Glück 5.5: Unsere Praxis der Barmherzigkeit

Teilnehmer 3: Unsere eigene Barmherzigkeit hat nach Lukas 10, 25 ff., offensichtlich mit einem Tun zu tun. Es passiert was.[1]

 

Teilnehmer 4: Wo sehen wir denn für uns Möglichkeiten, barmherzig zu sein?[2]

 

Teilnehmer 5: Wir können zum Beispiel den Obdachlosen gegenüber barmherzig sein. Die Gemeinde auf dem Weg nimmt Obdachlose auf und gibt Mahlzeiten aus.[3]

 

Teilnehmer 6: Barmherzigkeit ist auch, wenn Hans mit Gideon ins Kino geht, der zwar nicht obdachlos ist, aber zu Hause in schwierigen Verhältnissen lebt. Und Angelika hat mit Jona´s Haus einen ganzen Hort der Barmherzigkeit errichtet, den wir wiederum von Herzen unterstützen.

 

Teilnehmer 7: Barmherzigkeit ist auch, wenn Väter mit ihren Kindern geduldig sind, wenn diese bei ihren Studien manchen Umweg machen, weil sie es nicht besser wissen oder können.

 

Teilnehmer 8: Barmherzig ist auch, wenn sich eine Bibliothekarin in der Stadtbibliothek zu Neukölln besonders der türkischen Schülerinnen annimmt, um ihre Wissbegierde zu unterstützen.

 

Teilnehmer 9: Aber nicht jede Hilfe ist Barmherzigkeit. Oft ist Hilfe schon zum Geschäft, zum Spendengeschäft geworden. Das Herz muss schon beteiligt sein.[4]

 

Teilnehmer 10: Und nicht jeder hilfsbedürftig Erscheinende ist es auch. Manche nehmen nur aus Bitterkeit und Rebellion die Hilfen unseres Sozialstaates gar nicht an.[5]

 

Teilnehmer 11: Dabei ist der Begriff der Hilfsbedürftigkeit keineswegs nur materiell zu fassen. Auch Reiche und Wohlhabende können hilfsbedürftig sein.

 

Teilnehmer 12: Das macht Jesus in Matthäus 9, 9-13, klar: „9Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. 10Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 13Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit[6] und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

 



[1] Das betonte Oliver Wurl.

[2] Diese Frage stellte Aha.

[3] Darauf wies Klaus-Peter Witt hin.

[4] Das gab Oliver Wurl zu bedenken.

[5] Das gab Klaus-Peter Witt zu bedenken.

[6] Ελεος. Vgl. Interlinear Griechisch-Deutsch, S. 35.

 

Titelfoto: Ansicht von Jona's Haus in Berlin-Spandau, geleitet von Prof. Dr. Angelika Bier. Entnommen der Website

https://stiftung-jona.de/jonas-haus/portrait/

 

Teilnehmer 1: Du meinst, Jesus meint hier seine eigene Barmherzigkeit gegenüber Zöllnern und Sündern?

 

Teilnehmer 12: Genau das meine ich. Es geht hier tatsächlich um Herz und Liebe und Beziehung zu den Menschen, derer wir uns erbarmen, und nicht um den Zehnten und um Spendenopfer für das Geschäft mit der Hilfe.

 

Teilnehmer 2: Ich glaube auch, dass es bei der Barmherzigkeit darum geht, mit dem Herzen dabei zu sein und nicht zu verhärten.

 

Teilnehmer 3: Und doch darf oder muss sogar auch der Verstand beteiligt sein. Was nützt es, wenn ich zwar helfen möchte, aber doch gar nicht helfen kann, zum Beispiel, weil es meine Möglichkeiten übersteigt? Was nützt es zum Beispiel, in einem überfüllten Haus noch weitere Obdachlose einzuquartieren? Vielleicht sogar auf Kosten der Kinder, die sich nicht mehr zuhause fühlen?[1] Da ist doch wohl Weisheit vonnöten?

 

Teilnehmer 4: Und ob das Herz immer den richtigen Maßstab hat, ist doch auch sehr fraglich. Immerhin ist es böse von Jugend auf.

 

Teilnehmer 12: Zum Glück nicht von Geburt an – oder gar von der Zeugung an.

 

Teilnehmer 5: Es kommt sehr wohl darauf an, ob es ein Herz ist, das weiß, was Buße ist.

 

Teilnehmer 6: Noch eine Bemerkung zur Weisheit in der Barmherzigkeit. Der barmherzige Samariter lud den, der unter die Räuber gefallen war, nicht auf sein Tier und nahm in mit nach Haus, sondern vertraute ihn der bezahlten Pflege des Gastwirts an.[2]

 

Teilnehmer 7: Ja, er zahlte und reiste weiter und war doch „beim armen Herzen“.[3]

 

Teilnehmer 8: Eigentlich weiß man ja, was Barmherzigkeit ist. Und auch, dass der Priester und der Levit in der Geschichte von Jesus keine hatten. Müssen wir das Thema noch weiter vertiefen?[4]

 

Teilnehmer 9: Ich möchte noch eine Beobachtung teilen. Ist es nicht merkwürdig, dass  Barmherzigkeit keine Frucht des Geistes ist, wenn wir der Aufzählung in Galater 5,22 folgen?

 

Teilnehmer 10: Vorsicht. Es ist eine Aufzählung, die nicht abschließend sein muss. Darauf deutet hin, dass vor dem letzten Wort der Aufzählung kein abschließendes „und“ steht. Außerdem ist Liebe eine Frucht des Geistes. Die schließt die Nächstenliebe ein, und die hat offensichtlich mit Barmherzigkeit zu tun. Und dem Glück der Barmherzigen.

 



[1] Diese Fragen stellte Oliver Wurl.

[2] Darauf wies Hans Steinbakke hin.

[3] Damit bekräftigte Georg Schmid den Hinweis von Hans Steinbakke und gab eine schöne Definition von Barmherzigkeit, nämlich, „beim armen Herzen“ zu sein. Das wäre auf das Objekt der Barmherzigkeit gerichtet, während die Deutung „Erbarmen vom Herzen her“ das Subjekt der Barmherzigkeit im Blick hat.

[4] Diese Frage erhob Oliver Wurl.