Teilnehmer 12: Aber geht es denn hier nicht tatsächlich um die Unbarmherzigkeit des Reichen? Hätte er ihm nicht besseres Essen als nur die Reste, sozusagen die abgelaufenen Sachen für die „Tafel“, geben müssen? Und ihn in sein Haus aufnehmen müssen?

 

Teilnehmer 11: Wir haben schon festgestellt, dass er bekommt, was übrig bleibt, und schon wegen der Ansteckungsgefahr konnte er nicht ins Haus aufgenommen werden.

 

Teilnehmer 10: Aber es könnte schon darum gehen, die Geldgier der Pharisäer zu spiegeln. Falls es nämlich die geldgierigen Pharisäer sind, die diese Geschichte gerne erzählen, ist es eine Geschichte, die bezwecken soll, Neid auf den eigenen Wohlstand oder gar eine Revolution wegen unterschiedlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen. Je schlechter es einem geht, desto besser wird es ja in Abrahams Schoß. Und die Reichen werden büßen.

 

Teilnehmer 2: Heinrich Heine fällt mir ein: „Sie predigen Wasser und trinken Wein.“ Sie vertrösten auf das Jenseits, um im Diesseits nicht zu helfen. Doch das Jenseits, das sie erfinden, gibt es möglicherweise gar nicht. Sie erfinden es halt, weil sie geldgierig sind. Deswegen erzählt Jesus ihnen die Geschichte und macht damit auch ihre Art der Vertröstung zunichte. Es gibt im Totenreich keine Kompensation dafür, ob jemand auf Erden Gutes oder Schlechtes erlebt hat. Es gibt auch keine Unterhaltung darüber. Gutes und Schlechtes zu erleben ergibt sich aus Zufall,  aus den Umständen und dem persönlichen Glauben.

 

Teilnehmer 4: Das „Ammenmärchen“ geht weiter: „26 Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.“ Im Gesetz des Mose und in den Propheten gibt es solche Schilderungen über Abrahams Schoß und die Kommunikation nach dem Tod über irgendwelche Klüfte im Hades hinweg nicht. Wie sollte denn auch jemand sprechen, wenn er keinen Körper und damit auch keine Stimmbänder hat? Bekommt er doch erst in der Auferstehung wieder einen Körper – so wie unser Herr einen bekommen hat bei seiner Auferstehung als Erstling von den Toten.

 

Teilnehmer 1: Vor Jesus gibt es niemanden, der von den Toten auferstanden ist, ohne irgendwann wieder gestorben zu sein. Und bemerkenswerterweise haben die ins Leben zurück Geholten wie der Jüngling zu Nain oder Jesu Freund Lazarus – ein anderer als der hier in der Schilderung von Jesus genannte – nie von Erlebnissen im Totenreich berichtet. Selbst Jesus tat das nicht nach seiner Auferstehung. Auch insofern dürfte die Unterhaltung zwischen dem reichen Mann und Abraham nie tatsächlich stattgefunden haben.

 

Teilnehmer 3: Ich möchte aber doch noch einen Augenblick in der Geschichte bleiben. Danach wäre doch Einiges los im Totenreich. Es gäbe zwei Abteilungen, die durch eine unüberwindbare Kluft getrennt sind, aber man kann jeweils in den anderen Teil sehen und man kann miteinander reden. In dem einen Teil, in Abrahams Schoß, hocken die, die auf der Erde Böses empfangen haben, und werden  getröstet. In dem anderen Teil hocken diejenigen, die auf der Erde Gutes empfangen haben, und werden jetzt gepeinigt.

 

Teilnehmer 4: Und genau das ist doch recht seltsam. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass Gott will, dass es uns auf Erden gut geht. Jesus heilte am laufenden Band.

 

Teilnehmer 5: Bei den vielen Verheißungen in der Bibel für Gesundheit und Wohlstand hier auf Erden sollten wir fragen, ob es im weiteren Text etwa auf etwas ganz Anderes hinausläuft. Lesen wir also besser weiter. In Vers 27 von Lukas 16 verlangt der reiche Mann auch noch Kommunikation zwischen Toten und Lebendigen, obwohl die in 5. Mose 18, 11[9] strikt verboten ist: „27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.“

 

Teilnehmer 3: Merkwürdigerweise sagt der reiche Mann nicht, wovor die Brüder gewarnt werden sollen. Davor, dass sie es sich gut gehen lassen?

 

Teilnehmer 6: Aber jetzt bringt Jesus die Geschichte auf den Punkt. Er lässt den von den Pharisäern fälschlicherweise bemühten Abraham etwas sagen, was doch die Pharisäer vor sich her tragen, aber nicht praktizieren. „29 Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.“

 

Teilnehmer 7: Und jetzt setzt Jesus in seiner Erzählung noch einen Klotz oben drauf, indem er den reichen Mann seinen Vorschlag kontra Mose wiederholen lässt: „30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.“

 

Teilnehmer 1: Da sind wir wieder beim Thema Buße. Und das ist der Punkt: Tote sollen jetzt wieder lebendig werden oder auferstehen, damit Lebende jetzt Buße tun. Das ist ein sehr  schwerwiegender Abweg in Gottes Augen, der Mose und die Propheten bis hin zu Johannes dem Täufer für die Buße, also das Umdenken und die Umkehr, hat reden und schreiben lassen.

 

Teilnehmer 8: Und dann schließt Jesus die Geschichte mit einem wahrhaft prophetischen Wort ab, dass er in kaum zu überbietender Ironie Abraham in den Mund legt, so wie die Pharisäer fälschlicherweise Abraham und den reichen Mann im Totenreich reden lassen: „31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“

 



[1] 1. Mose 3, 4-6.

[2] Vgl. Lukas 15, 22.

[3] Wer ist „sie“ eigentlich? Werden diejenigen, denen mit dem „Mammon“ geholfen wurde, zu Fürsprechern? Diese Frage sollte an anderer Stelle vertieft werden.

[4] Vgl. Epheser 5, 21-33.

[5] Vgl. Matthäus 19, 3-12.

[6] Schuldig Geschiedene.

[7] Arnold G. Fruchtenbaum, der die Auffassung vertritt, dass die Seelen der Gestorbenen entgegen Prediger 9 bei Bewusstsein sind und sprechen können etc, sagt zum Begriff „Abrahams Schoß“ in „Die Ergänzung zum Handbuch der biblischen Prophetie“, Gerth Medien 2007, S. 221 f. Folgendes: „Während dieser Begriff in den rabbinischen Schriften durchaus gebräuchlich ist, finden wir ihn in der Heiligen Schrift nur in Lukas 16, 22-23 .... Der Ausdruck „Abrahams Schoß“ ist eine Redewendung, die einen Gast bei einem Fest beschreibt, der sich an die Brust seines Nachbarn zurücklehnt. ... Es ist ein geflügeltes Wort für einen Gast bei einem Fest, der sich an die Brust seines Nachbarn oder seines Gastgebers zurücklehnt.“ Gelegentlich wird dieses geflügelte Wort auch heute noch bei uns gebraucht: Es geht ihm wie in Abrahams Schoß. Es ist sprachlich ein Vergleich oder eine Metapher. Die Anwesenheit von Abraham ist dafür nicht erforderlich, ja, sie anzunehmen, geradezu absurd. Dem Betreffenden geht es so gut, wie wenn er sich bei einem Fest an Abrahams Brust als eines exzellenten Gastgebers anlehnen könnte, der ihm wie den drei Männern, die ihn besuchten, das allerbeste Böcklein auftragen lässt.

So verwundert es nicht, wenn gesagt wird, dass wir im „neuen Jerusalem“ wie in Abrahams Schoß sein werden: „Und dann hab´ ich gelesen und gefunden den Messias, von dem Mose im Gesetz und die Propheten haben geschrieben. Und nun warten die Taibele und ich, bis er uns bringt heim ins richtige Jerusalem, in Abrahams Schoß.“ Aus: „Die ganz große Liebe“. Hänssler 1998; hier „Die Reise nach Jerusalem“.

[8] Vgl. Paulus in Titus 1, 10-14: „10 Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden,  11 denen man das Maul stopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren, was nicht sein darf, um schändlichen Gewinns willen.  ... Aus diesem Grund weise sie scharf zurecht, damit sie gesund werden im Glauben  14 und nicht achten auf die jüdischen Fabeln und die Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden.“

[9] Vgl. auch Jesaja 8,19.

 

Teilnehmer 9: Und dann schließt er in Kapitel 17 eine Warnung vor Verführung an seine Jünger und damit auch an uns an: „1 Er sprach aber zu seinen Jüngern: Es ist unmöglich, dass keine Verführungen kommen; aber weh dem, durch den sie kommen! 2 Es wäre besser für ihn, dass man einen Mühlstein um seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer, als dass er einen dieser Kleinen zum Bösen verführt.“

 

Teilnehmer 10: Bitte noch einmal für mich: Was ist denn die Verführung, um die es hier geht?

 

Teilnehmer 11: Die Pharisäer nehmen dem Gesetz des Mose durch ihre Traditionen der Auslegung und zu ihrem eigenen geldgierigen Vorteil ihren Sinn und Zweck. Demgegenüber richtet Jesus das Gesetz auf – das Gesetz des Königreiches der Himmel, das Gesetz der Liebe.[1]

 

Teilnehmer 12: Und jetzt bitte noch einmal ganz konkret die Warnung vor Verführung in diesem Zusammenhang. Was ist hier die Verführung?

 

Teilnehmer 1: Die Verführung ist, den Tod als Erlösung oder alternativ als eine immer währende Qual zu betrachten und nicht als den Feind, der zuletzt vernichtet wird. Die Verführung ist, zu erzählen, dass dann, wenn ein Armer stirbt, er in Abrahams Schoß irgendwo in ein Sonderabteil im Hades, also des Totenreiches, oder ins Paradies oder gar direkt in den Himmel in eine Tafelrunde mit Jesus kommt. Und wenn ein Reicher stirbt, er Höllenqualen erleiden muss.

 

Teilnehmer 2: Aber der Himmel ist doch schon voller Heiliger und die Mutter Gottes ist auch schon da und zeigt dem Herrn Jesus fürbittend ihre Brust.

 

Teilnehmer 3: Solche Bilder finden wir im Bamberger Dom, aber solche Berichte finden wir nicht in der Bibel. Keinen einzigen Bericht, in dem sich Tote miteinander unterhalten oder sich gar den Lebenden mitteilen. Und in der Erzählung Jesu vom reichen Mann und armen Lazarus, die wir gerade besprechen, persifliert Jesus die Schilderungen der Pharisäer.

 

Teilnehmer 5: Die Anrufung gestorbener Heiliger einschließlich der „Gottesmutter“ Maria ist nichts anderes als Totenbeschwörung oder Spiritismus. Das ist vielleicht der Kernpunkt der Verführung.

 

Teilnehmer 4: Ich sehe noch einen anderen Punkt. In Psalm 116, 15 heißt es: „15 Der Tod seiner Heiligen wiegt schwer vor dem HERRN.“ Es ist unsere Aufgabe, uns mit Gott für das Leben einzusetzen und nicht den Tod, den Feind, zu bagatellisieren oder gar als Erlösung zu betrachten. Wir sollten auf der Seite Jesu stehen, der Kranke heilt, und ebenso auf der Seite der Angehörigen, Ärzte, Krankenpfleger, Sanitäter etc., die sich dafür einsetzen, Leben zu erhalten.

 

Teilnehmer 7: Aber nochmal: Warum der ganze Umweg über die Erzählung mit Abraham, Lazarus und dem namenlosen reichen Mann im Hades?

 

Teilnehmer 8: Es ist ein dramatischer Versuch Jesu, den von den Pharisäern verbreiteten Unsinn über das Totenreich als gegen Mose gerichtet zu entlarven und gleichzeitig den Pharisäern selbst den Spiegel, das heißt ihre Motivation vorzuhalten.

 

Teilnehmer 2: Der reiche Mann ist eben doch auch ein Spiegelbild der Pharisäer ist. Er verwandte seinen Reichtum ausschließlich für sein eigenes Wohlergehen ohne einen Gedanken an die ewigen Hütten und ohne einen Gedanken an Lazarus vor seiner Tür. Damit missachtete er das Gebot des Mose: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.[2]

 

Teilnehmer 3: Und dafür gibt es keine Möglichkeit der Buße oder Umkehr im Totenreich?

 

Teilnehmer 4: Nein, es gibt keine Möglichkeit der Umkehr im Totenreich. Die Toten können nichts machen – sie können auch nicht umdenken und umkehren. Die Umkehr muss zu Lebzeiten geschehen. Das lehrten wohl auch die Pharisäer, ohne davon selbst beeindruckt zu sein.

 

Teilnehmer 5: Und es gibt keine Möglichkeit, dass ein Toter zur Warnung aufsteht und es seinen Verwandten erzählt?

 

Teilnehmer 6: Natürlich nicht. Noch einmal 5. Mose 18, 9-13: „Wenn du in das Land kommst, das dir der HERR, dein Gott, geben wird, so sollst du nicht lernen, die Gräuel dieser Völker zu tun, 10dass nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt 11oder Bannungen oder Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei vornimmt oder die Toten befragt. 12Denn wer das tut, der ist dem HERRN ein Gräuel, und um solcher Gräuel willen vertreibt der HERR, dein Gott, die Völker vor dir. 13Du aber sollst untadelig sein vor dem HERRN, deinem Gott.“[3]

 

Teilnehmer 7: Ich höre das Wort „Gräuel“. Sagt nicht Jesus in Lukas 16, 15b, dass die Pharisäer ein Gräuel vor Gott sind? Wir können und dürfen mit den Toten nicht kommunizieren.  Ist schon die Vorstellung der Pharisäer von Kommunikation im Totenreich, mit der Jesus hier arbeitet, ein Gräuel vor Gott?

 

Teilnehmer 9: Das lassen wir mal dahingestellt. Wir sind immer noch bei der Anmerkung Scofields, der den Prediger Salomo mit seiner Aussage über die Bewusstlosigkeit und Handlungsunfähigkeit der Toten entkräften will. Manche der von ihm angeführten Bibelstellen haben wir als nicht einschlägig befunden, d.h., sie enthalten gar keine Aussage über das gegenwärtige Totenreich.  Bei Lukas 16 bin ich noch unentschieden. Wollte Jesus mit der Beschreibung von Abraham, Lazarus und dem namenlosen reichen Mann die Pharisäer ad absurdum führen oder hielt er ihre Vorstellung vom Hades für richtig?

 

Teilnehmer 1: Ich meine, dass Jesus im allgemeinen die Lehre der Pharisäer und Schriftgelehrten als richtig akzeptiert, wie er's dem Volk und seinen Jüngern ja in Matthäus 23:2-3 bestätigt, aber ab Vers 3b dann relativiert! Und so sehe ich auch die Geschichte (NICHT Gleichnis) in Lukas 16,19 bis 31 - ganz im Sinne der (richtigen) Lehre der Pharisäer - als Bestätigung dieser Lehre vom 'Paradies' der 'selig' Verstorbenen des Alten Testaments.[4]

 

Teilnehmer 2: Für die Übereinstimmung in der Lehre bei Jesus und den Pharisäern könnte man in der Tat Matthäus 23, 1-3, anführen: „Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern und sprach: Auf dem (Lehr-)Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln; denn sie sagen's zwar, tun's aber nicht.“

 

Teilnehmer 3: Da scheint mir das Verständnis des Wortes „alles“ wesentlich zu sein. Es kann nicht schlichtweg alles sein, was sie lehren, sondern nur „alles“, was in Übereinstimmung mit Mose ist. Sie lehrten aber vieles, was mit Mose gar nichts zu tun hatte, wie wir schon im Zusammenhang mit der Ehescheidung gesehen haben. Und die folgenden Verse unterstreichen das.

 

Teilnehmer 8: Außerdem geht es hier nicht um das Paradies, sondern um das Totenreich.

 

Teilnehmer 4: Dann lesen wir mal in Matthäus 23 weiter. Vers 4: „Sie binden schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; aber sie selbst wollen keinen Finger dafür krümmen.“ Da geht es in der Tat um falsche Lehren, um unerträgliche Lasten in der Lehre. Der dann verbunden wird mit dem trügerischen Trost der Lehre von Abrahams Schoß für die Belasteten,  der sie für ihr eigenes Leben gar nicht interessiert.

 

Teilnehmer 5: Von den Werken ganz zu schweigen. Matthäus 23, 5-11, hat dazu Einiges zu sagen. : „Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie sitzen gern obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben's gern, dass sie auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt werden. Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus. Der Größte unter euch soll euer Diener sein.“

 

Teilnehmer 6: Es folgen die Wehe-Rufe über die Pharisäer und ihre Lehre, die wir für unseren Zweck hier nicht wiederholen müssen. Ich lese aber noch die abschließenden Verse 37-39 aus Matthäus 23: „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Siehe, »euer Haus soll euch wüst gelassen werden« (Jeremia 22,5; Psalm 69,26). Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“

 

Teilnehmer 10:  Damit sind wir bei unserer Hoffnung auf die Wiederkehr Christi und die Auferweckung bzw. der körperlichen Verwandlung der Gläubigen. Und damit können wir die Pharisäer mit dem reichen Mann und dem armen Lazarus wohl hinter uns lassen. Es bleibt bei dem, was der Prediger Salomo sagt: Die Toten sind tot. Der Tod bringt uns Gott nicht näher, sondern Gott trauert über jeden Gläubigen, der stirbt.

 

Teilnehmer 5: Drei Einwände, Euer Ehren. 1. Es wird wohl niemand leugnen, dass dieses Leben irgendwann zu Ende geht. Und 2. dass manchem Gläubigen sein Leben im Zeugenstand genommen wurde. Und 3. dass wir doch alle ratlos dastehen, wenn jemand plötzlich in jungen Jahren durch Krankheit, Unfall oder Gewalt aus dem Leben scheidet. Da habe ich auf einem Grabstein auf der Begräbnisstätte unserer Familie gelesen: „Zu früh ins Grab rief Gott Dich ab.“ Ist es da nicht ein Trost, denjenigen im Himmel zu wissen? Oder im Hades in Abrahams Schoß? Oder im Paradies?

 

Teilnehmer 6: Offensichtlich ist es so, dass uns der Tod nicht erschüttert, wenn wir den guten Kampf des Glaubens gekämpft haben und mit dem nächsten erlebbaren Moment der Auferstehung vor Augen „entschlafen“. Wobei den Märtyrern die „Krone“ oder der „Kranz des Lebens“ sicher ist. Das alles gehört ja zum Trost der Auferstehung – entgegen dem falschen Trost der sofortigen Himmelfahrt einer vom Körper abgespaltenen Seele.

 

Teilnehmer 7: Der frühzeitige Tod eines Gläubigen entsetzt uns nicht zuletzt deswegen, weil wir ihn Gott in die Schuhe schieben. Aber unser Gott ist der Gott des Lebens. Er ruft niemanden ins Grab, wenngleich er nicht selten darüber informiert, dass die Zeit bald kommen wird – aber doch so spät wie irgend sinnvoll. Sein Wille ist, dass die Gemeinschaft der Heiligen fest zusammen steht und für das Leben einsteht. Das ist ein Hauptzweck des Abendmahls.[5]

 

Teilnehmer 12: Und unser Herr hat uns zum Vater beten gelehrt: „Dein Wille geschehe – wie im Himmel so auf Erden“. Und sein Wille tritt uns in Psalm 91, Verse 15-16, so entgegen: „15 Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; / ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. 16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.«

 

Teilnehmer 8: Darf ich zusammenfassen? Gott will unser erfülltes Leben. Wir sind aufgefordert, dazu durch unser Gebet, unsere Gemeinschaft und die Schärfe, wie Jesus die Geister zu unterscheiden, dazu beizutragen, dass Sein Wille geschieht und nicht Tod und Teufel regieren.

 

Teilnehmer 9: Zur Sicherheit bitte noch eine Ergänzung. Wir stellen klar und unmissverständlich fest, dass der Tod uns Gott keinen Millimeter näher bringt. In dieser Hinsicht ist auch jeder Selbstmord zweck- und sinnlos und Feindschaft gegen Gott und das Leben.

 

Teilnehmer 10: Wer jedoch bei großem körperlichen Leiden und unerträglichen Schmerzen Linderung braucht, darf sich an Jesus am Kreuz orientieren und um Linderung ersuchen: „Mich dürstet“. In diesem Sinne sei hier ein großer Dank an die Palliativmedizin und die Hospizbewegung mit ihren haupt- und ehrenamtlichen Pflegekräften, Helfern und Ärzten ausgesprochen. Und in Übereinstimmung mit dem himmlischen Vater darf der Sterbende „seinen Geist aufgeben“, wenn er seinen Auftrag vollbracht hat und/oder das Maß voll ist.

 

Teilnehmer 11: Und dann Vers 3 in Lukas 17: „Hütet euch! Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, vergib ihm.“

 

Teilnehmer 12: Oh. Da geht es nicht um strafende Vergeltung für Reichtum und Kompensation für Armut und Leid im Jenseits, sondern um Sünde, Korrektur, Buße und Vergebung in diesem Leben. Merken wir, dass Jesu Lehre eine ganz andere ist als die der geldgierigen Pharisäer?

 

Teilnehmer 1: Ja. Und Jesus ist geduldig. Wem es noch nicht klar ist, für den fügt er Vers 4 hinzu: „Und wenn er siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich![6], so sollst du ihm vergeben.

 

Teilnehmer 6: Was ist nun das Resultat? Meiner Meinung nach dies: Unser Erkennen ist Stückwerk. ... Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht ... dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Auf den Moment kommt es nach 1. Korinther 13, 9-12, an. Vorerst aber auf Glauben, Hoffen, Lieben – und die Liebe ist die größte unter ihnen.

 

Teilnehmer 7: Dabei wollen wir aber nicht vergessen, was wir vom Tod einerseits und vom Leben hier und jetzt sowie in Ewigkeit andererseits zu halten haben.

 

Teilnehmer 3: Ein weiterer Aspekt: Da der Mensch ohne einen Körper gar nicht richtig agieren kann, weswegen er ja auch nach dem Ableben des irdischen Körpers einen himmlischen Körper braucht, dann ist aller Geringschätzung unseres irdischen Leibes der Boden entzogen. Er ist kein Gefängnis der Seele, sondern gibt der Seele Aktionsmöglichkeiten, bis sie einen noch besseren Leib, eben den himmlischen, bekommt. [7]

 

Teilnehmer 4: Das scheint mir sehr wichtig zu sein. Es ist eine Grundtatsache der Psychologie, dass sich alle Äußerungen unserer Seele oder unserer Persönlichkeit im Körper ausdrücken.  Den meisten Menschen vertraut sind zum Beispiel Erröten bei Scham, Herzklopfen bei Aufregung, schlotternde Knie bei Angst und vieles mehr. Wie kann da ein Seelenleben stattfinden, wenn der Körper im Grab ist, ihn kein Blut mehr durchströmt („Das Leben, eben gerade das Seelenleben ist im Blut!“ heißt es in 1. Mose 9,4 etc.), er nicht mehr atmet (Gott blies den Odem des Lebens in seine Nase – 1. Mose 2,7) und er von Würmern zerfressen wird oder er bereits zu Asche verbrannt ist? 

 

Teilnehmer 5: Es ist offensichtlich für den Menschen einschließlich Jesus Christus typisch, dass er einen Körper braucht. Als Jesus am Kreuz starb, wurde sein Körper in ein Grab gelegt und Jesus war handlungsunfähig. Erst nach drei Tagen und drei Nächten und der Verwandlung seines Körpers in einen neuartigen Körper, der durch geschlossene Türen gehen konnte und der sich den Menschen in unterschiedlicher Weise darstellen konnte sowie in Lichtgeschwindigkeit die Himmel durchqueren konnte,[8] war er wieder fähig, zu sprechen und zu handeln.

 

Teilnehmer 6: Vielleicht kann man sich den Menschen wie einen PC vorstellen. Es gibt die Hardware, das ist der Körper. Es gibt die Software, das Gedächtnis, die Gefühle, das Wissen, die Entscheidungsfähigkeit etc., kurz die Persönlichkeit. Und es gibt das Seelenleben – der Strom. Wenn der ausfällt, sind auch Soft- und Hardware nicht funktionsfähig. Die Hardware zerfällt in ihre irdenen Bestandteile. Die Software wird immateriell aufbewahrt – die Bibel spricht von Büchern.[9]

 

Teilnehmer 7: Und was ist mit dem heiligen Geist in uns?

 

Teilnehmer 6: Ich würde ihn – Stand heute – der Persönlichkeit zuordnen. Denn Gottes Geist in uns ist ja eine Gabe Gottes an uns.

 

Teilnehmer 7: Die ganze Persönlichkeit könnte vielleicht mit einem „Chip“ vergleichen werden. Der vielleicht auch gelegentlich unter Strom gesetzt wird. Aber das geht wohl nur, wenn auch Hardware vorhanden ist.

 



[1] Vgl. Ethelbert W. Bullinger, The Rich Man and Lazarus or „The Intermediate State, London 1902, neu zugänglich im Internet bei http://www.bibleunderstanding.com.

[2] 3. Mose 19, 18b.

[3] In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Büchern erschienen, die von Menschen berichten, die ihren Körper verlassen haben, also gestorben sind, im Himmel waren und umgehend wieder zurück geschickt wurden. Doch dem Wunsch, dass eine Seele von schon Gestorbenen noch mal auf die Erde kommt, um hier aus dem Himmel oder genauer gesagt womöglich aus dem Hades zu berichten, wird – wie von Jesus betont – von Gott nicht stattgegeben.

[4] Diese Auffassung vertritt Georg Schmid.

[5] Vgl. 1. Korinther 11, 29-30.

[6] Griechisch: μετανοω – „ich denke um“ oder „ich kehre um“.

[7] Tao Li Ma hat das Buch von Ana Méndez Ferrell, Orte der Gefangenschaft, Konstanz 2009, erwähnt. Die Autorin führt aus, dass der Teufel nicht die gesamte Seele einer Person besitzen muss, sondern nur einen Bruchteil benötigt, um sie in einer Region seines Reiches festzusetzen und „von dort aus zu quälen“ – Seite 36. „Damit das geschehen kann, muss er die Seele zerbrechen. Das kann er durch Umstände wie starke Angst, ein Trauma, heftiges Leid oder durch die Beteiligung an Okkultismus und Sünde.“ Die Qual geht dabei vom Totenreich aus, erfolgt aber hier auf der Erde. Seite 115: „Die Region des Todes besteht aus zwei Teilen, einer ist der Aufenthaltsort der Toten, und der zweite ist der Ort der Unterdrückung, den er nutzt, um die gefangenen Seelen(-teile; hinzugefügt) zu quälen. Von diesem Ort schickt er Krankheit, Leiden und Tod los.“ Es hilft offenbar dem Dienst der Autorin, imaginativ in diesen Orten vorstellig zu werden und die Gefangenschaft, die sich hier auf Erden auswirkt, aufzuheben – bis hin zu Auferweckungen von den Toten (wobei das Wort Auferweckung die Vorstellung vom Seelenschlaf unterstützt). Der Autorin ist in Folgendem – S. 112 - zuzustimmen: „... ist der Tod nicht unsere letztendliche Bestimmung in dieser Welt. Der Tod wirkt inmitten der natürlichen Welt auf viele Weisen: durch Furcht, Krankheit, Unfälle, Wahnsinn und alles, was verfällt. Im geistlichen Bereich tötet der Tod ganze Bewegungen des Geistes und zerstört Gemeinden und Dienste. Alles, was der Mensch getrennt von Gott tut, ist Tod.“ (Letzterer Satz eingedenk des Predigers: Alles, was dir von die Hände kommt zu tun – und den Weisungen Gottes entspricht, ohne dass du das jeden Tag neu im Detail überprüfen musst - , das tue.) Indes entspricht der Satz auf Seite 113 „Für den echten Gläubigen, der sein Herz auf die ewigen Dinge gerichtet hat, ist der Tod nichts weiter als der Sieg, der uns mit unserem geliebten Jesus vereinigt.“, nicht dem, was die Bibel sagt. In 1. Kor. 15, 26, heißt es: „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“ Der Tod ist nicht der Sieg, sondern ein Übel, ein Feind – mit allem, was dahin führt. Aber 1. Kor. 15, 54: Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Wann? Wenn das Verwesliche wird anziehen die Unverweslichkeit. Wann ist das? Wenn Jesus zurückkommt. Kann der Teufel bis dahin den gestorbenen Gläubigen quälen? Nein, er hat kein Bewusstsein. Darum hat die Autorin recht mit dem nächsten Satz auf S. 113: „Der Mensch, der lernt, sein eigenes Leben zu verleugnen, auch wenn das den Tod bedeutet, hat den Tod überwunden und den teufel und sein Reich entmachtet.“ Hier auf der Erde. Der Weg ist schmal.

[8] Vgl. die Hauskreisdialoge zur Auferstehung Jesu Christi.

[9] Vgl. Offenbarung 20, Vers 13.

 

Titelbild: Ausschnitt aus "ROCK MY SOUL (IN THE BOSOM OF ABRAHAM)", Kunstwerk von Thomas Schmidt, 12/2015, Breite 75cm, Tiefe 80cm, Höhe 154cm, Acryl auf Stuhl, Holz, Draht, Klebeband und Metallplatten, 600€, zu betrachten unter www.thomasschmid.eu , Galerie 2015. Das Kunstwerk wurde Teilen des Hauskreises auf einer Führung durch Kreuzberg und Neukölln unter der Leitung von Herbert Witzel 2017 vom Künstler zu Gesicht gebracht, der es auch im Litererarischen Sonntagscafé des Hauskreises präsentierte. Eine Wiedergabe des Gesamtkunstwerkes findet sich in der linken Spalte oben in dem Hauskreisdialog "Auferstehung 3.10: Durch den Tod in Abrahams Schoß?"