Leiden 6.1: Jesus heilt den Blindgeborenen -  die Pharisäer richten sich selbst - und Beschließen Jesu Tod

Teilnehmer 1: Jesus sagt in der Bergpredigt: So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Was meint er eigentlich mit den „guten Werken“?[1]

 

Teilnehmer 2: Eigentlich steckt die Definition im Text. Sind gute Werke nicht alles das, was wir tun und das Menschen veranlasst, unseren himmlischen Vater zu preisen?

 

Teilnehmer 3: Ich danke Gott, wenn ich anständig behandelt werde.

 

Teilnehmer 4: Ja, das ist auch ein gutes Werk. In Matthäus 7,12,  also in der Bergpredigt, sagt Jesus: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ Ein gutes Wort zum Trost oder zur Ermutigung und auch zur Herausforderung, das Richtige zu denken und zu tun, gehört sicher dazu.

 

Teilnehmer 5: Dem will ich nicht widersprechen. Gute Arbeit und Ehrlichkeit, Trost und all das gehören sicher dazu. Und wenn ein Verkäufer einem Kunden ein gutes Produkt verkauft, dass diesem Kunden genau die Dienste leistet, die er sich gewünscht hat, dann ist das auch ein gutes Werk, über das der Kunde Gott loben mag.

 

Teilnehmer 6: Aber ich denke, wir sollten nicht bei dem stehen bleiben, was im Alten Testament guter Standard war. Wenn wir wiedergeboren sind, können wir noch Einiges mehr an guten Werken tun. Wir können tun, was Jesus tat, und noch darüber hinaus gehen. In Joh. 14,12[2] heißt es: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun; denn ich gehe zum Vater.“

 

Teilnehmer 7: Mich bewegt, dass Jesus Werke voll heiligen Geistes tat und gerade deswegen ans Kreuz gebracht wurde. Er war Salz und Licht, und gerade darum musste er sterben. Es scheint mir, als ob er bei den Glücklichpreisungen in Matthäus 5, 10-11, auch über sich selbst und seine Passion gesprochen hat.

 

Teilnehmer 8: Das sehe ich auch so. Die Auferweckung des Lazarus war das letzte Fanal für die Pharisäer und Hohenpriester, dass sie ihn töteten. Seht Euch Johannes 11,53 an: „Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.“

 

Teilnehmer 9: Ich finde den Bericht über die Auferweckung des Lazarus ganz unwahrscheinlich bewegend. Jesus, Martha, Maria und viele andere sind im Herzen berührt. Viele sind so bewegt, dass sie zum Glauben an Jesus finden. Um so erstaunlicher, dass manche ganz anders denken, unbewegt auf ihrer Position verharren, ja, den Beschluss für den Mord an Jesus fassen.[3]

 

Teilnehmer 1: Wenn das so ist, dann sollten wir doch den ganzen Bericht von der Auferweckung des Lazarus lesen, also das ganze Kapitel 11 im Johannes-Evangelium.

 

Teilnehmer 2: Bevor wir das tun, fände ich gut, auch Johannes 9 einzubeziehen. Hier geht es um die Heilung des Blindgeborenen, und das ist offenbar schon das Zeichen, das Jesus von Nazareth nach pharisäischer Lehre eindeutig als den seit 1. Mose 3, Vers 15, verheißenen Messias erweist. So jedenfalls enthüllt es Arnold Fruchtenbaum.[4]

 

Teilnehmer 3: Dann beginnen wir doch damit. Ich lese: „1 Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. 2 Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? 3 Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“

 

Teilnehmer 4: Jesus muss unendlich geduldig mit seinen Jüngern gewesen sein. Ich hätte die ganz anders zurechtgestaucht. Ich hätte zurück gefragt und gesagt: „Wie dumm. Kann denn einer vor seiner Geburt sündigen?“ Komisch, dass er dieses Argument nicht nutzt.[5]

 

Teilnehmer 5: Nach pharisäischer Auffassung streiten im Mutterleib eine gute und eine böse Natur gegeneinander. Es kann ihrer Meinung nach sein, dass das noch nicht Geborene eine Abneigung gegen die Mutter entwickelt und sie im Mutterleib tritt. Dafür wird es von Gott gestraft, so dass es blind geboren wird. Es würde niemals sehen können – es sei denn, der Messias käme. Vor diesem Hintergrund macht die ganze Frage der Jünger hohen Sinn.[6]

 

Teilnehmer 6: Und die Antwort Jesu macht noch höheren Sinn: Weder die Eltern noch der Blindgeborene haben gesündigt. Der Grund für den Geburtsfehler liegt überhaupt nicht in der Sünde. Vielleicht ist der Grund – z.B. ein Zufall – auch irrelevant. Es geht darum, dass die Werke Gottes und der Wille Gottes offenbar werden – wie bei Hiob. Darum ließ es Gott zu, dass er blind geboren wurde. Aber der Wille Gottes ist das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene.[7] Das gibt eine ganz andere Sicht auf Behinderungen aller Art.

 

Teilnehmer 7: Oh. Eine andere Sicht? Ich sehe die Herausforderung: 4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“

 

Teilnehmer 8: Wieso Herausforderung?

 

Teilnehmer 7: Jesus sagt: Wir. Nicht nur Jesus, sondern auch die Jünger. Wir gehören dazu. Solange Jesus in der Welt war, war er das Licht. Jetzt und überhaupt seit seiner Himmelfahrt sind es seine Jünger. Uns eingeschlossen. Bis zur Entrückung der Gemeinde. Dann wird es  Nacht, in der niemand in dieser Weise wirken kann.

 

Teilnehmer 8: Oh. Ich schnappe nach Luft. Und lese erst einmal weiter: 6 Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden 7 und sprach zu ihm: Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.“

 

Teilnehmer 9: Ich finde es sehr interessant, dass Jesus hier einen Erdbrei macht und ihn auf die Augen des Blindgeborenen streicht. Blindgeborene haben nämlich keine Augäpfel, sondern nur leere Augenhöhlen. Jesus musste Materie einfüllen, die sich dann in Augen verwandelte.[8]

 

Teilnehmer 10: Fruchtenbaum gibt eine andere Erklärung. Er zitiert die rabbinische Lehre: „Am Sabbat ist es verboten, einen Blinden zu heilen, weder dadurch, dass man Wein in seine Augen schüttet, noch dadurch, dass man einen Teig aus Spucke bereitet und auf seine Augen schmiert.“ Jesus geht es bei dieser Heilung zur Verherrlichung Gottes auch darum, die Mischna-Gesetze zu brechen, die im Judentum mehr oder weniger unverbunden neben dem Gesetz des Mose existierten und als „Zaun“ um des Gesetz des Mose herum ausgegeben wurden, um mit dem Gesetz des Mose auf keinen Fall in Konflikt zu geraten.[9]

 

Teilnehmer 11: Bemerkenswert finde ich auch, dass Jesus den Blindgeborenen zum Teich Siloh schickt. Der biblische Text merkt an, dass Siloah „gesandt“ heißt – und in Vers 4 macht Jesus klar, dass er der Gesandte Gottes ist.

 

Teilnehmer 8: Fruchtenbaum weist darauf hin, dass dieser Teich im untersten Teil Jerusalems liegt und man den steilen Tempelberg hinuntersteigen muss, um dorthin zu kommen – für einen gesunden Menschen nicht einfach, für einen Blinden erst recht nicht. Aber während des Laubhüttenfestes gab es ein bestimmtes Ritual, wegen dem der Teich Siloh zu dieser Zeit „der meistbesuchte Teich von ganz Jerusalem“ war. Als das Wunder geschah, war Jesus nicht in der Nähe, aber die Nachricht von dem Wunder breitete sich schnell aus.

 

Teilnehmer 12: 8 Die Nachbarn nun und die, die ihn zuvor als Bettler gesehen hatten, sprachen: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? 9 Einige sprachen: Er ist's; andere: Nein, aber er ist ihm ähnlich. Er selbst aber sprach: Ich bin's. 10 Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen aufgetan worden? 11 Er antwortete: Der Mensch, der Jesus heißt, machte einen Brei und strich ihn auf meine Augen und sprach: Geh zum Teich Siloah und wasche dich! Ich ging hin und wusch mich und wurde sehend. 12 Da fragten sie ihn: Wo ist er? Er sprach: Ich weiß es nicht. 13 Da führten sie den, der zuvor blind gewesen war, zu den Pharisäern.“

 

Teilnehmer 1: Kein Wunder, dass die Leute ein großes Fragezeichen im Kopf tragen. Einerseits ist nach rabbinischer Lehre das dritte messianische Wunder von Jesus vollbracht worden.[10] Aber es geschieht am Sabbat und in einer Weise, die die Rabbiner für verwerflich halten. Wer soll da den Durchblick haben? Sollen die urteilen, die die Lehren erfunden haben.

 



[1] Christina Gemerski im Hauskreis am 6.2.2013.

[2] Darauf wies ebenda Heinz Hüls hin. Siehe auch das Skript LPV 005 „Gute Werke“ von Heinz Hüls.

[3] So schilderte Aha ihren Eindruck am 5.3.2014.

[4] Arnold G. Fruchtenbaum: Das Leben des Messias. Zentrale Ereignisse aus jüdischer Perspektive, 5. Auflage Hünfeld 2010, insbesondere S. 67-72. Das Buch wurde auf einem Ausflug des Hauskreises nach Neustrelitz in der dortigen christlichen Buchhandlung erworben. Der nachstehende Dialog folgt in den meisten wesentlichen Punkten dem Kapitel „Der Konflikt über die Heilung eines Blindgeborenen“. Inzwischen gibt es eine neue Fassung von Arnold G. Fruchtenbaum: Jeschua: Das Leben des Messias aus messianisch-jüdischer Perspektive, Christlicher Medienvertrieb Hagedorn 2019. Das Buch wurde dem Hauskreissekretär von Kurt Fuß zugeeignet.

[5] So belehrte Georg Schmid den Meister.

[6] Arnold Fruchtenbaum, a.a.O., S. 68.

[7] Römer 12,2b.

[8] Diese Ansicht vertrat Georg Schmid.

[9] Fruchtenbaum, a.a.O., S. 69. Vgl. auch den Wikipedia-Artikel zu Mischna, Fassung vom 6. Januar 2017, 05:42 Uhr.

[10] Fruchtenbaum legt dar, dass nach der rabbinischen Tradition der Messias durch drei Wunder ausgewiesen wird: 1. die Heilung eines jüdischen Aussätzigen, a.a.O. S. 32; 2. die Befreiung von Dämonen, die stumm machen, a.a.O. S. 52; 3. eben die Heilung eines Blindgeborenen. Jesus kommt also Pharisäern und Rabbinern sehr weit entgegen, indem er alle diese Anforderungen erfüllt – und damit erweist, dass Gott für die Menschen das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene will. Ihre Lehre hingegen, die Einhaltung der 613 Gesetze des Mose durch Hunderte und teilweise Tausende neuer Gesetze zu den einzelnen 613 Gesetzes des Mose abzusichern (Fruchtenbaum, a.a.O. S. 39-42), widersprach dem Wort Gottes total und musste von ihm radikal in Frage gestellt werden – durch Worte und Taten.

 

Teilnehmer 2: Ich lese weiter: „14 Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Brei machte und seine Augen öffnete. 15 Da fragten ihn auch die Pharisäer, wie er sehend geworden wäre. Er aber sprach zu ihnen: Einen Brei legte er mir auf die Augen, und ich wusch mich und bin nun sehend. 16 Da sprachen einige der Pharisäer: Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sprachen: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? Und es entstand Zwietracht unter ihnen. 17 Da sprachen sie wieder zu dem Blinden: Was sagst du von ihm, dass er deine Augen aufgetan hat? Er aber sprach: Er ist ein Prophet.“

 

Teilnehmer 3: Anscheinend stecken jetzt aber auch die Pharisäer in einem Dilemma. Eine einfache Lösung wäre, dass der Geheilte gar nicht blind gewesen ist. Diesen Ausweg gilt es zunächst zu prüfen: „18 Nun glaubten die Juden nicht von ihm, dass er blind gewesen und sehend geworden war, bis sie die Eltern dessen riefen, der sehend geworden war, 19 und sie fragten sie und sprachen: Ist das euer Sohn, von dem ihr sagt, er sei blind geboren? Wieso ist er nun sehend?“

 

Teilnehmer 4: Was liegt näher, als die Eltern zu befragen? Doch die erkennen sofort, dass sie sich hier schnell sehr empfindlich „in die Nesseln setzen“ können, und antworten sehr klug, aber auch nicht gerade bekennerfreudig angesichts des Wunders ihres Lebens, sondern voller Furcht: 20 Da antworteten seine Eltern und sprachen: Wir wissen, dass dieser unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. 21 Aber wieso er nun sehend ist, wissen wir nicht, und wer ihm die Augen aufgetan hat, wissen wir auch nicht. Fragt ihn, er ist alt genug; lasst ihn für sich selbst reden. 22 Das sagten seine Eltern, denn sie fürchteten sich vor den Juden. Denn die Juden hatten sich schon geeinigt: Wenn jemand ihn als den Christus bekennt, der soll aus der Synagoge ausgestoßen werden. 23 Darum sprachen seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn selbst.“

 

Teilnehmer 5: Da sind die Pharisäer offenbar auf sich selbst zurückgeworfen. Angesichts der Taten von Jesus stecken sie mit ihren Lehren in einem äußerst belastenden Dilemma. Entsprechend hilflos treten sie total konfus und unverständlich an den Geheilten heran: „24 Da riefen sie noch einmal den Menschen, der blind gewesen war, und sprachen zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.“

 

Teilnehmer 6: In der Tat total paradox. Der Geheilte soll Gott die Ehre geben, und gleichzeitig wird ihm gesagt, dass der, der ihn geheilt hat, ein Sünder ist. Immerhin hat der, der ihn geheilt hat, gesagt, dass er die Werke Gottes wirkt und dass er das Licht der Welt ist. Wollen die Pharisäer, dass der Geheilte bekennt, dass Gott ihn durch einen Sünder geheilt hat? Statt zum Beispiel durch sie, die sich doch für gerecht halten und nicht als Sünder sehen?

 

Teilnehmer 7: Auf die Idee, Gott die Ehre zu geben, weil er durch einen Sünder geheilt wurde, kommt der Geheilte jedenfalls nicht. 25 Er antwortete: Ist er ein Sünder? Das weiß ich nicht; eins aber weiß ich: dass ich blind war und bin nun sehend.“

 

Teilnehmer 9: Der Geheilte scheint eine kluge und gleichzeitig eine ehrliche Haut zu sein. Aber die Pharisäer kann seine Antwort natürlich nicht befriedigen. Da ihnen aber offenbar nichts anderes einfällt, fangen sie die Befragung noch einmal ganz von vorne an: „ 26 Da fragten sie ihn: Was hat er mit dir getan? Wie hat er deine Augen aufgetan?“

 

Teilnehmer 10: Das hat der Geheilte bereits in Vers 15 klar und deutlich erklärt. Die erneute Fragerei aus lauter Verlegenheit und nur, weil die Pharisäer die einzig mögliche und richtige Schlussfolgerung nicht ziehen wollen, geht ihm offenbar auf den Keks: „27 Er antwortete ihnen: Ich habe es euch schon gesagt, und ihr habt's nicht gehört! Was wollt ihr's abermals hören? Wollt ihr auch seine Jünger werden?“

 

Teilnehmer 11: Die Tonlage ändert sich: „28 Da schmähten sie ihn und sprachen: Du bist sein Jünger; wir aber sind Moses Jünger. 29 Wir wissen, dass Gott mit Mose geredet hat; woher aber dieser ist, wissen wir nicht.“

 

Teilnehmer 12: Jetzt reicht es dem Geheilten endgültig und jetzt sagt er auch etwas zu ihrer Feststellung, dass Jesus ein Sünder ist: 30 Der Mensch antwortete und sprach zu ihnen: Das ist verwunderlich, dass ihr nicht wisst, woher er ist; und er hat meine Augen aufgetan. 31 Wir wissen, dass Gott die Sünder nicht erhört; sondern den, der gottesfürchtig ist und seinen Willen tut, den erhört er. 32 Von Anbeginn der Welt an hat man nicht gehört, dass jemand einem Blindgeborenen die Augen aufgetan habe. 33 Wäre dieser nicht von Gott, er könnte nichts tun.“

 

Teilnehmer 1: Die Antwort ist schlüssig. Gegenargumente gibt es keine. Doch statt die schlüssige Antwort anzunehmen, reagieren die Pharisäer empört-beleidigt mit ihrer religiös-gesellschaftlichen Macht: 34 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Du bist ganz in Sünden geboren und lehrst uns? Und sie stießen ihn hinaus.“ Sie machen wahr, was in Vers 22 steht – sie schließen ihn aus der jüdischen Gesellschaft aus.

 

Teilnehmer 2: Aber jemand anders sucht ihn: „35 Jesus hörte, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und als er ihn fand, fragte er: Glaubst du an den Menschensohn? 36 Er antwortete und sprach: Herr, wer ist's, auf dass ich an ihn glaube? 37 Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn ja gesehen, und der mit dir redet, der ist's. 38 Er aber sprach: Herr, ich glaube. Und er betete ihn an[1].“

 

Teilnehmer 3: Dies ist für mich der bewegendste Teil des ganzen Kapitels. Der Geheilte, der Jesus bis zu dieser Begegnung niemals gesehen hat und vielleicht auch jetzt noch nicht weiß, dass es derjenige ist, der ihn geheilt hat, erkennt in Jesus den Menschensohn, den Christus. Denn wenn ein Jude einen anderen Juden anbetet „heißt dies, dass er ihn als den Messias anerkennt.“[2] Der Geheilte hat eine atemberaubende Christusbegegnung und –erkenntnis.[3]

 

Teilnehmer 4: Für die Pharisäer aber folgt das Gericht: „39 Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, auf dass die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden.“

 

Teilnehmer 5: In der Tat, der Geheilte, der nicht sehen konnte, erkennt den Messias, den Retter. Die Pharisäer, die anhand ihrer eigenen Kriterien, nämlich der Wunder, die der Messias tut, genau wissen, dass Jesus der Messias ist, werden vor rasender Eifersucht blind – sie besiegeln ihren Untergang und den Untergang der Nation für die nächsten 2 Jahrtausende.

 

Teilnehmer 6: Gibt es für sie denn keine Vergebung?

 

Teilnehmer 7: Nein. Das bezeugen die letzten Verse in diesem Kapitel und das ganze Kapitel 10: 40 Das hörten einige der Pharisäer, die bei ihm waren, und sprachen zu ihm: Sind wir denn auch blind? 41 Jesus sprach zu ihnen: Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.“[4]

 

Teilnehmer 8: Ihre Sünde bleibt, denn sie verleugneten Jesus als den Messias, obwohl sie wussten, dass er es ist. Sie – und nur sie – begingen die Sünde wider den heiligen Geist, in dem sie sagten, dass Jesus böse Geister, die stumm machen, nur durch Beelzebub austreiben konnte, obwohl sie wussten, dass er es in der Kraft des heiligen Geistes tat.[5]

 

Teilnehmer 9: Auf dieser Straße des Verderbens gibt es jetzt kein Halten mehr. Nach der Heilung des Blindgeborenen wird derjenige aus der jüdischen Gemeinschaft ausgeschlossen, der Jesus als Messias bekennt. Nach der Auferweckung des Lazarus wird über Jesus selbst der Tod beschlossen. Gehen wir über zu Johannes 11.

 



[1] Das griechische Wort an dieser Stelle ist προσκυνεω – fußfällig verehren, sich vor ihm niederwerfen, vor ihm niederfallen (so die Interlinear), knieend huldigen (besonders dem persischen König oder einem Großen, indem man den Boden mit der Stirn schlug und die Kleider des Angebeteten oder die Erde küsste), anbeten, anflehen, (ehrfurchtsvoll) begrüßen, jemanden Lebewohl sagen. Menge-Güthling, S. 596. Wörtlich: ich küsse meine Hand und strecke sie dann gegen den aus, dem ich meine Verehrung bezeigen will. Die Proskinese bedeutet nicht, jemanden als Gott anzuerkennen. Vgl. auch „Proskynese“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. Januar 2020, 18:08 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Proskynese&oldid=196275877 (Abgerufen: 3. März 2020, 09:26 UTC)

[2] Arnold Fruchtenbaum, a.a.O., S. 72.

[3] Das teilte voller Staunen Aha mit.

[4] Das erinnert an die Glücklichpreisung in Matthäus 5,3: Das Himmelreich gehört denen, die wissen, dass sie von sich aus geistlich arm sind – nicht denen, die sich von sich aus für geistlich reich halten. Vgl. „Glück 1“ auf dieser Website.

[5] Vgl. Matthäus 12, 22-37; Markus 3, 20-30; Arnold Fruchtenbaum, a.a.O., S. 51-55.

 

 

Titelbild: Christus heilt den Blindgeborenen. El Greco (1541-1614


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