Auferstehung 2.6: Wiederum: Johannes oder Lazarus?

Teilnehmer 12: Auch merkwürdig, dass Jesus einem Jünger, eben diesem Jünger, den er lieb hatte, erlaubt hat, sich an seine Brust zu lehnen. Manche halten das ja für eine Andeutung von Homosexualität.

 

Teilnehmer 1: Das ist natürlich total abwegig. Für die erotische oder sexuelle Liebe haben die Griechen das Wort ερως (eros) als Substantiv bzw. εραω (eraoo) als Verb.[1] Das wird aber an keiner Stelle in diesem Text benutzt.

 

Teilnehmer 11: Wahrscheinlich war Johannes – wenn es sich denn überhaupt um Johannes handelt - noch ziemlich jung und erfreute sich der besonderen Fürsorge von Jesus.

 

Teilnehmer 10: Hm. Jesus gab ihm und seinem Bruder den Namen „Donnerskinder“ nach Markus 3,17. Das klingt nicht gerade danach, dass er besonderer Fürsorge bedurfte.

 

Teilnehmer 9: Vielleicht war Johannes dem Jesus etwas ähnlicher als alle anderen und verstand ihn besser und leichter. Petrus gehörte zwar auch zum engsten Jünger-Kreis, aber Johannes war Jesus doch noch ein bisschen näher. Deswegen war er der Lieblingsjünger. [2]

 

Teilnehmer 2: Schweben wir jetzt nicht selber in der Gefahr, in den Text hinein- bzw. herauszulesen, was nicht drin steht? Ist denn überhaupt Johannes der Jünger, den Jesus phileoo-lieb hatte? Dies wird tatsächlich nur von einem ganz anderen Jünger gesagt, nämlich von Lazarus, der nicht zum Kreis der 12 Apostel gehörte.[3] Und liegt nicht gerade bei Lazarus nahe, dass die anderen Jünger vermuten, der würde nicht sterben, weil er ja schon von Jesus auferweckt worden war?

 



[1] Auch φιλεω (phileoo), aber wohl kaum αγαπαω (agapaoo) kann eine solche Färbung haben.

[2] Diese Ansichten vertrat Georg Schmid.

[3] Johannes 11, Verse 3 und 36: φιλεις 8 (phile-is) bzw. εφιλει (ephile-i) von φιλεω (phileoo). Vgl. auch den Hauskreisdialog «Leiden 2.8».

 

Teilnehmer 5: Man könnte die Frage stellen, ob der Auferstandene einen Apostel wie Petrus auf den (Zeugen-)Tod vorbereiten will oder auf ungewohnte Wege, anderen das Leben zu bringen. Beides ist denkbar.

 

Teilnehmer 3: Meiner Meinung nach wird in Vers 24 deutlich, dass es doch Johannes ist: „Dies[1] ist der Jünger, der dies alles bezeugt und aufgeschrieben hat, und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.“ Johannes schreibt dies vielleicht zu einem Zeitpunkt, als alle anderen von Jesus erwählten Apostel schon den Tod im Zeugenstand gestorben sind.

 

Teilnehmer 4: Das trifft dann zu, wenn sich das „Dies“ sowohl auf den Evangelisten Johannes bezieht wie auf den Jünger, den Jesus lieb hatte. Letzteres kann man aber auch anders sehen, wenn man Vers 25 hinzu nimmt. Dann sind die Verse 24 und 25 sozusagen die Schlusssätze des Johannes-Evangeliums, die sagen wollen: So weit (Dieser hier ist) der Jünger, der dies alles bezeugt und aufgeschrieben hat. Der Sinn wäre: Für das, was in diesem Evangelium steht, steht der Jünger, der dies alles bezeugt und aufgeschrieben hat. Aber (Vers 25) „Es sind noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat. Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.“

 

 

Teilnehmer 8: Lasst uns zum Schluss dieses Dialogs die Bibeltexte noch einmal chronologisch und in der Form untereinander schreiben, zu der hin wir diskutiert haben, um das Ganze auf uns wirken zu lassen.

 



[1] ουτος dieser. Nominativ masculinum Singular. Zu den verschiedenen Färbungen in der Verwendung dieses Pronomens vgl. Menge-Güthling, S. 5.

 

Titelbild: Grab des Lazarus in Al-Eizariya or al-Azariya (Arabic: العيزرية‎, "(place) of Lazarus"), das klassische Betanien. Heute in der West Bank. Foto von Andrew Edward Breen, 1906. A diary of my life in the Holy Land. Verborgene CC-PD-Mark.