Advent 1.3:  Memento mori - Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden (Psalm 90)

Teilnehmer 1: Ich erinnere mich noch gut an Ende November 2016. An dem Mittwoch nach Totensonntag starb BWLs Mutter im Alter von 87 Jahren. Vorher hatte sie in ihrem relativ hohen Alter im Beisein von BWL in einem Gebet Jesus ihr Leben übergeben hat. BWL und wir mit ihr können gewiss sein, dass ihre Mutter bei der Rückkehr Jesu Christi für seine Gläubigen von den Toten auferweckt wird. „She will be in that number!“[1]

 

Teilnehmer 2: Der Gedanke an meine Auferweckung und mein Zusammentreffen mit dem Heiland sowie das Geschehen um den Tod von BWLs Mutter sind für mich eine Aufforderung, das „memento mori“, das „denkt daran, dass ihr sterben müsst“ in Psalm 90 neu zu bedenken. Und ich möchte es mit der Frage verknüpfen, was für eine Vorstellung oder gar Vision wir von unserem eigenen Sterben haben, wenn es denn dazu kommen sollte, weil wir alt und lebenssatt sind und unser Körper verfallen ist und dem notwendigen Reparaturbedarf nicht mehr Herr werden kann, auch nicht mit Unterstützung von Medizin, Pharmazie und Medizintechnik.

 

Teilnehmer 3: Bevor wir auf unsere eigenen Vorstellungen kommen, schlage ich vor, dass wir uns zunächst Psalm 90 etwas genauer ansehen und uns dann damit befassen, wie Menschen Gottes nach dem biblischen Zeugnis gestorben sind. Vielleicht sollten wir unsere Vorstellungen und Visionen von dem eigenen Sterben daran ausrichten.

 

Teilnehmer 5: Gut, dann beginne ich, Psalm 90 zu vorzulesen:

„Ein Gebet des Mose, des Mannes Gottes.

1 Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. /

2 Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

3 Der du die Menschen lässest sterben

und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!“

 

Teilnehmer 6: Da möchte ich schon einmal drei Dinge hervorheben:

1. Gott ist vor aller Schöpfung.

2. Er hat den Tod zugelassen. Und

3. er wird die Menschenkinder vom Tod auferstehen lassen.

Seit dem Sündenfall und damit seit dem Beginn der Sterblichkeit ist die Auferstehung der Grundpfeiler des Glaubens – im Alten wie im Neuen Testament.[2]

 

Teilnehmer 7: Ich fahre fort:

4 Denn tausend Jahre sind vor dir / wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.

5 Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, / sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst,

6 das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt.“

 

Teilnehmer 8: Auch dazu eine Bemerkung. Ich bin überrascht, in welchem Zusammenhang die Relativierung der Zeit in der Sicht Gottes steht. Es bezieht sich offenbar auf die für manche, ja, für viele schon tausende Jahre währende Zeit zwischen Sterben und immer noch nicht erfolgtem Auferstehen.

 

Teilnehmer 9: Und dann folgt der Grund für das Sterben der Menschen überhaupt:

„7 Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen,

und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahinmüssen.[3]

8 Denn unsre Missetaten stellst du vor dich,

unsre unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.

9 Darum fahren alle unsre Tage dahin durch deinen Zorn,

wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz.“

 

Teilnehmer 10: Und dann kommt die Frage nach der Konsequenz, die wir aus der Endlichkeit und der damit verbundenen Vergeblichkeit unseres Lebens ziehen:

„10 Unser Leben währet siebzig Jahre,

und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.

11 Wer glaubt's aber, dass du so sehr zürnest,

und wer fürchtet sich vor dir in deinem Grimm?

12 Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“

 

Teilnehmer 11: Ja, es geht um die Frage, ob wir unser Leben zubringen "wie ein Geschwätz" mit vergeblicher Mühe um die siebzig oder achtzig Jahre oder ob wir bedenken, dass wir sterben müssen und klug werden – und uns auf die Auferstehung vorbereiten, die für die einen eine Auferstehung zum ewigen Leben ist und für die anderen den zweiten und damit endgültigen Tod bedeutet.[4]

 

Teilnehmer 8: Wiederum bin ich überrascht. Der Psalmist, also in diesem Fall Mose, spricht hier nicht darüber, dass unser Leben von Gott her auf 70 oder 80 Jahre begrenzt ist. Schließlich wird er selbst 120 Jahre alt. Mose spricht vielmehr darüber, dass das Leben oft nach 70 oder 80 Jahren aufhört, und dass uns dass dazu führen sollte, rechtzeitig zu überlegen, ob wir es zubringen wollen „wie ein Geschwätz“, zum Beispiel mit letztlich doch vergeblicher Arbeit, oder ob wir es nutzen wollen, um in Gemeinschaft mit Gott zu leben und sich zu freuen, wenn er eines Tages sagt: „Kommt wieder, Menschenkinder!“ und dabei die einen zum ewigen Leben eingehen, die andern aber in den zweiten, endgültigen Tod.[5]

 

Teilnehmer 12: Und dann kommt, was Gott ohne Frage tut, wenn wir aus unserem Bedenken des Sterbens klug werden:

13 HERR, kehre dich doch endlich wieder zu uns

und sei deinen Knechten gnädig!

14 Fülle uns frühe mit deiner Gnade,

so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.

15 Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest,

nachdem wir so lange Unglück leiden.

16 Zeige deinen Knechten deine Werke

und deine Herrlichkeit ihren Kindern.“

 

 



[1] Mit dem Ausspruch wird auf den Spiritual „Oh When The Saints Go Marching In“ Bezug genommen.

[2] Vgl. dazu auch Dorothee Löhr, Predigt über Daniel 12, 1-13. Predigt über Daniel 12, 1-13.

[3] Zu „Zorn“ und „Grimm“ vgl. auch den Dialog „Glück 4.3: Gott macht uns gerecht“ sowie Adrian Ebens, Agape, S. 111 ff. Statt „Zorn“ und „Grimm“ kann auch z.B. „abgrundtiefe Trauer“ übersetzt werden, die Gott empfindet, wenn es ihm nach seiner Gerechtigkeit noch nicht möglich ist, die Sterblichkeit seiner Gläubigen aufzuheben. Vgl. dazu auch Gerhard Padderatz, Allmächtig? Ohnmächtig? Gerecht?, 9. Auflage Saatkorn-Verlag 2016, S. 40 ff.

[4] Vgl. Offenbarung 20, insbesondere die Verse 4-6 und 14-15.

[5] Vgl. Offenbarung 20, ebenda.

 

 

Titelbild: Mose vor dem brennenden Busch. Urheber: Illustratoren  der Holman Bible 1890. http://thebiblerevival.com/clipart/1890holmanbible/bw/mosesandtheburningbush.jpg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8845245.

 

Teilnehmer 1: Ich bin ein wenig verwirrt. Wir haben vor einer Woche über die Buße gesprochen und gesehen, dass sie im Grundsätzlichen ein Umdenken ist, das darin besteht, dass wir uns Gott zuwenden, einem gnädigen Gott, der uns keineswegs plagt, sondern unser Glück will. Der Psalmist hier, kein geringerer als Mose, bittet JHWH, sich uns zuzuwenden, uns gnädig zu sein und mit seiner Plage aufzuhören. Ist das nicht in gewisser Weise das Gegenteil?

 

Teilnehmer 2: Für diese Frage sollten wir alle dankbar sein. Ihre Beantwortung hat eine lange Meditation verdient, vielleicht sogar ein längeres Fasten. Aber auf die Schnelle würde ich sagen: Es ist nicht das Gegenteil von Buße, sondern das Spiegelbild. In Wahrheit ist Gott stets seiner Schöpfung zugewandt und will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.[1] Doch wenn der Mensch sich abwendet und ohne Gott lebt und Gott nicht an seiner Seite sein kann, nicht sein Schutz und Segen sein kann, kommt es ihm so vor, als habe sich Gott abgewandt und schicke ihm all die Plagen, die auf ihn hernieder gehen mögen. Wendet sich der Mensch dann wieder Gott zu, erscheint ihm Gott gnädig und als eine Quelle der Freude.

 

Teilnehmer 3: Dem möchte ich noch die heilsgeschichtliche Dimension hinzufügen. Die unmittelbare Beziehung und Ebenbildlichkeit von Gott und Mensch ging mit dem Sündenfall verloren. Seither warteten beide, Gott und Menschheit, auf den Erlöser, um diese Beziehung des Wohlwollens, der Harmonie und der Gnade wiederherzustellen. Inzwischen gibt es den Erlöser, nämlich unseren HErrn Jesus Christus. Hoffnung hat sich zu einem erheblichen Teil in Realität verwandelt. Deswegen haben sich unsere Gebete wandeln dürfen. Wir können Gott dafür danken, dass er sich uns zugewandt hat und uns mit seiner Gnade gefüllt hat.

 

Teilnehmer 4: Und doch sind wir noch nicht wieder im Paradies. Deswegen ist das Gebet des Mose immer noch wenigstens zum Teil unser Gebet: „Zeige deinen Knechten deine Werke und deine Herrlichkeit ihren Kindern.“

 

Teilnehmer 5: Ich lese den letzten Vers dieses Psalms von Mose:

„17 Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich / und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!“ Das ist auch unser Gebet – eingeschlossen die Frage, was unser Werk sein soll, eingeschlossen die Arbeit für unsere Versorgung und darüber hinaus für Mittel, um zu geben,[2] und eingeschlossen die generelle Zielsetzung: „Und alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“[3]

 

Teilnehmer 6: Dem Zitat von Kolosser 3,17 möchte ich noch die Verse 23-25 aus dem gleichen Kapitel hinzufügen: „23 Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, 24 denn ihr wisst, dass ihr von dem Herrn als Lohn das Erbe empfangen werdet. Dient dem Herrn Christus! 25 Denn wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und es gilt kein Ansehen der Person.“

 

Teilnehmer 7: Hilfe. Wo sind wir jetzt gelandet? Es geht doch um den Ewigkeitssonntag und seine unmittelbare Verbindung mit dem Advent.

 

Teilnehmer 8: Eine kleine Rückblende. Wir sind ausgegangen vom Totensonntag oder Ewigkeitssonntag als ein Gedenktag für „unsere“ Verstorbenen. Da liegt die Frage nicht fern, welche Rolle der Gedanke an unseren eigenen Tod in unserem Leben spielt. Oder anders ausgedrückt: Wollen wir unsere Zeit mit vergeblichen Dingen verbringen oder mit Haltungen und Werken, die in der Ewigkeit zählen – Werke „unserer Hände“, die Gott segnet - wie das Werk des Mose, der 120 Jahre alt wurde und der diesen Psalm 90 betet.

 

Teilnehmer 9: Hier ist auch der "Turm von Siloah" zu erwähnen, zu dem Hans Graf von Lehndorff in seinem Buch "Die Insterburger Jahre. Mein Weg zur Bekennenden Kirche"[4] im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Hitler bemerkenswerte Hinweise gibt. Jeder kann plötzlich und zufällig vom Tod ereilt werden. Sind wir gewappnet, so dass es uns nicht wie denen von Siloah ergeht? Nutzen wir unsere Zeit, um sicherzustellen, dass wir aus den Toten zum ewigen Leben auferweckt werden, wenn Jesus zurück kommt.

 

Teilnehmer 10: Wie können wir das sicherstellen?

 

Teilnehmer 11: Ich erinnere an unseren Dialog zum Grenzübertritt in das Reich Gottes.

 

Teilnehmer 12: Und ich möchte auf Hebräer 9, 27 – 28, aufmerksam machen: „Und wie es den Menschen bestimmt (wörtlich: gesetzt) ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male ohne Beziehung zur Sünde (d. h. sein Kommen hat nichts mehr mit der Sünde zu tun) denen zum Heil (oder zur Rettung) erscheinen, die ihn erwarten.“ [5]

 

Teilnehmer 1: Und was hat diese Stelle mit unserem Thema zu tun?

 

Teilnehmer 12: Na, er kommt zu denen, die ihn erwarten oder ersehnen oder herbeirufen.

 

Teilnehmer 1: Heißt das, dass die gestorbenen Christen ihn als Gestorbene aktiv erwarten – im Gegensatz zu der Feststellung, dass sie „schlafen“?

 

Teilnehmer 2: Nein. Das Erwarten bezieht sich darauf, dass die gestorbenen Christen zu ihren Lebzeiten auf ihn warteten. Und sie sozusagen mit dieser Erwartung und Heilsgewissheit gestorben sind. Und deswegen werden sie hier mit den Christen zusammengefasst, die IHn erwarten und noch leben. Wir kennen die Redefigur „pars pro toto“, ein Teil für das Ganze. Hier wird das, was ein Teil noch aktiv tut, auf die Gesamtheit übertragen, obwohl der andere Teil schon nichts mehr tun kann, aber das Gleiche getan hat.

 



[1] 1. Timotheus 2, Vers 3.

[2] 2. Thessalonicher 3, 7-13; 1. Timotheus 6, 17-19; Galater 6, 9-10; Epheser 4, 28. Jesus nach Apostelgeschichte 20, 33-35: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Grundlegend Sprüche 30, 24-28; Sprüche 6, 6-11. Zur Praxis des Paulus siehe auch Apostelgeschichte 18, 3; 1. Korinther 4, 12 und 1. Thessalonicher 2, 9. Grundlegend zur Achtsamkeit im Beruf, zu Investitionen etc.: Sprüche 27, 23-27. Das Werk unserer Hände: 1. Für uns und unsere Haushalte; 2. Für die Gemeinde Jesu 3. Für den Rest der Welt.

[3] Kolosser 3,17. Nebenbei bemerkt: Der Vers unterscheidet klar zwischen Jesus und Gott. Wir handeln im Namen Jesu – als Glieder seines Leibes auf Erden. Das gilt auch für unseren Dank: Wir danken Gott durch ihn – er, Jesus, macht unseren Dank vor Gott angenehm als schuldenfreie Menschen, schuldenfrei durch das Blut Jesu.

[4] Beck´sche Reihe Band 453, München 2001, S. 93 ff.

[5] So Georg Schmid.