Der Auftrag an Johannes Für den dem Herrn gehörenden Tag

 

Leonhard: Der „Tag des Herrn“ in Offenbarung 1 lässt sich wohl nur aus dem Zusammenhang heraus verstehen. Ich fahre fort, Offenbarung 1 ab Vers 9 zu lesen: „9Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. 

 

Meinhard: Wo liegt denn Patmos?

 

Oliver und Beate: Wir waren da und haben auch die Höhle gesehen, in der Johannes angeblich die Offenbarung empfangen hat. Wer wissen will, wo Patmos liegt, der werfe am besten einen Blick auf die Karte vom östlichen Mittelmeer. Patmos ist eine griechische Insel dicht vor der türkischen Küste, also vor Kleinasien, in dem die Städte liegen, die angesprochen werden: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea.

 

Meinhard: Was heißt, dass Johannes dort war um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen?

 

Heinrich: Er war wohl als Christ von den römischen Machthabern verfolgt und nach Patmos verbannt worden. Er spricht ja davon, ein Mitgenosse der Bedrängnis zu sein – aber auch des Reiches und eben der Geduld in Jesus, einer Geduld oder Ausdauer, die man nur haben kann, wenn mit seinem ganzen Denken und Sein in Jesus verankert ist.

 

Meinhard: Den nächsten Satz verstehe ich nicht: „10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune,“. Ich meine, wir haben eben darüber gesprochen, dass der große Gerichtstag Gottes noch kommt. Das haben wir 2. Petrus 3, Vers 12, entnommen. Wie kann dann Johannes hier bereits am Tag des Herrn von Geist ergriffen werden?

 

Kurt: Arnold Fruchtenbaum weist darauf hin, dass im Griechischen nicht „am Tag des Herrn“ steht, sondern ein Adjektiv zu Tag: Εγονομην εν πνευματι εν τη κυριακη ημερα (egonomän en pneumati en tä küriakä hämera). Die Interlinear übersetzt entsprechend wörtlich: Ich war im Geist an dem dem Herrn gehörenden Tag. Könnte das eine ganze Zeitspanne sein? Zum Beispiel alle Tage, an denen der Herr für alle sichtbar wirkt? Oder alle Tage, an dem der Herr seine Herrlichkeit zeigt?

 

 

 

 

 

Georg: Könnte es der Tag seiner Rache und seines Zorns sein?

 

Heinrich: „Der dem Herrn gehörende Tag“ scheint mir der Tag zu sein, an dem voraussagende Worte des Herrn in Erfüllung gehen. Ich denke dabei insbesondere an die von Jesus in Matthäus 24 vorausgesagte Zerstörung des Tempels in Jerusalem sowie die Zerstörung Jerusalems überhaupt. Und das ist in der Tat ein gewaltiger Gerichtstag. Ob wir es „Rache“ oder „Zorn“ nennen sollten, lasse ich mal dahin gestellt. Das „Gericht“ oder die „Unterscheidung“ findet statt, wenn unserem gnädigen und gerechten Gott keine andere Wahl bleibt – als Konsequenz menschlichen Handelns, inspiriert vom Teufel.

 

Friedrich: Auch die leibhaftige Rückkehr Jesu auf die Erde ist von ihm vorausgesagt - fürwahr auch ein Tag des Herrn.

 

Leonhard: Vielleicht können wir aus dem, was Johannes im Geist am Tag des Herrn sieht und hört, schließen, was mit dem Tag des Herrn gemeint ist. Und da sprach eine laute Stimme wie von einer Posaune zu ihm. „11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.

 

Heinrich: Die Stimme sagt also, Visionen aufzuschreiben und das Geschriebene an sieben Gemeinden in der Provinz Asien (Kleinasien; heute Türkei) zu schicken.

 

Friedrich: Wie wir im Folgenden sehen werden, geht es in diesen sogenannten Sendschreiben zunächst darum, klarzumachen, was Jesus aus der Sicht Gottes den Gemeinden mitteilen muss: was gut läuft und was verbessert werden soll. Das ist auch ein Gericht oder eine Unterscheidung.

 

Wilhelm: An dem dem Herrn gehörenden Tag, an den Johannes versetzt wird, geschehen also verschiedene Dinge oder werden verschiedene Dinge in Visionen vermittelt. Zum einen sind es die Sendschreiben an die Gemeinden mit dem genannten Inhalt. Es ist somit zunächst einmal ein Tag, an dem der HERR unterscheidet und kundtut, was in den Gemeinden gut ist und was verbessert werden muss. Diese Zurechtweisung erhält aber eine hohe Dringlichkeit, weil es bald ein Gericht über Jerusalem geben wird und die Gemeinden sich angesichts der offensichtlichen Überwindung des mosaischen Gesetzes, deutlich vollzogen in der Zerstörung des Tempels, aber von Mose selbst angekündigt, bewähren müssen.

 

Heinrich: Das finde ich ziemlich dramatisch. Bewährung heißt hier nicht zuletzt Heiligung angesichts von Bedrängnissen.

 

Meinhard: Das sind alles schon Vorgriffe auf die folgenden Kapitel der Offenbarung, die mit den Sendschreiben fortfährt. Doch bevor die sogenannten Sendschreiben „diktiert“ werden, folgt erst eine genauere Beschreibung dessen, der diktiert – und damit nicht zuletzt seine Autorisierung. Dem sollten wir uns im nächsten Abschnitt zuwenden.